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Eltern wollen das Beste für ihr Kind oder ihre Kinder. Wie gut kann das klappen, wenn sie sich trennen?

Ulrike Buchner: Gute Eltern zu sein, wenn man auseinandergeht, ist superschwer! Und: Angst und Wut sind keine guten Verhand­lungspartner. Frauen fürchten, dass das Geld nicht reicht. Männer bangen, dass sie die Kinder zu ­selten sehen.

Katrin Normann: Eine Trennung ist neben dem Tod eines geliebten Menschen die schwerste Krise, die man haben kann. Da kommt vieles hoch, auch aus der Kindheit.

Buchner: Zum Beispiel: „Ich werde nicht genug geliebt.“

Nicole Gebhardt: „Ich werde nicht gesehen. Ich werde nicht geschätzt.“ Das arbeiten wir in der Therapie heraus. Danach tun sich Paare leichter.

Katrin Normann ist Diplom-Sozialpädagogin. Sie arbeitet als Trennungscoach und Mediatorin und leitete lange eine Familienberatungs­stelle. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder und Enkelkinder.

Katrin Normann ist Diplom-Sozialpädagogin. Sie arbeitet als Trennungscoach und Mediatorin und leitete lange eine Familienberatungs­stelle. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder und Enkelkinder.

Wie können Eltern es richtig machen?

Normann: Klingt verrückt, aber hilft: zuerst sich selbst retten. Je besser es ihnen geht, desto entspannter können sie mit Konflikten umgehen und für die Kinder da sein. Eine Trennung kann auch eine Chance sein, neue Seiten an sich kennenzulernen. Wer bin ich ohne die Kinder? Was interessiert mich? Da gehen Türen auf!

Gebhardt: Schon Kleinigkeiten helfen: „Unser Kind“ sagen statt „mein Kind“ – das ist ein guter Anfang. Und keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wenn ein Kind sagt: „Ich will nicht zum Papa“, kann das heißen: „Ich will nicht, weil ich dafür Mama verlassen muss“ oder „weil die Mama ohne mich traurig ist“. Die Wahrheit ist meist komplex.

Bernd Kirchhoff: So einen Fall hatte ich in meiner Praxis: Zwei Jahre nach der Trennung wollte die Tochter plötzlich nicht mehr zum Papa. Mir erzählte sie dann, dass die Eltern bei der Übergabe jedes Mal streiten. Das wollte sie vermeiden – auf ihre Kosten!

Gebhardt: Es hilft, wenn man eine Brücke baut, indem man dem Kind sagt: „Du musst nicht traurig sein, wir sehen uns wieder!“

Wann leiden Kinder noch?

Gebhardt: Wenn die Elternteile auf den Schwächen des anderen herumreiten. Die Kinder stellen sofort Zusammenhänge her: „Ich bin so unzuverlässig wie Papa und so anstrengend wie Mama.“ So kann kein Selbstwert entstehen, denn ein Teil von ihnen scheint falsch zu sein.

Buchner: Andersherum habe ich viele Väter erlebt, die große Versprechungen machen, diese aber nicht umsetzen. Kein Wunder, dass Mütter dann sagen: „Der kriegt nicht mal sein Zeug auf die Reihe, wie will er sich um unser Kind kümmern?“

Normann: Gute Eltern besprechen zusammen, wer was leisten kann, und verurteilen den anderen nicht, wenn er zu spät kommt oder absagt. Bitte erst mal nachfragen und eine Lösung fürs nächste Mal finden, statt die Augen zu verdrehen.

Nicht leicht, ich weiß.

Kirchhoff: Ja, das ist schwer. Aber die zentrale Frage ist und bleibt: Wie bekommen wir das als Eltern möglichst gut hin?

Bernd Kirchoff ist Diplom-Psychologe. Er arbeitet als Familientherapeut und Berater an einer Caritas­ Familien­beratungsstelle. Er ist ledig.

Bernd Kirchoff ist Diplom-Psychologe. Er arbeitet als Familientherapeut und Berater an einer Caritas­ Familien­beratungsstelle. Er ist ledig.

Was wünschen sich Kinder am häufigsten?

Gebhardt: Das scheint seit Jahrzehnten dasselbe zu bleiben, egal wie schlimm das Zusammenleben war: Mama und Papa sollen wieder zusammen sein. Und: Sie sollen sich nicht streiten!

Also doch lieber nicht trennen, den Kindern zuliebe?

Alle: Auf keinen Fall!

Normann: Für Kinder ist es traumatisierend, wenn sie ihre Eltern gleichgültig, respektlos oder im Dauerclinch erleben. Es wirkt sich später auf ihre eigenen Beziehun­gen aus. Eine Trennung ist hart, aber mutig und oft besser für sie.

Und wie sagt man es ihnen, ganz konkret?

Gebhardt: Am besten gemeinsam.

Buchner: Man sollte das machen wie die Stars: eine Art Presseerklärung zusammen rausgeben, in der man erklärt, dass man gemeinsam entschieden hat, sich zu trennen. Mit wenigen Details über das Warum. Und im Idealfall mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten.

