Schwangerschaft: Bluttest auf Trisomie 21
Der nichtinvasive Pränataltest kann im Blut der Mutter Chromosomenstörungen des Ungeborenen, etwa das Down-Syndrom, feststellen. Die Krankenkassen bezahlen ihn voraussichtlich ab Ende 2020 in begründeten Einzelfällen
Gerade einmal ein paar Gramm wiegt ein Embryo in der zehnten Woche. Doch schon zu diesem frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft können bestimmte Verfahren Auffälligkeiten beim Ungeborenen erkennen. Dazu gehören die sogenannten nichtinvasiven Pränataltests (NIPT): Hierbei genügt etwas Blut der Mutter, um Chromosomenstörungen beim Kind zu entdecken. Seit mehreren Jahren sind in Deutschland Tests erhältlich, die ab der vollendeten neunten Schwangerschaftswoche erkennen können, ob der Embryo von einer Trisomie 13, 18 oder 21 oder von Abweichungen der Geschlechtschromosomen betroffen ist. Die Tests sind teils von deutschen und teils von US-Anbietern.
Im September 2019 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Krankenkassen, Kliniken und Ärzten beschlossen, NIPTs "in begündeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung" zu bezahlen. "Ein ausschließlich statistisch begründetes Risiko für eine Trisomie – beispielsweise aufgrund des Alters der Schwangeren – sei demnach nicht ausreichend", wie es in einer Pressemitteilung zum Beschlussentwurf heißt. Der Beschluss soll allerdings erst mit dem Vorliegen einer Versicherteninformation in Kraft treten – geplant ist diese für Ende 2020. Andere Schwangere müssen diesen Bluttest selbst bezahlen (etwa 130 bis 300 Euro).

Keine Gefahr für das Ungeborene
Der große Vorteil des Tests: Er gefährdet das Ungeborene nicht. Lange Zeit gab es nur die Fruchtwasseruntersuchung oder Chorionzottenbiopsie, um einen Embryo auf Trisomie 21 zu testen. Beide Eingriffe können eine Fehlgeburt auslösen. "Eine bis zwei von 200 Frauen verlieren dabei ihr Kind," sagt Frauenärztin Angelika Dohr aus Münster, die bei pro familia Paare zur Pränataldiagnostik berät. "Das ist ein Schicksalsschlag für jede Frau, besonders aber für diejenigen, die schon eine Fehlgeburt hatten oder einen langen Kinderwunsch gehegt haben." In spezialisierten Zentren beträgt die Fehlgeburtsrate 1:1000. Ziel der Kostenübernahme des Bluttests durch die Krankenkassen sei es laut G-BA nun, invasive Verfahren wie Amniozentese und Chorionzottenbiopsie in vielen Fällen zu vermeiden. Im Falle eines auffälligen NIPT-Befundes muss dieser aber weiterhin mit einem dieser invasiven Verfahren abgeklärt werden.

