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Sie leiten das Netzwerk Gesund ins Leben, das in Zusammenarbeit mit relevanten Fachorganisationen wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Ernährung von Kindern herausgibt. Gerade wurden die Empfehlungen für die „Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter“ aktualisiert. Es geht nun auch um eine Essweise, „die gleichermaßen gesund für Mensch und Erde ist“. Was heißt das genau?

Maria Flothkötter: Kleinkinder entwickeln sich unglaublich schnell. Dafür brauchen sie die richtigen Nährstoffe in ausreichender Menge. Gleichzeitig wollen wir eine Ernährung empfehlen, die die Lebensgrundlagen des Menschen nicht noch mehr gefährdet. Für Kleinkinder heißt das: Die Basis der Ernährung bilden pflanzliche Lebensmittel, dann kommen Milchprodukte und gelegentlich Fleisch, Fisch und Eier.

Ernährungsexpertin Maria Flothkötter leitet das Netzwerk Gesund ins Leben.

Ernährungsexpertin Maria Flothkötter leitet das Netzwerk Gesund ins Leben.

Überfischte Meere, Antibiotika in Aquakulturen – Fisch zu essen scheint kaum noch vertretbar. Und doch empfehlen Sie den Verzehr vor allem fettreicher Meeresfische wie Lachs oder Hering. Warum?

Fettreicher Meeresfisch enthält die für Kleinkinder wichtigen tierischen Omega-3-Fettsäuren. Es gibt zwar pflanzliche Omega-3-Fettsäuren, die sehen aber etwas anders aus und reichen dem Körper nicht aus. Daher gehört Fisch in kleinen Mengen zu einer ausgewogenen Kleinkind-Ernährung dazu.

Kleine Mengen, was heißt das?

Das sind etwa 60 Gramm pro Woche. Wir wissen, dass der Fischverzehr, ohne dessen Bestände zu gefährden, nur noch begrenzt möglich ist. Die Empfehlungen zum Fischverzehr werden aktuell im Durchschnitt gar nicht erreicht. Trotzdem kommen wir schon an die Grenzen. Daher werden wir in Zukunft andere Empfehlungen brauchen. Ob wir dann wirklich bei den Kleinkindern Fisch einsparen und nicht besser bei den Erwachsenen, wird sich zeigen.

Haben wir denn momentan schon Alternativen zum Fisch?

Leider nicht ganz. Pflanzliche Öle aus Raps, Walnüssen oder Leinsamen werden zwar oft als Alternativen angepriesen, enthalten aber nur pflanzliche Omega-3-Fettsäuren. Eine mögliche Alternative wären mit Mikroalgen angereicherte Öle. Sie enthalten die richtigen Fettsäuren, aber man sollte sie nur in sehr kleinen Mengen verwenden. Auch sind die Öle so unterschiedlich konzentriert, dass es eine individuelle Kaufberatung verlangt.

Und wie sieht es beim Fleisch aus?

Kinder brauchen nicht zwingend Fleisch. Ihr Nährstoffbedarf lässt sich gut durch andere hochwertige Lebensmittel decken. Etwa durch Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte. Fleisch sollte grundsätzlich nur in Maßen verzehrt werden. Was Umwelt und Tierwohl angeht, ist Biofleisch die erste Wahl. Es ist zwar meist teurer, aber ­Eltern können an der Menge sparen und dafür in die Qualität investieren.

Also können Eltern ihre Kinder auch vegetarisch ernähren?

Eine ausgewogene vegetarische Er­näh­rung, die also Milchprodukte und Eier zulässt, kann den Nährstoffbedarf von Kleinkindern decken. Eltern sollten besonders auf die Eisen- und Zinkzufuhr achten. Das sind Nährstoffe, die wir normalerweise eher über Fleisch aufnehmen. Eisen kommt aber auch in Vollkorngetreide, Linsen, Bohnen, Hülsenfrüchten und Nüssen vor.

Sind pflanzliches und tierisches Eisen denn gleichwertig?

Nicht ganz. Unser Körper kann pflanz­liches Eisen nicht so gut aufnehmen wie tierisches. Hier hilft ein Trick: Kombinieren Sie die Lebensmittel mit Vitamin-C-reichem Obst und Gemüse, dann kann der Körper Eisen besser verwerten. Zink ist übrigens in den gleichen Lebensmitteln enthalten wie Eisen. Zusätzlich sind hierfür noch Käse, Milch und Eier wichtig. Mit einer ausgewogenen vegetarischen Kost können Kinder also, ganz ohne Nahrungsergänzungsmittel, groß und stark werden.

Und wenn die Familie sich sogar vegan ernähren möchte?

Für Kleinkinder können wir die vegane Ernährung derzeit nicht empfehlen. Es passiert einfach zu leicht, dass Kinder dabei nicht alle benötigten Nährstoffe bekommen. Das fängt schon beim Eiweiß an, und das ist normalerweise kein Mangelnährstoff. Problematisch sind zudem Eisen, Zink, Kalzium, Jod, Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren.

