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Sportliche Frau, Couchkartoffel oder Hochleistungssportlerin? Das ist für Dr. Susanne Weber die spannende Frage. Entsprechend entscheidet die Gynäkologin und Sportmedizinerin aus Heidelberg, welche Sportarten für ihre schwangere Patientin weiter vertretbar oder zu empfehlen sind. Eine erfahrene Sportlerin kann Risiken anders einschätzen als eine Anfängerin. Eine Hochleistungssportlerin muss eventuell etwas gebremst werden.

Doch um es direkt vorauszuschicken: Für schwangere Neueinsteige­rinnen eignet sich keine unserer fünf Trendsport­arten. Dafür bergen sie ein zu hohes Verletzungsrisiko.

Welche Sportarten wirklich guttun

Gut sind Sportarten ohne Verletzungsrisiko, die das Herz-Kreislauf-System fordern, aber nicht überlasten. Sie können im Idealfall helfen, mit der Schwangerschaft besser zurechtzukommen – indem sie etwa Rückenschmerzen vorbeugen, Schwangerschaftsübelkeit lindern und zum psychischen Wohlbefinden beitragen.

Ausdauersportarten wie Nordic Walking, Fahrrad­fahren (auf dem Standrad) oder Wandern sind empfehlenswert. Am besten eignen sich Sportarten im Wasser. Die Schwangere muss nicht gegen die Schwerkraft an­arbeiten. Ein Grund, warum Schwimmen oder Aqua­fitness bis kurz vor der Entbindung ausgeübt werden können.

Beweglichkeitstraining wie Pilates für Schwangere oder Schwangerschaftsyoga ist ebenfalls sinnvoll. Die Muskeln werden sanft trainiert, die Flexibilität erhöht. Tai-Chi oder Yoga helfen außerdem, Stress abzubauen und das eigene Körpergefühl zu stärken.

Immer wichtig: das persönliche Wohlbefinden. Geht es einer schwangeren Frau gut, dann ist das auch gut fürs Baby.

Bouldern

Was zeichnet die Sportart aus?

Beim Bouldern klettert man ohne Seil oder Gurt an einem Felsblock (engl. boulder) hoch. Der Block kann eine künstliche Kletterwand oder eine Felswand in der Natur sein. Bouldern ist Ganzkörpertraining. Finger, Unterarme, Schulter- und Armmuskeln kommen zum Einsatz. Genauso müssen Rücken, Rumpf, Bauch und Beine arbeiten. Bouldern verbessert zudem Koordination und Beweglichkeit. Weiteres Pro: Es verlangt viel Konzentration und unterbricht das übliche Gedankenkarussell.

Welche Risiken bestehen für Schwangere?

„Man klettert zwar nicht so hoch, springt dann aber wieder ab“, so Marion Sulprizio, Diplom-Psychologin und Leiterin des Arbeitskreises „Sport und Schwangerschaft“ der Deutschen Sporthochschule Köln. Und genau darin liegt für sie das Problem. In der Schwangerschaft bildet der Körper das Hormon Relaxin, das Bänder und Gelenke flexibler macht. „Dadurch ist beim Bouldern die Gefahr des Umknickens nach dem Abspringen höher“, erklärt Sulprizio. Zudem wird der Beckenboden belastet. Hinzu kommt, dass man beim Bouldern jederzeit stürzen und sich prellen kann. Ein großer Risikofaktor für Schwangere. Für Weber ist Bouldern daher definitiv keine Sportart, mit der Frauen in der Schwangerschaft neu beginnen sollten. Auch erfahrenen Boulderinnen rät sie: besser eine Auszeit nehmen, um körperliche Schäden zu vermeiden und das ungeborene Kind nicht zu gefährden. Sulprizio empfiehlt schwangeren Sportlerinnen, die es gar nicht ohne ihr Bouldern aushalten, vorübergehend auf gesichertes Klettern umzusteigen. Dabei seilt man sich kontrolliert ab. Es gibt auch Gurte, die für Schwangere geeignet sind. Das schont den Beckenboden und schützt davor, sich den Fuß zu verknacksen. Durch die natürliche Veränderung des Körpers können und sollen Schwangere spätestens im letzten Trimenon aber eher nicht mehr klettern, so die Leiterin des Arbeitskreises „Sport und Schwangerschaft“.

Wann darf man nach der Geburt wieder loslegen?

Voraussetzung für den sportlichen Wiedereinstieg: das Wochenbett abwarten und einen Rückbildungskurs machen. Auch Aufbaukurse können sinnvoll sein. Stabile Bauchmuskeln spielen eine große Rolle. Zudem sind die Bänder nach der Geburt des Kindes noch immer lax. Das Sprunggelenk sollte beim Abspringen nicht umknicken. Nötig ist immer die Rücksprache mit Hebamme und Ärztin oder Arzt.

