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Was ist ein Arzt ohne sein Stethoskop? Eine Chirurgin ohne ihr Skalpell? Oder gar eine Apothekerin ohne Medikamente? Sie können nicht ohne einander. In der Gesundheitsberichterstattung werden die einzelnen Instrumente, Geräte und Arzneimittel dennoch oft zu wenig berücksichtigt. Anders in der Kolumne von Sonja Gibis. Hier kommen die Gegenstände selbst zu Wort und berichten humorvoll aus ihrer Geschichte und ihrem Alltag. In dieser Folge: die Antibabypille.

Ich freue mich heute auf einen Gast, dem ich selbst unbeschwerte Freuden verdanke: Herzlich ­will­kom­men, Antibabypille!

Ja, danke. Aber bitte nicht diesen ­Namen! Jeder wird doch heute gefragt, wie er genannt werden möchte. Nur bei mir, da hält das natürlich mal ­wieder niemand für nötig.

Entschuldigen Sie: Wie möchten Sie denn, dass ich Sie nenne?

Also die Bezeichnung „Kinderwunschpille“ gefiel mir recht gut. So nannte man mich in der DDR. Denn ich habe ja nichts gegen Kinder. Ich möchte nur, dass eine Frau entscheiden kann, wann sie ein Kind bekommt. Einst wurde ich von Feministinnen dafür als Befreierin gefeiert. Heute möchten mich manche am liebsten abschaffen. Das nenne ich mal Undankbarkeit!

Na ja, ich verstehe die Skepsis schon. Die Pille hat ja auch Nebenwirkungen. Wie ich gelesen habe, hat das Kondom Sie als beliebtestes Ver­hütungsmittel abgelöst.

Glückwunsch, sag ich da! Die Geburtenraten sind ja ohnehin niedrig. Was klar sein muss: Mit Kondomen passieren viel öfter Pannen als mit mir. Und frau hat das nicht immer in der Hand.

Finden Sie nicht, dass Männer ­ihren Anteil an der Verhütung übernehmen sollten?

Natürlich! Und bei vielen Paaren klappt das ja gut. Aber wenn sich nach einer wilden Nacht Folgen einstellen, die von der Natur durchaus beabsichtigt sind, heißt es eher nicht: „Wir sind schwanger!“ Dann steht die Frau mit dem Ergebnis oft allein da. Klar, dass sie an sicherer Verhütung ein größeres Interesse hat.

Aber jahrzehntelang täglich ­Hor­mone schlucken …

Kann eine sehr gute Sache sein. Ein Dutzend Kinder und mehr: Das war für viele Frauen einst ein unentrinnbares Schicksal. Erst die Wechsel­jahre befreiten sie von dem Leben als Gebärmaschine. Doch viele erlebten das nicht. Sie waren schon davor im Kindbett gestorben. Oder noch schlimmer: bei dem Versuch, sich von einer ungewollten Schwangerschaft zu befreien. So wie auch die junge Frau, die damals für die Krankenschwester Margaret Sanger den Anlass gab, für Geburtenkon­trolle zu kämpfen – und mich zu entwickeln.

Hinter der Pille stand eine Krankenschwester?

Sagen wir, ich war eine Art Gemeinschaftsprojekt, an dem viele Anteil hatten. Entwickelt hat mich der Biologe Gregory Pincus. 1961 kamen dann die ersten meiner Art auf den Markt. Sie waren allerdings noch echte Hormonbomben. Doch vielen Frauen war das lieber, als ständig in Angst vor ­einer ungewollten Schwangerschaft zu leben. Und davon habe ich sie befreit, erstmals in der Geschichte. Was manchen überhaupt nicht gefiel.

Aber den Kinderwunsch zu planen, das ist doch eine prima Sache.

Das sah die katholische Kirche anders. Aber auch viele Politiker, selbst Ärzte warnten. Sie fürchteten, Frauen könnten sich in hemmungslose Vamps verwandeln. Wir fühlten uns damals als echte Revoluzzerinnen – und haben die Welt verändert.

Und dafür bin ich Ihnen dankbar.

Zu viele haben das leider vergessen. Obwohl ich mich natürlich darüber freue, dass Frauen heute mehr Auswahl haben. Auch meine Kolleginnen und Kollegen aus Latex, Kupfer oder Silikon haben große Verdienste. Und wenn wirklich mal die Pille für den Mann kommt, hoffe ich, sie macht ­ihren Job so gut wie ich. Und auch die Männer, die sie zuverlässig nehmen müssen.


Quellen:

  • Wallstein Verlag