Ist eine Trennung heut eleichter für Kinder, weil sie normaler geworden ist?

Gebhardt: Nein! Der Schmerz ist derselbe!

Nicole Gebhardt ist Anwältin und Mediatorin. Sie arbeitet bei Beraterin bei Pro Familia und vertritt Kinder vor Gericht. Sie befindet sich in einer Beziehung und hat zwei Kinder.

Nicole Gebhardt ist Anwältin und Mediatorin. Sie arbeitet bei Beraterin bei Pro Familia und vertritt Kinder vor Gericht. Sie befindet sich in einer Beziehung und hat zwei Kinder.

Wie hält man Schuldgefühle aus?

Gebhardt: Man kann Kinder heilen, indem man sagt: „Hör mal, das mit deiner Mama und mir als Verliebte klappt nicht mehr. Aber als Mama und Papa mögen wir uns immer noch.“ Man darf auch mal heulen, aber zwei Sätze sind ganz wichtig: „Kind, du kannst nichts dafür.“ Zweitens: „Du kannst nichts dagegen machen.“ So nimmt man die Kinder aus der Verantwortung.

Normann: Sie lassen sich sonst einiges einfallen: sind besonders brav, damit Mama und Papa sich wieder vertragen. Werden krank, schlecht in der Schule, bauen Mist, um die Eltern an einen Tisch zu kriegen.

Buchner: Aber nicht alles, was schiefläuft, sollte man auf die Trennung schieben. Auch Kinder von Verheirateten bauen Mist, das sollten getrennte Eltern nicht vergessen.

Was hilft bei komplett verhärteten Fronten?

Buchner: Augen schließen und sich ein Gespräch mit dem eigenen Kind in der Zukunft vorstellen. Von welchem Vater, welcher Mutter soll es später erzählen?

Normann: Oder an die Hochzeit des Kindes später denken. Da will man doch zusammen dabei sein können!

Kirchhoff: Es hilft, wenn man sich klarmacht: Die ersten zwei Trennungsjahre sind die emotionalsten. Bei den meisten wird das Verhältnis mit der Zeit besser. Ich habe Männer, die wechseln noch die Winterreifen der Frauen, obwohl seit Jahren Schluss ist. Das macht Hoffnung.

Ulrike Buchner ist Fachanwältin für Familienrecht. Sie ist Mediatorin, Partnerin in einer Kanzlei, zum dritten Mal verheiratet und hat vier Kinder und fünf Stiefkinder.

Ulrike Buchner ist Fachanwältin für Familienrecht. Sie ist Mediatorin, Partnerin in einer Kanzlei, zum dritten Mal verheiratet und hat vier Kinder und fünf Stiefkinder.

Buchner: Manchmal ist trotzdem nicht reden besser als streiten. In festgefahrenen Situationen raten wir auch zur sogenannten „parallelen Elternschaft“: Jeder macht sein Ding und man sieht sich möglichst nicht.

Gebhardt: Das belastet Kinder weniger als Diskussionen.

Und wie spricht man sich ab?

Gebhardt: Das ist die Krux: Man muss als Getrennte viel mehr besprechen als vorher. Im gemeinsamen Alltag sind nicht so viele Absprachen nötig.

Normann: Wenn Abstand nötig ist, hilft ein Logbuch oder ein digitaler Kalender für alles, was die Kinder betrifft.

Trotzdem landen viele Eltern vor Gericht...

Buchner: … weil sie wegen der Kinder zu lange durchhalten und sich ohne Vermittlung meist nicht einigen können …

Gebhardt: … und dann vergessen sie vor lauter Streiterei, dass sie immer noch Eltern sind.

Buchner: Sie gönnen dem oder der Ex nichts mehr. Schon gar nicht positive Erlebnisse mit den Kindern.

Kirchhoff: Zu mir kommen viele Eltern, die sich friedlich trennen wollen, aber nicht wissen, wie es geht.

Was raten Sie dann?

Kirchhoff: Wenn sie zusammen zur Beratung kommen, machen sie schon mal viel richtig.

Buchner: Es ist immer leichter, wenn man sich Hilfe holt! Selbst wenn nur einer von beiden kommt. Manche halten es zusammen in einem Raum ja kaum aus.

Wird heute mehr gestritten als früher?

Kirchhoff: Anders.

Normann: Die Rollen haben sich verändert. Früher ging es ums Geld. Der Kontakt zum Vater brach ab. Heute hören wir: „Ich gebe dir, was du willst, aber ich will die Kinder genauso oft sehen.“

Buchner: Und die Mütter: „Du warst nie da und jetzt willst du auf einmal Zeit mit den Kindern?“

Kirchhoff: Väter merken eben oft erst, was ihnen fehlt, wenn die Kinder weg sind.

Gebhardt: Und die meisten Kinder wollen beide Elternteile. Sie haben ja die halbe Identität von jedem.

Buchner: Deshalb rate ich Männern zu mehr Engagement, etwa als Klassenelternsprecher. Damit sie den Kontakt nicht verlieren!

Normann: (lacht) Das gießt doch nur Öl ins Feuer, wenn der Ex im Klassenzimmer auftaucht …

Buchner: Auch Väter müssen eine Chance kriegen. So what?

