Manchmal kommt es in Kindergärten zu Infektionen mit EHEC-Keimen, im Zweifel werden Einrichtungen sogar kurzzeitig geschlossen. Warum ist das nötig? Wie können sich Familien schützen?
von Nadja Katzenberger, 16.01.2019
Juni 2018: In Norddeutschland hat sich ein fünfjähriger Junge mit EHEC infiziert und muss in einer Klinik behandelt werden. Die Behörden meinten, es sei unwahrscheinlich, dass sich der Junge im Kindergarten angesteckt habe. EHEC ist meldepflichtig, immer wieder berichten auch Medien darüber. Viele Eltern horchen dann auf, denn häufig sind jüngere Kinder betroffen, werden Kitas wegen EHEC geschlossen.
EHEC steht für enterohämorrhagische Escherichia coli (E. coli). Herkömmliche E. coli-Bakterien gehören zu unserer Darmflora. Eine Infektion mit EHEC kann unbemerkt bleiben oder sich als Magen-Darm-Infektion mit wässrigem Durchfall äußern. Etwa 10 bis 20 Prozent der Patienten erkranken an der schweren Form mit Bauchkrämpfen, blutigem Stuhl und Fieber. Dies kommt bei Säuglingen und Kleinkindern häufiger vor, daher sollte man hier besonders wachsam sein.
Besten Lebensraum für EHEC-Bakterien bieten Wiederkäuer: Rinder, Schafe und Ziegen. "Sie haben häufig EHEC-Bakterien in ihrem Darm und beherbergen manchmal auch gefährliche Stämme", sagt Dr. Matthias Pulz, Präsident des Landesgesundheitsamtes Niedersachsen in Hannover.
Vor allem durch den Kontakt mit Tieren, zum Beispiel in Streichelzoos und auf Bauernhöfen. "Das ist der klassische Übertragungsweg", sagt Matthias Pulz. Daher sind Kinder unter fünf Jahren am meisten gefährdet, sich zu infizieren. Sie kommen am ehesten mit den Erregern in Berührung, durch den Kot oder das Fell der Tiere.
Und: "EHEC-Erreger sind sehr resistent und können auch auf dem Fell von Ziegen lange überleben", sagt Professor Dr. Dominik Müller, Nephrologe und leitender Oberarzt an der Klinik für Pädiatrie der Charité in Berlin. Das heißt mehrere Tage bis Wochen.
Rohmilchprodukte wie Milch oder Käse oder schlecht gegartes Fleisch können EHEC ebenfalls übertragen. Sehr ungewöhnlich war deshalb der große EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland. Damals hatte sich der Erreger wahrscheinlich über Sprossen aus Bockshornkleesamen verbreitet. Im Gegensatz zur klassischen EHEC-Infektion infizierten sich hauptsächlich Erwachsene, teils mit schweren Folgen. 53 Menschen starben an der Erkrankung.
Im Gegensatz zu normalen E. coli-Bakterien sind EHEC-Erreger in der Lage, Gifte zu bilden. "Wovon es abhängt, ob sie diese Gifte produzieren, ist noch unklar", sagt Dominik Müller. Die Shiga-Toxine (so der Name des Gifts) zerstören die Magen- und Darmschleimhaut, verbreiten sich über das Blut im Körper und greifen die Nieren an. "Dort richten sie den größten Schaden an und können zu akutem Nierenversagen führen", erklärt Müller. Es kommt zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS): Beide Nieren funktionieren nicht mehr, die Urinproduktion fällt aus, und die Kinder sind schwer krank.
Im schlimmsten Fall bekämpfen die Mediziner zwei Erkrankungen: zum einen die schwere Magen-Darm-Erkrankung, zum anderen das von den Shiga-Toxinen verursachte HUS. Weil das Gift die Nieren so stark angreift, müssen die Kinder vorübergehend an die Dialyse und in der Klinik bleiben. Bei der Blutwäsche wird das Blut maschinell von schädlichen Stoffen gereinigt – eine Aufgabe, die sonst die Nieren übernehmen. "Fast alle Kinder kommen nach etwa 14 Tagen wieder von der Dialyse los, da der Körper die Erreger ausscheidet. Mit den EHEC-Bakterien sind auch die Toxine weg, und die Schleimhaut regeneriert sich", sagt Müller.
Im besten Fall verläuft die Infektion harmlos, als Magen-Darm-Grippe. Der Körper scheidet die Erreger danach wieder aus. EHEC-Erreger, die die Shiga-Toxine produzieren, schädigen hingegen die Schleimhaut stark. Sind im Darm die gefährlichen Shiga-Toxine am Werk, erkennt man das an blutigem Stuhl – daher bei diesem Symptom immer zum Kinderarzt! Dieser testet auf E. coli und Shiga-Toxin und meldet die Infektion dann dem Gesundheitsamt. Wegen der schweren Komplikation ist EHEC meldepflichtig. Nur zehn Prozent der Patienten mit nachgewiesener EHEC-Infektion erkranken am HUS.
Durch gute Hygiene: "Händewaschen ist absolut wichtig", betont Matthias Pulz. "Das Problem bei EHEC ist die Schmierinfektion: Kinder geben den Erreger von Hand zu Hand." Deshalb: Kinder immer wieder ans Händewaschen erinnern und mit ihnen ins Badezimmer gehen. Nach einem Besuch im Streichelzoo-Gehege: unbedingt Seife und Waschbecken dort nutzen! Händewaschen gilt auch nach dem Kontakt mit Haustieren, vor allem, wenn man danach Lebensmittel anfasst. Salat und rohes Gemüse immer gut waschen, Fleisch durchbraten, bei Rohmilchprodukten aufpassen (Kinder sollten sie gar nicht bekommen) und auf Frischmilch vom Bauern verzichten.
Das muss bei EHEC nicht zwingend der Fall sein. "Es ist nicht die Regel, sondern eine Einzelfall-Maßnahme des zuständigen Gesundheitsamtes", sagt Pulz. Wichtig zu wissen: Das Gesundheitsamt ordnet diesen Schritt an, nicht der Träger der Kita. Mediziner und Behördenvertreter wissen, dass nicht im Kindergarten die Keimquelle zu finden ist, sondern an anderer Stelle.
Trotzdem prüft das Gesundheitsamt stets, ob die Hygienestandards in der Kita passen und ob sich andere Kinder oder Erzieher angesteckt haben. "Es reicht zunächst, wenn das erkrankte Kind zu Hause bleibt und man beobachtet, ob andere Symptome auftreten", sagt Dominik Müller. Der Junge in Norddeutschland hat sich wieder erholt, in seiner Kita konnte nur bei einem weiteren Kind der EHEC-Erreger nachgewiesen werden. Dessen Infektion blieb ohne Folgen.