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Nicht kleckern – klotzen. Diesen Leitsatz hat Jürgen Dusel der Ampel-Koalition vor einigen Monaten auf die Agenda gesetzt. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit
Behinderung sieht Deutschland beim Thema Inklusion noch lange nicht am Ziel. Das gilt auch und ganz besonders für das Gesundheitswesen. Denn auch hier stoßen Betroffene auf scheinbar unüberwindbare Hürden.

Kaum barrierefreie Gesundheitseinrichtungen

Das belegen aktuelle Zahlen aus einer Umfrage der Stiftung Gesundheit. Lediglich 45 Prozent der befragten Praxen in Deutschland sind demnach auch nur ansatzweise barrierefrei. Probleme gibt es natürlich ebenso in Krankenhäusern, Apotheken oder Pflegeheimen.

Dabei geht es nicht nur um bauliche Vorkehrungen wie eine Rollstuhlrampe vor der Tür. Es fehlen Orientierungshilfen für Sehbehinderte, Gebärdendolmetscher für gehörlose Menschen und Informationen in Einfacher Sprache. Nicht selten ist der Weg zur nächsten geeigneten Praxis weit. So wird die freie Arztwahl massiv eingeschränkt – ein Grundrecht, das in Deutschland eigentlich jeder und jedem zustehen soll.

Problemfaktor Finanzierung

Auch Präventionsangebote sind oft nicht auf Menschen mit Einschränkungen zugeschnitten. Die Bundesregierung verstößt damit gegen Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention. Der regelt einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdiensten, ohne Diskriminierung. Vor mehr als 14 Jahren hat Deutschland das Abkommen unterschrieben. Doch bis heute hapert es an der Umsetzung.

Genau deshalb brauchen wir nun Tempo auf dem Weg zu mehr Inklusion. Die allerdings kostet Geld und genau das ist Teil des Problems. Der Staat muss in Zukunft mehr in ein barrierefreies Gesundheitswesen investieren. Denn: Teilhabe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zuschüsse und spezielle Kredite würden Umbauten in Praxen entscheidend voranbringen. Investitionsprogramme gibt es bereits in einigen Bundesländern wie Sachsen. Doch wir brauchen flächendeckend Unterstützung.

Mehr Sensibilisierung im Umgang mit Behinderung

Hinzu kommt: Auch in den Köpfen müssen wir Barrieren abbauen. Denn für die Belange von Menschen mit Behinderung sind viele Fachkräfte im Gesundheitswesen nur unzureichend sensibilisiert. Das Thema muss ganz selbstverständlich Teil der Aus- und Weiterbildung sein – in Pflege- und Therapeutenberufen, aber auch im Studium der Medizin und Pharmazie. Nur so wird Inklusion in Zukunft direkt von Anfang an mitgedacht.

Hoffnung hatte ursprünglich der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien geweckt. Darin versprechen SPD, Grüne und FDP einen Aktionsplan für ein inklusives Gesundheitswesen. Doch der war bereits für Ende 2022 vorgesehen. Bis heute hat die Regierung aber noch nicht einmal Eckpunkte präsentiert. Will die Ampel noch in dieser Legislaturperiode vorankommen, muss sie nun zügig und engagiert an die Arbeit gehen. Klotzen eben – und nicht kleckern.

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Quellen:

  • Bartig S, Kalkum D, Le H, Lewicki A: Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/... (Abgerufen am 17.05.2023)
  • : Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. https://www.bmas.de/... (Abgerufen am 17.05.2023)
  • : Dusel: Bei Umsetzung der Inklusion „Nicht kleckern, sondern klotzen.“ , Behindertenbeauftragter stellt Arbeitsschwerpunkte für kommende Legislaturperiode vor. https://www.behindertenbeauftragter.de/... (Abgerufen am 17.05.2023)
  • Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Bündnis 90/ Die Grünen und Freie Demokraten: Mehr Fortschritt wagen, Bündnis für Freiheit, Gerechrtigkeit und Nachhaltigkeit. https://www.spd.de/... (Abgerufen am 17.05.2023)
  • Stiftung Gesundheit: Barrierefreiheit in den Arztpraxen, Differenzierte Angaben in der Arzt-Auskunft. https://www.stiftung-gesundheit.de/... (Abgerufen am 17.05.2023)
  • Presseanfrage bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 03.04.2023.

  • Presseanfrage im Bundesministerium für Gesundheit am 03.04.2023.