Mountainbiking

Was zeichnet die Sportart aus?

Mountainbiken ist Radfahren abseits der üblichen Straßen. Ideal sind naturbelassene Wege und Pfade durch Wälder, über Wiesen, Berge – auf und ab. Mountainbiken trainiert Kraft, Ausdauer und Koordination gleichermaßen. Der Kalorienverbrauch ist sehr hoch. Konzentration ist entscheidend, um unweg­sames Gelände und anspruchsvolle Trails sicher zu meistern. Eine Sportart, die Spaß, Action und Fitness verbindet.

Wo müssen Schwangere vorsichtig sein?

Das Auf und Ab üblicher Mountainbike-Touren sind für Sulprizio ein klares Ausschlusskriterium: „Keine Bikerin weiß dabei, wann sie eine Wurzel das nächste Mal über den Lenker jagt!“ Auch wenn die Gebärmutter das ungeborene Kind durch das Fruchtwasser sehr gut schützt, sollte ein Sturz auf den Bauch unbedingt vermieden werden. Genauso jeder Bruch, der operiert werden muss. Röntgen, Narkose oder nötige Medikamente könnten der Schwangerschaft schaden. Gegebenenfalls sind besondere Vorsichtsmaßnahmen nötig. Auch für Gynäkologin Weber ist klar: „Mountainbiken ist viel zu verletzungsanfällig, als dass man das einer Frau in der Schwangerschaft empfiehlt.“ Sie zählt Kaderathletinnen zu ihren Patientinnen, denen sie in individuell abgestimmten Rahmen das Mountainbiken eingesteht, allerdings nicht nahe am Geburtstermin.

Wann kann man nach der Geburt wieder einsteigen?

Den entscheidenden Faktor spielt der Geburtsverlauf. Aber vermutlich wird eine Frau mit Dammriss freiwillig auf den voreiligen Ritt auf dem Fahrradsattel verzichten. „Verläuft die Geburt für die Mutter ohne Komplikationen, die Rückbildung ist ab­geschlossen und die Bauchmuskeln sind wieder fit, dann kann das Rad zum Einsatz kommen“, sagt Weber. „Aber mit angemessenem Trainingsaufbau und ohne Leistungsdruck.“

Reiten

Was zeichnet die Sportart aus?

Auch Reiten ist ein Ganzkörper-Work-out. Besonders beansprucht werden dabei Bauch, Rücken, Po und Oberschenkel. Die Reiterin sitzt nicht passiv auf dem Pferd, sondern lässt sich auf die Bewegungen des Tieres ein und geht entsprechend mit. Dabei werden die Muskeln im Wechsel angespannt und entspannt. Trainiert werden auch Gleichgewicht, Beweglichkeit und Ausdauer. Ein großes Pro: Reiten tut dem Rücken gut. „Abgesehen vom ausgesessenen Trab ist Reiten auch sehr gut für die Beckenbodenmuskulatur“, sagt Sulprizio. Diese wird gekräftigt. Das hilft enorm, um Inkontinenz vorzubeugen.

Wo müssen Schwangere vorsichtig sein?

„Das Problem beim Reiten ist nicht die Bewegung selbst, sondern das Tier: Dessen Reaktionen lassen sich nicht sicher vorhersehen oder beeinflussen“, sagt Gynäkologin Susanne Weber. Das ist in der Schwangerschaft problematischer (siehe Mountainbiken). Die Gynäkologin kennt jedoch viele Reiterinnen, die auf ihr Pferd schwören: „Dann müssen sie selbst das Risiko abwägen!“, so die Expertin. Und gibt zu bedenken: Kommt es durch einen Sturz zu Verletzungen, betrifft das immer auch das Ungeborene mit. Bestimmte Diagnoseverfahren oder Operationen können aus verschiedenen Gründen problematisch sein. „Ich muss mich fragen, wie sehr mein Rücken durch den Bauch ins Hohlkreuz gezogen wird. Sind meine Rückenstrecker dann noch stark genug?“, ergänzt Sulprizio.

Wann darf man wieder in den Sattel steigen?

„Beim Reiten stellt sich ja sehr anschaulich die Frage, wann man mit seinem Damm wieder auf dem Sattel sitzen kann“, sagt Sulprizio. Das hat maßgeblich etwas mit dem Geburtsverlauf zu tun. War es eine natürliche Geburt? Hatte ich einen Dammschnitt, einen Kaiserschnitt? Wurde das Baby mit der Glocke geholt? Entsprechend kann sich die Wartezeit bis zum Wiedereinstieg beim Reitsport schon mal ziehen. Eine allgemeine Regel gibt es nicht. Sulprizio empfiehlt, auf den eigenen Körper zu hören und sich unbedingt mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt abzusprechen.