Können Eltern einen Mangel denn irgendwie vermeiden?

Eine vegane Ernährung verlangt eine enge ärztliche Begleitung und eine gute Ernährungsberatung. Etwa 1,5 Prozent der Erwachsenen ernähren sich vegan. Unter den Kindern sind es sicher noch weniger. Mit diesem kleinen Prozentsatz ist es auch schwer, in Studien etwas über die Nährstoffversorgung herauszufinden.

Ist vegane Ernährung überhaupt so viel besser für die Umwelt?

Viele Familien denken, dass sie durch eine komplett vegane Ernährung den Planeten retten können. Aber das stimmt so nicht. Wir brauchen Tiere, um zum Beispiel die Weiden abzugrasen und zu düngen. Unsere Erde lebt von komplexen Naturkreisläufen. Und wir können Tiere nicht komplett daraus verbannen. Es wäre schon ein Erfolg, wenn Kleinkinder nur so viel Fleisch essen, wie für eine ausgewogene Ernährung nötig ist. Laut Studien essen Kleinkinder im Durchschnitt ungefähr 50 Gramm Fleisch pro Tag. Um die 30 Gramm würden aber völlig ausreichen.

Wird sich an Ihren Empfehlungen denn in Zukunft noch etwas ändern?

Wir hoffen, dass wir in Zukunft Ernährungsempfehlungen aussprechen können, die auf viele verschiedene Ernährungskonzepte anwendbar sind. Hier brauchen wir weitere Forschungsarbeit, um zu klären, welche Lebensmittel man bei Kleinkindern gegenei­nander austauschen kann, um auch mit weniger Fisch und Fleisch eine bedarfsgerechte Ernährung sicherzustellen.

Die nachhaltige Ernährung setzt auf Bioprodukte, das kann teuer werden. Wie können Eltern mit weniger Geld sich das leisten?

Mittlerweile gibt es viele Bioprodukte im Discounter mit nur geringen Aufschlägen. Zusätzlich können Eltern auf die Preisunterschiede innerhalb einer Produktkategorie achten. Schaut man sich zum Beispiel Gemüse an, sind Möhren und Kohl billiger als Paprikaschoten. Lebensmittel der Saison und aus der Region sind nicht nur günstiger, sondern meist auch frischer und qualitativ besser. Durch eine geschickte Auswahl lässt sich also viel sparen. Was man zusätzlich machen kann: etwas Gemüse selbst anbauen.

Das wäre schön, aber nicht jeder hat einen Garten …

Es reicht auch die Terrasse, der Balkon oder vielleicht nur das Fensterbrett. Das fördert schon früh die Wertschätzung für Obst und Gemüse.

Können Kleinkinder denn schon verstehen, was mit nachhaltiger Ernährung gemeint ist?

In dem Alter noch nicht. Hier ist es vor allem wichtig, die Kinder mitzunehmen und ihnen bestimmte Verhaltens­weisen vorzuleben. Und wenn sie dann jeden Abend mit ihrem kleinen Gießkännchen den Salat gießen können, dann ist das total super. Damit bilden sich Gewohnheiten und viele positive Erinnerungen. Das ist viel besser, als ihnen etwas mit Worten zu erklären.

Kleinkinder können sehr heikle Esser sein. Was machen Eltern, deren Kinder beispielsweise nur Erdbeeren als Obst essen?

Möglichst wenig Extralösungen prä­sentieren. Dann gibt es eben für den Zweijährigen keine Erdbeeren im Winter. Was nicht da ist, wird übrigens auch nicht vermisst. Kinder brauchen manchmal nur mehr Zeit, um neue Geschmacksrichtungen zu akzeptieren. Binden Sie die Kleinen am besten schon in die Zubereitung mit ein.

Was ist mit der Verpackung? Kindernahrung steckt oft in Plastik, Quetschies etwa. Haben Sie Tipps?

Quetschies produzieren nicht nur Müll, sondern das ständige Nuckeln schadet auch den Zähnen. Für das Klima sollten Lebensmittel so sparsam und rückstandsfrei wie möglich verpackt sein. Die Lebensmittelindustrie hat hier wirklich Nachholbedarf. Was Verbraucherinnen und Verbraucher tun können: lieber Papier als Plastik als Verpackung wählen, noch besser lose Waren kaufen und die ­eigene Tragetasche mitnehmen.

Wer alles richtig machen will, hat ganz schön viel zu beachten …

Nachhaltigkeit in der Ernährung ist ein wirklich wichtiges Thema. Aber es ist genauso wichtig, dass man da mit Gelassenheit rangeht und mit nicht so viel Strenge sich selbst und seiner Umwelt gegenüber. Behalten Sie bitte im Hinterkopf: Wir tun unser Bestes, aber wir müssen nicht perfekt sein.