Normann: Viel wichtiger ist doch, dass bisher eher abwesende Väter ihre Beziehung zum Kind stärken: „Wie heißt deine Lehrerin?“, „Wer ist dein bester Freund?“, „Was machen wir gern zusammen?“ Darum geht es, nicht um irgendein Amt.

Wie können Anwälte helfen?

Buchner: Ich kann zumindest steuern, wie der Fall startet: Zeigt sich meine Partei gleich von der schlimmsten Seite oder großzügiger als erwartet? Dadurch öffnet man Türen und spart am Ende Prozesskosten.

„Nicht Papa, Mama!!!“ – Die Fixierung der Kinder auf einen Elternteil ist anstrengend, aber ganz normal.

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Kirchhoff: Anwälte können aber auch viel kaputt machen. Ich hatte schon mehrere Paare in meiner Praxis, die sich dann erst mal für die Schreiben ihrer Anwälte entschuldigt haben.

Buchner: Ich lasse meine Klienten alles vorher lesen. Unsere Aufgabe ist es, zu vermitteln, zumindest am Anfang. Es gibt aber auch Männer und Frauen, die sagen: „Ich möchte meine Ex-Frau/meinen Ex-Mann in die Pfanne hauen.“

Wie reagieren sie auf sowas?

Buchner: Rache-Mandate mache ich nicht mehr.

Gebhardt: Und ich arbeite deswegen nicht mehr als Anwältin, sondern vertrete nur noch die Kinderinteressen.

Was würden Sie gerne am Scheidungsrecht ändern?

Normann: In Kalifornien müssen Eltern während der Trennung eine Schulung machen. Da wird an einem Abend erklärt, welche Möglichkeiten es gibt, wie eine Scheidung abläuft. Das hilft.

Gebhardt: Ich würde sogar weitergehen: Für alles braucht man einen Führerschein, nur fürs Elternsein nicht. Gäbe es ihn, müssten vielleicht viele gar nicht zu uns kommen!

Buchner: Finde ich gut. Aber vor der Ehe. Sie sollten vorher besprechen: Wer bleibt zu Hause? Wer arbeitet wie viel? Wie regeln wir die Finanzen?

Normann: Aber man weiß doch gar nicht, wie es wird mit Kind! Das kann sich niemand vorstellen.

Raten Sie zum Ehevertrag?

Buchner: Vertrag oder nicht: Beide Partner müssen beraten werden, das sollte Pflicht werden vor der Hochzeit. Stattdessen befassen Paare sich lieber mit der Tischdeko für die Party. Ich hatte mal ein verlobtes Paar, das hat dann die Hochzeit abgeblasen. Sie wollte ihren gut bezahlten Job in Frankfurt aufgeben für ein Baby, er wollte sie trotzdem finanziell aus allem raushaben. Sie hat sich später bei mir bedankt.

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Was wünschen Sie sich von Familiengerichten?

Buchner: Die Richter drücken sich oft vor einer Entscheidung und schicken die Eltern zusammen in einen Kurs. Dabei halten die es zusammen in einem Raum kaum aus!

Und auch manchen Anwälten fehlt die psychologische Expertise. Dabei besteht der Job zur Hälfte daraus. Das müsste im Studium berücksichtigt werden.

Und von den Eltern?

Buchner: Besprecht es unter euch und lasst die Großeltern aus dem Spiel. Wenn ich sehe, Großeltern sitzen mit in meiner Praxis, weiß ich schon: Das wird schwierig.

Normann: Und trennt das Wichtige vom Kleinen: Wenn Eltern vor Gericht ziehen, weil sie sich wegen drei Stunden mehr oder weniger nicht einig werden – das macht die Kinder kaputt.

In einem Satz - die typischen Elternfehler

Normann: Geschwister trennen.

Buchner: Kinder als Partnerersatz.

Kirchhoff: Kinder zu Übermittlern von Botschaften machen.

Gebhardt: Den Kindern alles brühwarm erzählen, was gerade verhandelt wird.

Merken Sie, wenn die Kinder von den Eltern beeinflusst werden?

Buchner: Wenn man Glück hat, sagen sie es frei heraus.

Gebhardt: Aber einiges läuft auch zwischen den Zeilen. Wenn Eltern fragen: „Wer hat dir denn diese bescheuerte Frisur erlaubt?“

Glauben Sie noch an die Liebe?

Alle: JA!

Gebhardt: Unser Job macht demütig. Ich komme jeden Abend nach Hause und freue mich, dass wir noch zusammen sind.

Buchner: Die Ehe ist nicht verkehrt. 85 Prozent scheitern, weil sie mindestens vier Bälle in der Luft halten: Job, Familie, Bezie­hung, Ich. Eins davon fällt meistens hinten runter. Bei vielen ist es die Beziehung.

Normann: Ich bin für die 30-Stunden-Woche für beide Elternteile. Viele Beziehungen halten die Überlastung nicht aus.

Buchner: Aber nicht heiraten ist auch keine Lösung. Da ist nichts geregelt und man steht viel schlechter da!

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