Logo der Apotheken Umschau

Ein Unfall, Koma nach dem Herzstillstand oder Demenz – es kann schnell zu einer Notfallsituation kommen, in der Sie selbst nicht mehr entscheiden können. Nur wenn Ihre Angehörigen über Ihre Vorstellungen Bescheid wissen, können sie auch handeln.

Dokumente wie Vollmachten, Patientenverfügung oder der Organspendeausweis spiegeln Ihren Willen wider, an den sich alle halten müssen. „Deshalb sollte sich jeder Erwachsene ab 18 Jahren darüber Gedanken machen“, so Verena Querling von der Verbraucherzentrale NRW.

Das macht doch meine bessere Hälfte, oder? Zwar greift seit 2023 im Notfall ein gegenseitiges Vertretungsrecht für Ehepaare, doch das ist an enge Voraussetzungen gebunden und gilt maximal sechs Monate. „Durch eine Vorsorgevollmacht kann im Ernstfall die Anordnung einer rechtlichen Betreuung vermieden werden“, sagt Dr. Milan ­Bayram, Referent der Bundesnotar­kammer. „Sie stärkt somit das Recht auf Selbstbestimmung.“

Durch eine Vorsorgevollmacht kann im Ernstfall die Anordnung einer rechtlichen Betreuung vermieden werden.

Welche Fragen sollten frühzeitig geklärt sein?

Wer redet mit dem medizinischen Personal und trifft Entscheidungen? Überlegen Sie, wem Sie das zutrauen. Es ist empfehlenswert, mehrere Ange­hörige oder enge Vertrauenspersonen in die Vollmacht oder Verfügung einzutragen. Denn: Eine Verpflichtung, tätig zu werden, gibt es für einen Bevollmächtigten nicht. Falls jemand überfordert ist, kann so eine andere Person einspringen. „Bei der Patientenverfügung müssen aber alle an einem Strang ziehen“, sagt Sabine Schermele von der Zentralstelle Patientenverfügung. Ein Gespräch im Familienkreis hilft hier weiter.

Werden Sie sich über Ihre Wünsche klar. Dazu gehören auch Fragen, ob Sie künstlich beatmet oder ernährt werden wollen. Welche Behandlungen und Medikamente wünschen Sie sich nicht? Was macht Ihnen Angst? Hausärzte oder die behandelnde Ärztin sind hier erste Ansprechpartner. Auch spezialisierte Beratungsstellen wie die der Zentralstelle Patientenverfügung, Betreuungsvereine, Verbraucherzentralen, die Caritas und andere Sozialverbände unterstützen Sie online, telefonisch oder persönlich.

Welche Dokumente sind wichtig?

  • Patientenverfügung: Sie legt Ihren persönlichen Willen für medizinische Behandlungen im Notfall fest.
  • Vorsorgevollmacht: Diese regelt, wer stellvertretend als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner fungiert und Sie gegenüber medizinischem Personal vertritt.
  • Betreuungsverfügung: Sie ergänzt die Vorsorgevollmacht und legt fest, wer als Betreuerin oder Betreuer eingesetzt werden soll, falls das gerichtlich bestimmt wird.
  • Vollmacht für Finanzen: Ist nichts geregelt, haben Ange­hörige keinen Zugriff auf Konten, um zum Beispiel Rechnungen zu bezahlen. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Bank über die vorgeschriebene Vollmacht. Beide Parteien müssen unterschreiben und sich ausweisen. Muss womöglich eine Immobilie verkauft werden, um die Pflege zu Hause oder in einer Einrichtung zu bezahlen? Hier kann eine Notarin oder ein Notar weiterhelfen.
  • Organspendeausweis: Ihre Entscheidung können Sie auch in der Patientenverfügung dokumentieren. Vorsicht: „Wird eine künstliche Beatmung dort aber ausgeschlossen, entsteht ein Widerspruch“, so Dr. Johannes Nießen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
  • Vordrucke: Kostenlose Formulare können Sie sich aus dem Internet herunterladen. Neben der Verbraucherzentrale gibt es viele Anbieter. „Oft sind die Dokumente sehr allgemein gehalten“, sagt Sabine Schermele. Sie rät von reinen Ankreuzvollmachten ab, besonders wenn man spezielle Wünsche hat. Wichtig: leserlich ausfüllen.
  • Richtig formulieren: Ausdrücke wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ sind oft zu allgemein oder beziehen sich nicht auf konkrete Situationen. Auch hier helfen Beratungsstellen weiter. Auch das Bundesministerium für Justiz stellt Textbausteine für eine Patientenverfügung online bereit, die sich individuellen Vorstellungen anpassen lassen.

Wann und wie sollte man darüber sprechen?

