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Lungenkrebs ist häufig und hat bislang besonders schlechte Überlebensaussichten, wenn er denn erstmal entdeckt wurde. Zehn Jahre nach der Diagnose leben nur noch weniger als ein Fünftel der Patientinnen und Patienten. Der Grund: Rund drei Viertel der Lungentumore werden erst erkannt, wenn der Tumor sich bereits ausgebreitet hat, was eine Heilung wesentlich schwieriger und unwahrscheinlicher macht.

Das sind gute Argumente für eine Früherkennung, wie sie bereits in Großbritannien, Kanada und USA existiert und mehrere europäische Länder sie planen. Deutschland hinkt hinterher. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der über die Einführung solcher Leistungen entscheidet, beschäftigt sich seit Ende 2023 mit der Frage, ob die reguläre Einführung eines Screenings zur Lungenkrebsfrüherkennung sinnvoll ist. Vor der Entscheidung muss jedoch eine Rechtsverordnung in Kraft treten, mit der das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz den Einsatz der Computertomografie für die Früherkennung von Lungenkrebs zulässt. Dann hat der G-BA eine Frist von 18 Monaten, um über eine Richtlinie zu entscheiden. Ein langwieriger Prozess.

Schlechter Leumund der Raucherinnen und Raucher

Prof. Dr. Frank Griesinger vom Pius-Hospital in Oldenburg und als Autor an den Lungenkrebsleitlinien beteiligt, erklärt das mit der deutschen Gründlichkeit: „Wir haben sicherlich einen klar strukturierten Prozess, der aber extrem lange braucht.“ Bitter sei, dass man mit jedem Jahr Menschenleben verliere. Prof. Dr. Niels Reinmuth von den Asklepios-Kliniken in München sieht einen weiteren Grund im schlechten Leumund der Hochrisikogruppe für Lungenkrebs. Während Brustkrebs als schicksalhaft wahrgenommen werde, würden Raucherinnen und Raucher gerne als selbst schuld angesehen.

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Früherkennung erhöht Überlebenschancen

Es gibt aber auch technische Hürden. Bei der Methode zur Früherkennung, der Niedrigdosis-Computertomographie (CT), ist die Strahlenbelastung gering – gut für die untersuchten Menschen, schlecht für die Bildqualität. „In früheren Zeiten hat man damit kaum etwas gesehen“, so Reinmuth. Die Technik habe sich mittlerweile aber sehr gut entwickelt. Das Bundesamt für Strahlenschutz[1] und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen[2] bescheinigen ihr jetzt ein positives Risiko-Nutzen-Verhältnis. 15 von 100 Lungenkrebstoten könnte das Niedrigdosis-CT-Screening verhindern. Wie wirksam die Früherkennung ist, hat auch eine internationale Studie[3] gezeigt: 81 Prozent der mittels Niedrigdosis-CT-Screening diagnostizierten Lungenkrebserkrankten waren 20 Jahre später nicht an ihrem Krebs verstorben. „Grandios“ findet Griesinger dieses Ergebnis. Es zeige eindrucksvoll den Früherkennungseffekt, nämlich die Verschiebung der Diagnose hin zu heilbaren Stadien.

Wir haben sicherlich einen klar strukturierten Prozess, der aber extrem lange braucht.

Das Problem: falsch positive Befunde

Die Schattenseite des Verfahrens ist aber eine hohe Rate falsch positiver Befunde. Die Technik erkennt also einen Verdacht auf Krebs, obwohl gar keiner vorhanden ist. Eine Literaturanalyse[4], deren Mit-Autor Reinmuth ist, beziffert die Rate dieser falschen Befunde auf 85 bis 96 Prozent. Es kommt demnach sehr häufig zu Verdachtsbefunden, die sich später als harmlos erweisen – psychisch belastend für die Betroffenen und möglicherweise mit unnötigen chirurgischen Eingriffen verbunden. Griesinger ist aber überzeugt, dass sich dieses Risiko verringern lässt. Die Bildinterpretation könne mithilfe Künstlicher Intelligenz, mit Vier-Augen-Prinzip und guter Qualitätskontrolle innerhalb des Früherkennungsprogramms weiter verbessert werden. Reinmuth wiederum mahnt klare Kriterien an, um jeweils zu entscheiden, wann weitere Maßnahmen erfolgen und wann besser engmaschig kontrolliert werden sollte. Das sei aber alles noch nicht definiert.