20 Milliliter vom Blut der Mutter genügen für den Test auf Down-Syndrom. Der Frauenarzt schickt es zur Untersuchung in das Labor der Firma. "In dem mütterlichen Blut steckt kindliche DNA, die über die Plazenta übergetreten ist", erklärt Frauenarzt Kai-Sven Heling, der in Berlin eine Praxis für Pränataldiagnostik hat. Die DNA-Schnipsel werden vervielfältigt und mithilfe eines Hochleistungsrechners sortiert und einzelnen Chromosomen zugeordnet. "Diese werden mit den jeweiligen Chromosomen der Mutter verglichen. Ist das Verhältnis gestört, deutet das auf eine Trisomie 21 hin", so Heling. Die Aussagen des Tests gelten als sehr sicher: bei der Trisomie 21 zu 99 Prozent.
Invasive Eingriffe können nicht vollständig ersetzt werden
Kann der Bluttest also riskantere Methoden ersetzen, wie es der G-BA vorhat? Eine internationale Untersuchung zeigte, dass der Bluttest die Rate der invasiven Eingriffe um 98 Prozent reduzieren könnte. "Wir führen heutzutage zwar weniger Fruchtwasserpunktionen durch als früher, aber ganz darauf verzichten können wir nicht", sagt Heling.
Fachgesellschaften und Testhersteller raten Frauen nach einem auffälligen Bluttest dazu. Denn in etwa einem von 1000 Fällen liefert der Bluttest ein falsch-positives Ergebnis. "Damit besteht die Gefahr, dass Eltern sich aufgrund eines falschen Testergebnisses für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden", warnt der Mediziner.
Fehlbildungen erkennt man im Ultraschall
Genauso wenig verzichten können Gynäkologen auf den Ultraschall. "Die Schwangere könnte sich durch ein negatives Testergebnis in falscher Sicherheit wähnen", sagt Heling. Denn nur etwa die Hälfte der Chromosomenstörungen gehen auf die Trisomie 21 zurück. "Zudem gibt es viele Fehlbildungen, hinter denen keine Chromosomenstörung steckt, die man aber im Ultraschall gut erkennt", so Heling.
Aus diesen Gründen raten Frauenärzte Risikoschwangeren zunächst zum Ersttrimester-Screening mit zwei Blutuntersuchungen und der Messung der Nackenfalte im Ultraschall. "Bei einem sehr auffälligen Ergebnis empfehle ich einer Patientin gleich eine invasive Methode. So können auch andere Erkrankungen erkannt werden. Ist der Befund hingegen unauffällig, braucht es keinen weiteren Test", sagt der Pränatalmediziner. Nur wenn das Ersttrimester-Screening auf ein Risiko im mittleren Bereich deutet (zwischen 1 zu 100 und 1 zu 1000), sei der Bluttest als weitere Untersuchung sinnvoll.
Was tun bei einem auffälligen Testergebnis?
Obwohl sich der Test bereits ab der vollendeten neunten Woche durchführen lässt, raten Experten, bis zur zwölften Woche zu warten. Dann befindet sich mehr kindliche DNA im Blut der Mutter. Acht bis zehn Tage später, wenn der Arzt das Ergebnis erhält, haben Schwangere dann mehr Informationen und nicht rund um die 18. Woche wie bei einer Fruchtwasseruntersuchung. 98 Prozent der Proben sind unauffällig. "Das frühe Ergebnis bringt insbesondere für Frauen mit erhöhtem Risiko schnelle Entlastung", sagt Dohr. Aber auch eine frühe Diagnose einer Trisomie sei von Vorteil, weil die Eltern mehr Zeit hätten, sich mit der Diagnose auseinanderzusetzen.
In ihren Beratungen erlebt Dohr jedoch auch, wie belastend die Situation für Paare ist, weil sie letztlich über Leben oder Tod entscheiden müssen. Das war ihnen oft nicht bewusst, als sie sich für den Test entschieden. "Viele stecken in einem Dilemma: Sie denken, dass ein Kind mit einer Behinderung nicht erwünscht ist, aber ein Abbruch kommt für sie auch nicht infrage", so die Ärztin.
Auch deshalb schreibt das Gendiagnostikgesetz vor dem Test eine Beratung bei einem speziell geschulten Frauenarzt oder Genetiker vor. Laut Dohr diskutieren Fachleute, ob stattdessen der Gang zu einem Pränataldiagnostiker Vorschrift sein soll, der umfassender beraten kann. Dieser könne dann mit einer psychosozialen Beratungsstelle kooperieren, damit Eltern sich vor dem Test mögliche Folgen bewusst machen können. "Das kann ihnen dazu verhelfen selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie diese Information über ihr ungeborenes Kind überhaupt wissen wollen", sagt Dohr. Momentan kämen nur wenige Schwangere zu einer Beratung vor dem Test. "Sie wollen verständlicherweise erst einmal glücklich schwanger sein und denken oft nicht über die Konsequenzen eines auffälligen Tests nach", sagt Dohr. Doch das sei wichtig. Wie in der Diskussion um den Bluttest oft befürchtet wird, könnten die werdenden Eltern aus der Schocksituation heraus überstürzt einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.
Und: Auf keinen Fall, warnt Experte Heling, sollten Schwangere nur auf den Bluttest vertrauen, wenn sie einen Abbruch erwägen.
Was wollen Eltern alles wissen?
In Zukunft müssen sich werdende Eltern stärker damit auseinandersetzen, wie viel sie über ihr Baby wissen möchten. Der Bluttest ist erst der Anfang. Forscher können schon heute das gesamte Erbgut in der 20. Schwangerschaftswoche entschlüsseln und Krankheiten erkennen, die im späteren Leben ausbrechen könnten – oder nicht. Noch ist das teuer und in Deutschland verboten. Dohr sagt: "Wir können diese Entwicklung nicht aufhalten. Es ist die Frage, wie wir als Gesellschaft damit umgehen."

So läuft der Bluttest auf Chromosomenanomalien ab:


1. Blutabnahme
Nach einem Aufklärungsgespräch nimmt der Arzt der Schwangeren 20 Milliliter Blut ab.

2. Transport zum Labor
Die Blutproben werden ins Zentrallabor geschickt, bei einem US Test also in die USA.

3. Bearbeitung der Proben
Im Labor werden die Blutproben aufbereitet: Die DNA-Schnipsel werden vervielfacht.

4. Auswertung
Ein Hochleistungsrechner ordnet die DNA-Stränge einzelnen Chromosomen zu.

5. Das Ergebnis
Das Resultat des Bluttests erhält nur der Arzt. Er informiert die Schwangere und bespricht das weitere Vorgehen bei einem positiven Befund.