EMS (Elektromyostimulation)

Was zeichnet das Training aus?

Bei EMS werden die Muskeln durch Stromschläge während des Krafttrainings angeregt. Ziel ist ein ­effektiveres Muskelwachstum, erhöhte Fettverbrennung und Ausdauer. Außerdem sollen Rückenschmerzen mit EMS-Training wirksam bekämpft werden. Eine Sporteinheit dauert 20 bis 30 Minuten. Der Trainer oder die Trainerin kon­trolliert die Intensität der Stromimpulse bei EMS.

Eignet sich EMS-Training in der Schwangerschaft?

NEIN. Gynäkologin Webers Haltung ist klar: „Werdende Mütter sollten die Finger davon lassen, elektrische Impulse zum Muskelaufbau zu nutzen.“ Sobald also eine Frau von ihrer Schwangerschaft weiß, sollte sie kein EMS-Training mehr machen. Aus ethischen Gründen gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur ­Auswirkung von EMS auf den Körper einer Schwangeren und ihres Kindes. Doch auch Sulprizio gibt zu bedenken: „Der Strom läuft ja nicht nur in meinen Bizeps, Po oder Rücken. Strom und Baby im Bauch schließen sich einfach komplett aus.“

Wann darf man nach der Geburt wieder loslegen?

Bevor es mit dem EMS-Training wieder losgeht, sollte die Rückbildung abgeschlossen und nach einem Kaiserschnitt oder Dammschnitt die Wunde gut abgeheilt sein. Unbedingt vorher mit dem Frauenarzt Rücksprache halten. Dann möglichst sanft einsteigen, sprich: mit geringer Intensität und ohne Bauch- und Brustelektroden. „Frauen sollten in dieser Phase nicht so trainieren, dass sie Muskelkater bekommen“, erklärt Sulprizio. Stillende Mamas starten am besten erst nach der Stillzeit wieder mit dem EMS-Training.

Stand-Up-Paddling (SUP)

Was zeichnet die Sportart aus?

Beim SUPen steht man auf einem Surfbrett und bringt sich mit einem Stechpaddel nach vorn. Durch die lange Form des Boards und die komfortable Breite lässt sich gut darauf balancieren. SUPen dient Gleichgewicht, Kraft und Ausdauer. Beim Paddeln werden vor allem Schultern und Arme trainiert, die Haltung fordert die Bauchmuskeln; das Ausbalancieren beansprucht die Beine und Tiefenmuskulatur im Rumpf. Ein sehr gelenkschonender Bewegungsablauf, der auch gut gegen Nacken- und Schulterverspannungen hilft.

Wo müssen Schwangere vorsichtig sein?

Stehen, Balancieren und Schwimmen sind auch in der Schwangerschaft kein Problem. „Mit der Einschränkung, dass ich nicht dumm aufs Board fallen sollte. Der Sturz kann nur schlecht kontrolliert werden“, schränkt Sulprizio ein. „Gegen die eigentliche Erschütterung eines Stoßes oder Falles ist das Baby im Fruchtwasser zwar noch relativ gut geschützt, aber es können Kräfte entstehen, die die Anhaftung des Mutterkuchens an die Gebärmutterinnenwand beschädigen können“, gibt auch Susanne Weber zu bedenken. Ratsamer daher: Paddeln auf Knien oder im Sitzen. Zudem spielen äußere Gegebenheiten eine Rolle: See oder offenes Meer? Strömungen? Kann ich aus der Mitte des Sees zurückschwimmen? Schwangere sollten vorab auch immer prüfen, ob das Board noch passt, wenn sie an Gewicht zugenommen haben. Sicherheitshalber wechseln Frauen in der letzten Schwangerschaftsphase vom SUPen ganz auf Schwimmen in Hallen- oder Freibad. Hier lässt sich der Sport jederzeit abbrechen.

Wann kann ich nach der Geburt wieder einsteigen?

Mindestens das Wochenbett abwarten und die Rückbildung machen. Die Körperstruktur muss für die Belastungen im Zustand wie vor der Schwangerschaft sein.

Fazit

Wer seine Sportart liebt, möchte sie häufig auch schwanger weitermachen. Absolut verständlich. Am Ende ist es auch immer die Entscheidung jeder Schwangeren selbst. Aber klar sollte sein: In der Schwangerschaft müssen keine sportlichen Leistungsrekorde erzielt werden. Moderat siegt klar über extrem. Von EMS-Training komplett die Finger lassen und die übrigen vier Trends nur unter genannten Vorsichtsmaßnahmen fortführen.

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