Eine Arbeitsgruppe mehrerer Fachgesellschaften[5] hat sich 2023 bereits mit einem Eckpunktepapier zu Wort gemeldet, was noch verbessert werden könnte. Ein wichtiger Punkt darin ist auch das Tabakentwöhnungsprogramm, das allen Screeningteilnehmenden angeboten werden soll. Für Reinmuth könnte das sogar der größte Gewinn sein, sofern die Umsetzung gelingt.

Wer Anrecht auf das Lungenkrebs-Screening hat

Einig ist man sich weitgehend darüber, wer anspruchsberechtigt sein soll: Menschen im Alter von 50 bis 75 Jahren mit mehr als 25 Rauchjahren und über 15 Packungsjahren. Ein Packungsjahr entspricht hierbei einem Jahr Nikotinkonsum mit einer Packung pro Tag. Bei einer halben täglichen Packung wären also 15 Packungsjahre erst nach 30 Jahren erreicht. Und ein Rauch-Stopp darf vor dem Screening nicht länger als zehn Jahre zurückliegen. In Deutschland betrifft das geschätzt 5,5 Millionen Menschen, die dann Anspruch auf ärztliche Beratung und CT-Untersuchung hätten. Eine Menge Arbeit, die da auf das medizinische Personal und CT-Einrichtungen zurollt.

Ob das allerdings zu Engpässen führt, wird auch davon abhängen, ob die Eingeladenen überhaupt zur Früherkennung kommen. In den USA ist nämlich genau das das Problem. Die Teilnahmequote liegt dort im einstelligen Prozentbereich. Daher wird auch ein möglichst unkomplizierter, barrierefreier Zugang zum Programm entscheidend für seinen Erfolg sein. Die HANSE-Studie[6] – ein norddeutsches Pilotprojekt zur Lungenkrebsvorsorge – könnte dafür Vorbild sein. Hier wird über eine Webseite zusammen mit Eckart von Hirschhausen zum „Lungen-Check“ aufgerufen. Interessierte füllen einfach online einen Fragebogen aus, erhalten direkt ihr Risikoprofil und gegebenenfalls eine Einladung zu einem wohnortnahen CT-Termin.


Quellen:

  • [1] Bundesamt für Strahlenschutz: CT-Früherkennung kann Lungenkrebssterblichkeit senken. Online: https://www.bfs.de/... (Abgerufen am 06.02.2024)
  • [2] IQWiG: Lungenkrebsscreening mittels Niedrigdosis-Computertomografie. Online: https://www.iqwig.de/... (Abgerufen am 07.02.2024)
  • [3] Henschke C, Yip R, Shaham D, et al.: A 20-year Follow-up of the International Early Lung Cancer Action Program (I-ELCAP). In: Radiology 07.11.2023, 309: 1-1
  • [4] Reck M, Dettmer S, Kauczor H et al.: Lungenkrebs-Screening mittels Niedrigdosis-Computertomografie, Aktueller Stand in Deutschland. In: Dtsch Arztebl Int 05.04.2023, 120: 387-392
  • [5] Deutsches Ärzteblatt: Fachgesellschaften legen Eckpunkte für Früherkennungs­programm Lungenkrebs vor. Online: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 06.02.2024)
  • [6] Medizinische Hochschule Hannover: HANSE Studie. Online: https://www.hanse-lungencheck.de/... (Abgerufen am 06.02.2024)