Logo der Apotheken Umschau

Es ist (mal wieder) an der Zeit festzustellen: Sigmund Freud hatte unrecht. Der Psychoanalytiker war der Ansicht, Kinder besäßen keinen Humor, sie wären „des Witzes nicht fähig“. Zugegeben: Ein bisschen verstehen kann man ihn schon. Eltern ringt es oft nur ein müdes Lächeln ab, wenn sie zum dritten Mal der Aufforderung ihrer Kinder nachkommen, doch mal „Tomate“ zu sagen, um dann zu hören: „Deine Oma kann Karaaaaate!“

Sozialer Klebstoff: Warum Humor verbindet

Doch auch wenn Kinder- und Erwachsenenhumor sich offensichtlich unterscheiden: Wir Eltern sollten den Kleinen den Spaß gönnen! „Gemeinsam zu lachen ist eine bestärkende emotionale Erfahrung. Es ist wie ein sozialer Klebstoff, wir fühlen uns verbunden und verstanden“, sagt Gina Mireault, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Northern Vermont University in den USA.

Auch Wahrnehmung und Denken trainiert der Humor. Damit ein Kind über die wilde Jagd um den Esstisch lachen kann, muss es erkennen, dass die Situation nicht bedrohlich ist. Und die Unter­hose auf dem Kopf ist deshalb lustig, weil das Kind weiß, dass sie dort ­eigentlich nicht hingehört.

Bis hierhin ist in der Entwicklung des Kindes (und seines Humors) ­allerdings schon einiges passiert. Denn natürlich bedeutet nicht jedes Lächeln oder Lachen, dass Kinder ­etwas witzig finden. Aber von vorne …

Wann beginnen Kinder zu lächeln und zu lachen?

„Der Reflex zu lächeln ist ab der Geburt vorhanden“, so Gina Mireault. „Etwa ab der sechsten Woche lächeln Babys dann als Reaktion auf Gesichter, Stimmen oder Tiere.“

An dieses erste soziale Lächeln ihres Kleinen erinnern sich Eltern meist ganz genau. Mit etwa vier Monaten kommt dann das Lachen dazu – auch das zunächst unkontrolliert und ohne Kontext. „Wir konnten aber zeigen, dass manche Babys schon mit gut fünf Monaten ­eine humorvolle Situation als solche wahrnehmen“, sagt Entwicklungspsychologin Mireault. „Ziemlich früh, wenn man bedenkt, dass sie erst seit etwa einem Monat lachen können.“

Zum Beispiel über das Kuckuck-Spiel der Eltern und anderer Vertrauenspersonen. Auch Grimassen und Kitzeln stehen hoch im Kurs. Babys beginnen bereits zu verstehen, dass das nicht das „normale“ Verhalten ihrer Bezugspersonen ist.

Lustig ist, was nicht zusammenpasst: Worüber Kinder lachen

Während die Kleinen immer mehr Fähigkeiten entwickeln, wächst auch das Repertoire dessen, was sie zum Lachen bringt: Die Unterhose auf dem Kopf und die Banane als Telefon amüsieren sie ungefähr ab einem Alter von ­einem Jahr – und sind erste humorvolle Situationen, die sie später selbst erzeugen können. „Sie beginnen dann auch, ihre Eltern zu necken und sich mit einem frechen Grinsen Anweisungen zu widersetzen“, berichtet Mireault.

Lustig ist, was nicht zusammenpasst – leider auch der Karottenbrei und der Fußboden. Ab ­einem Alter von ungefähr zwei Jahren macht es Kindern dann beson­dere Freude, so zu tun, als wären sie etwas anderes. Gerade an Karneval lässt sich das natürlich super aus­leben: geschminkt und verkleidet als Tiger, Blume oder Vogel.

Sprachwitz und Wortspiele: Wann sprachlicher Humor entsteht

Zusammen mit dem wachsenden Wortschatz entsteht auch bald eine Begeisterung für ersten sprachlichen Humor. Dabei gilt weiter das Prinzip: Widerspruch gleich witzig, zum Beispiel, wenn ein Pferd quakt oder Papa plötzlich Mama genannt wird.

Der Humor hängt also auch mit dem zusammen, was die Kinder gerade lernen – und was sie beschäftigt. Das erklärt unter anderem die Pups-und-Kacka-Witze, mit denen es ungefähr dann losgeht, wenn die Kleinen üben, aufs Töpfchen zu gehen.

„Wenn sich der vierte Geburtstag nähert, finden viele Kinder Gefallen an Wortspielen“, sagt Mireault. Es werden Reime gebildet, Wörter erfunden und erste Witze zum Besten gegeben, die sie in der Kita oder von älteren Geschwistern aufgeschnappt haben – gern immer wieder dieselben und auch mal nicht ganz korrekt nacherzählt.

Will gelernt werden: Humorvoll sein und nicht verletzen

Denn die Witze oder Pointen begreifen die Kleinen oft noch gar nicht. Auch, dass Humor verletzen kann, müssen sie noch lernen. Lachen Kinder andere aus, etwa weil denen ein Missgeschick passiert ist, können die Eltern sie zum Beispiel fragen, wie sie selbst sich dabei fühlen würden. Ironie und Sarkasmus verstehen kleine Kinder in der Regel noch nicht.

Auf jeden Fall macht Humor am meisten Freude, wenn man ihn teilt. Deshalb: Ruhig weiter „Tomate“ sagen, wenn Ihr Kind Sie darum bittet. Denn auch wenn die Kleinen einen anderen Humor haben als wir Großen: Kinderlachen ist einfach das Schönste.


Quellen:

  • Mireault G: The Social, Cognitive, and Affective Power of Humor in Infancy. In: The Oxford Handbook of Emotional Development 01.01.2022, 1: 188-200
  • Hoicka E, Soy Telli B, Prouten E. et al.: The Early Humor Survey (EHS): A reliable parent-report measure of humor development for 1- to 47-month-olds. In: Behavior Research Methods 01.01.2022, 54: 1928-1953
  • Mireault G und Reddy V: The Development of Humor. In: Humor in Infants. Developmental and Psychological Perspectives: 01.01.2016, https://doi.org/...
  • Reddy V und Mireault G: Teasing and clowning in infancy. In: Current Biology: 01.01.2015, https://doi.org/...
  • Fernandes F: Humor in der frühen Kindheit. KiTa Fachtexte (online): https://www.kita-fachtexte.de/... (Abgerufen am 23.12.2022)
  • Drews, J: Kategorien und Funktionen des frühkindlichen Humors, seine Wirkungen und die Möglichkeiten einer bewussten Induzierung in Bildungs- und Erziehungsprozessen von Kindern. Online: https://publikationen.uni-tuebingen.de/... (Abgerufen am 23.12.2022)