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Bei wem wirken Antidepressiva überhaupt?

Die Wirkung von Antidepressiva ist bei mittelschweren bis schweren oder chronischen Depressionen nachgewiesen. Zum Vergleich: Bei Patienten, die in Studien nur Placebos einnahmen, gingen bei etwa 20 bis 40 von 100 Menschen die Symptome innerhalb von sechs bis acht Wochen zurück. Unter Einnahme von Antidepressiva dagegen bei etwa 40 bis 60 von 100 Menschen. Das heißt: Bei zusätzlich etwa 20 von 100 Menschen besserten sich die Beschwerden durch die Einnahme der Antidepressiva. Bei leichten Depressionen ist die Studienlage hingegen nicht überzeugend.

Wieviel Nutzen kann man von Antidepressiva erwarten?

"Leider können wir im Einzelfall nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Antidepressivum einem bestimmten Patienten helfen wird", sagt der Psychiater Professor Tom Bschor von der Technischen Universität Dresden. In der Praxis führt das zu einem aufwändigen Ausprobieren. Dabei sieht man erst nach drei bis vier Wochen, ob das Antidepressivum hilft. Denn solange benötigt die Wirkung in der Regel, um einzusetzen. Auch wie stark ein Antidepressivum hilft, unterscheidet sich von Patient zu Patient. "Das Ziel ist immer, dass die Depression vollständig verschwindet", sagt Tom Bschor. Sodass sich der Betroffene also auch wieder über schöne Dinge freuen und seinen Alltagsaufgaben wieder nachkommen kann. Meist erreiche man aber nur eine Teilbesserung, so Bschor.

Was machen Antidepressiva mit einem?

Diese Frage werde oft gestellt, sagt Professorin Susanne Lucae, Oberärztin am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. "Dahinter steht auch die Sorge, dass sich durch die Einnahme dieser Medikamente die Persönlichkeit verändern könnte." Dabei erleben Patienten es eher so: "Durch die Depression kann man zu einem anderen Menschen werden, man denkt anders und fühlt anders", sagt Lucae. Betroffene leiden unter einer gedrückten Stimmung und können keine Freude mehr empfinden. Und das obwohl sie eigentlich Menschen sind, die ansonsten viel Freude erleben und vielfältige Interessen haben. Durch die Antidepressiva und eventuell eine zusätzliche Behandlung in Form einer Psychotherapie kann man im Idealfall wieder zu dem Menschen werden, der man vor der Depression war. Man wird also durch die Tabletten kein anderer Mensch, sondern wieder man selbst.

Wie spürt man, dass die Wirkung von Antidepressiva einsetzt?

"Wenn die Wirkung einsetzt, berichten Patienten oft als erstes, dass sie sich im Brustbereich freier fühlen", sagt Susanne Lucae. "Dass ein Druck, den sie vorher verspürt haben, nachlässt." Die Gedanken der Patienten werden positiver, die Stimmung verbessert sich nach und nach. Sie werden wieder zuversichtlicher.

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Welche Nebenwirkungen haben Antidepressiva?

Während die Wirkung üblicherweise erst nach drei bis vier Wochen einsetzt, können Nebenwirkungen rasch zu spüren sein. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Gewichtszunahme, Verstopfung oder Durchfall, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und ein Verlust der Libido.

Haben Antidepressiva gefährliche Nebenwirkungen?

Eine besonders gefährliche Nebenwirkung ist die Steigerung der Suizidgefahr. Experten erklären sich das so: Die antidepressive Wirkung der Medikamente setzt erst nach einigen Wochen ein, während die aktivierende Wirkung meistens sehr schnell zu spüren ist. So sind die Patienten immer noch depressiv, haben aber plötzlich die Energie, die Pläne umzusetzen, die sie schon lange geschmiedet haben. In diesem Fall, sich das Leben zu nehmen.

Was können Angehörige bei Suizidgedanken durch Antidepressiva tun?

Angehörige haben oft Ängste, das Thema Suizidgedanken gegenüber dem Betroffenen anzusprechen. "Sie glauben, sie könnten den Betreffenden überhaupt erst auf eine dumme Idee bringen", sagt Tom Bschor. In Wirklichkeit sei darüber zu reden entlastend. Man kann beispielsweise fragen: "Denkst du manchmal, tot sein wäre die beste Lösung?" Und dann kann man versuchen, möglichst kurzfristige, möglichst konkrete Vereinbarungen zu treffen, etwa: "Kannst du mir zusichern, dass du dir nichts antust bis ich morgen um 12 Uhr wieder zu dir komme?"

Reichen Antidepressiva als Therapie?

Die Tabletten lösen nicht die Probleme, die möglicherweise hinter einer Depression stecken. Das können Traumata sein oder der Verlust eines geliebten Menschen. "Es ist daher immer empfehlenswert, neben der medikamentösen Therapie eine Psychotherapie zu machen", so Susanne Lucae. "Die Behandlung mit Antidepressiva ermöglicht es aber oft, wieder konstruktiver zu denken und an seinen Problemen zu arbeiten." Die Tabletten machen also eine erfolgreiche Psychotherapie oft erst möglich.

Warum ist das Vertrauensverhältnis zum Arzt bei Antidepressiva-Einnahme so wichtig?

Ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist entscheidend für den Erfolg der Therapie. Der Arzt muss für jeden Patienten den persönlichen Nutzen gegenüber den Nebenwirkungen des Medikaments abwägen. Man kann nicht vorhersagen, welches Medikament ein Patient vertragen und welches ihm helfen wird. Daher ist es wichtig, in Kontakt mit dem Arzt zu bleiben. Wenn man ein Medikament nicht gut verträgt, weil es einen zum Beispiel müde macht, muss man in Absprache mit dem Arzt eine andere Behandlung wählen. Dabei sei viel Empathie und Respekt von Seiten des Psychiaters gefragt, so die Psychologin und Medizinerin Professorin Isabella Heuser-Collier, Direktorin der Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin. "Denn der Psychiater bekommt sehr großen Einblick in das Leben und Erleben des Patienten", sagt Isabella Heuser. "Ansonsten fühlt sich der Patient schnell ausgeliefert."

Können Antidepressiva abhängig machen?

Antidepressiva machen in der Regel nicht abhängig. "Allerdings sollten Antidepressiva langsam und nach Absprache mit dem Psychiater abgesetzt werden, weil es sonst zu unangenehmen Absetzphänomenen kommen kann", sagt Isabella Heuser. Dazu zählen Schwindel, Bauchschmerzen, Müdigkeit oder Angst und Kopfschmerzen.

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