  • Der Zeitpunkt für ein Familientreffen sollte überlegt gewählt sein. Viele lassen sich vor einer anstehenden OP, einem runden Geburtstag oder Weihnachten einen Termin im Notariat oder bei einer Beratungsstelle geben, um danach Angehörige einzuweihen. „Ein Familienfest ist aber kein Rahmen für schwere Gespräche“, sagt Verena Querling. Besser: einen Termin mit ausreichend Vorlauf vereinbaren, solange man gesund ist. So können sich alle untereinander austauschen und vorbereiten. Erklären Sie genau, was Sie besprechen wollen.
  • Ein Restaurant ist ungünstig für ein solches Gespräch, das nicht für fremde Ohren bestimmt ist. Die BZgA rät, ein passendes Klima zu schaffen. Es sollte ruhig sein, alle sollten möglichst an einem Tisch sitzen, damit die nötigen Unterlagen darauf ausgebreitet werden können. Wichtig: Planen Sie Pausen ein, damit alle einmal zwischendurch durchschnaufen können.
  • Planen Sie nicht zu viel auf einmal ein. Allein über die Vorsorge zu sprechen ist belastend. Ob Sie auch das Testament am selben Tag diskutieren wollen, hängt von der Situation und Familienkonstellation ab. Manchmal sind es auch die Kinder, die dann Fragen zum Nachlass haben. Seien Sie darauf vorbereitet.
  • Oft wird es emotional. „Es können auch Tränen fließen, denn die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben wird sehr tabuisiert“, so Sabine Schermele. Erklären Sie in ruhigen Worten, wie Sie zum Sterbeprozess stehen und was Ihnen wichtig ist. Gehen Sie Punkt für Punkt die Dokumente durch, damit Sie davon ausgehen können, dass alle Ihren Standpunkt verstanden haben. „Die meisten möchten keine Schmerzen haben oder am Lebensende von Maschinen und dem Pflegepersonal abhängig sein“, erklärt Schermele. Selbstbestimmung sei vielen sehr wichtig. Wenn alle wild durcheinanderdiskutieren, machen Sie nochmals klar, dass es Ihre Wünsche sind, die respektiert werden sollten.
  • Nehmen Sie Ängste. „Schalten Sie das Beatmungsgerät ab, so steht es in der Patientenverfügung“: Dieser Satz kann Schuldgefühle bei Angehörigen verursachen. Erklären Sie, dass die Dokumente eine Versicherung sind und es Ihr Wille ist, Sie so gehen zu lassen. „Verfügungen und Vollmachten sind einseitige Willensentscheidungen“, sagt Verena Querling. Auch wenn Bevollmächtigte nicht unterschreiben müssen, bitten Sie im Gespräch um eine Einwilligung. Kopien der Papiere können Sie Ihren Angehörigen und auch der Hausärztin oder dem Hausarzt geben.

Wo sollten die Dokumente hinterlegt werden?

  • Notfallordner: Verstauen Sie alle wichtigen Dokumente als Original oder beglaubigte Kopie an einem Ort, etwa in einem Ordner. Dazu gehören: Vollmachten, Verfügungen, Geburts- oder Heiratsurkunde, Bescheide für Rente oder Einkommen, Sparbücher, Konto-, Miet- oder Leasingverträge, Versicherungspolicen. Außerdem Kopien von Pass und Personalausweis, Impfpass und Grundbuchauszüge. Die Familie sollte über den Standort des Ordners Bescheid wissen.
  • Hinweiskarte: Die Information, welche Verfügung oder Vollmacht vorliegt und wo diese zu finden sind, sollten Sie bei sich tragen. „An die Krankenversicherungskarte einfach eine Hinweiskarte dranmachen und im Portemonnaie verstauen“, rät die BZgA. Vordrucke gibt es zu kaufen oder im Internet.
  • Zentrales Vorsorgeregister: Bei der Bundesnotarkammer können die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht kostenpflichtig registriert werden. So haben Betreuungsgerichte darauf Zugriff. Seit 2023 haben auch behandelnde Ärztinnen und Ärzte Einsicht. „Sie können so schnell Kontakt zu Vertrauenspersonen aufnehmen“, so Milan Bayram.
  • Aktualisieren: Verfügungen und Vollmachten können Sie jederzeit ändern. Informieren Sie danach alle wichtigen Ansprechpartner. Haben Sie Originale herausgegeben, fordern Sie diese wieder zurück.

Julia Rotherbl, Chefredakteurin: „So lief es bei uns“

Meine Eltern, meine Schwester, ich. Ein Abend Zeit. Papierkram, Tee, Tränen. Am Ende: Klarheit für alle.

„Wir möchten ein paar Dinge mit euch besprechen.“ Meine Eltern haben die Initiative ergriffen. Sie wollten reden über ihre Wünsche im medizinischen Ernstfall, über Vollmachten, ihr Testament. Wir Kinder hätten das wohl nicht angestoßen. Wer setzt sich schon gern mit der Endlichkeit der eigenen Eltern auseinander?

Meine Eltern waren gut vorbe­reitet, hatten Unterlagen ausgedruckt und ausgefüllt, sich informiert. Ich dagegen war an diesem Abend oft überfordert. Vor allem von meinen Gefühlen. So ist mir klar geworden, wie sehr ich an meinem Elternhaus hänge. Bei der Vorstellung, es zu verkaufen, schossen mir sofort die Tränen in die Augen. Als wir die Patientenverfügung durchgegangen sind, habe ich häufig gedacht: „Hoffentlich kommen wir nicht wirklich in eine solche Situation.“ Es hat mir geholfen, dass meine Eltern sehr klar waren in diesem Gespräch. Es hat mich beruhigt zu wissen: Sie ­haben das alles nach reiflicher Überlegung entschieden.

Meine Schwester und ich hatten eine tolle, unbeschwerte Kindheit. Wünsche wurden gehört, Träume ernst genommen. Jetzt war es an uns, zuzuhören. Wir wissen jetzt, was unsere Eltern wollen. Gut, dass wir geredet haben.

Vertrag

Vorsorgevollmacht: Das müssen Sie wissen

Krankheit, Alter, Unfall: Vieles kann dazu führen, dass Menschen keine eigenen Entscheidungen mehr treffen können. Mit einer Vorsorgevollmacht setzen Sie einen Stellvertreter für sich ein. zum Artikel


Quellen:

  • Verbraucherzentrale: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung, Warum sie so wichtig sind. https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 02.02.2024)
  • Bundesnotarkammer: Notarielle Vorsorgemaßnahmen, Informationen rund um Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung.. https://www.notar.de/... (Abgerufen am 05.02.2024)