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Ein gigantischer Hund mit drei Köpfen, aus seiner Schnauze trieft der Speichel, seine Augen funkeln vor Zorn. Die Rede ist von Fluffy, einer Fantasiefigur im ersten „Harry Potter“-Film. Freigegeben ist der Film ab sechs Jahren. Doch so manchem Kind im eigentlich passenden Alter hat Fluffys Anblick erheblich zugesetzt. „Ich hatte Kinder in der Praxis, die nicht mehr schlafen konnten, Zeichen von Belastungen zeigten. So etwas muss nicht zum Trauma werden – aber es kann“, erklärt Monika Dreiner, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Hürth. Können Trigger- oder Inhaltswarnungen davor schützen?

Was dahintersteckt

Warnungen sollen Eltern darauf vorbereiten, dass gewisse Inhalte oder Szenen schwierig für ihr Kind sein könnten. Immer mehr Streamingdienste blenden Hinweise auf möglicherweise Verstörendes am Anfang eines Videos ein. Es gibt auch Internetportale wie Flimmo.de, auf denen Eltern sich gezielt über Serien und Filme informieren können.

„Ob freizügige Posen, fragwürdige Flirt-Tipps oder sexuelle Anspielungen: Die gezeigten Inhalte können Kinder verunsichern und problematische Vorstellungen von Sexualität vermitteln“, heißt es dort etwa über einen Youtube-Kanal. „Die Helfer auf vier Pfoten sind Vorbilder in Sachen Rücksicht, Hilfsbereitschaft und Teamwork. Die tierischen Abenteuer sind spannend, ohne zu überfordern“, lautet wiederum die Einschätzung zur Kindersendung „Paw Patrol“. Klingt erst mal hilfreich. Doch ist das nun eine „Inhalts-“ oder eine „Triggerwarnung“?

Retraumatisierung vermeiden

Von einem Trigger sprechen Expertinnen und Experten dann, wenn ein Kind im Vorfeld bereits traumatisiert wurde. Es hat also eine sehr verstörende Erfahrung gemacht. Ein Trigger ist etwas, das diese Erfahrung oder dieses Trauma wieder auf schmerzhafte Weise hervorrufen kann. „Solche Trigger sind hochindividuell. Es gibt hier nichts, was aus sich heraus ein Trigger ist“, erklärt Psychotherapeutin Monika Dreiner. Was das eine Kind triggere, berühre das andere vielleicht gar nicht. Mit Therapie kann die stressige Wirkung des Auslösers überwunden werden. „Man versucht, den Trigger herauszufinden und vorübergehend zu verringern“, so Dreiner.

In solchen Fällen können Triggerwarnungen also sinnvoll sein, um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Das Dilemma laut der Psychotherapeutin ist: Was ein traumatisiertes Kind triggert, erfährt man erst, wenn es wirklich damit konfrontiert ist. Hinzu kommt: Für ein Kind, das zum Beispiel gewaltsam festgehalten wurde, kann schon eine Umarmung im Film ein Trigger sein. Die ist aber eine allgegenwärtige, eigentlich positive und damit für die meisten Kinder nicht verstörende Handlung.

Inhaltswarnungen weisen auf potentielle Gefahr hin

Man kann also nur schlecht vor Triggern warnen. Bei Kindern, die nicht traumatisiert wurden, spricht man deshalb lieber von Inhaltswarnungen. Sie sollen allgemein auf stressende, also zum Beispiel faktisch gruselige oder gewalttätige Inhalte hinweisen. Auch die können von Kindern unterschiedlich aufgenommen werden: Manche reagieren sensibel auf Szenen, in denen Tiere schlecht behandelt werden. Andere fürchten sich wegen der Darstellungen von Monstern oder beim Thema Tod.

In Märchenverfilmungen ist so etwas durchaus an der Tagesordnung. „Bei Kindern entwickelt sich die Persönlichkeit noch“, gibt Prof. Dr. Martin Teufel, Direktor der LVR-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Essen, zu bedenken. „Da sollten verstörende Inhalte vermieden und nicht als normal erlebt werden, sonst findet ein Abstumpfen statt.“ Warnhinweise sind deshalb sinnvoll. Doch auch bei nicht traumatisierten Kindern lässt sich kaum vorhersagen, was genau sie erschrecken wird.

Mit dem Kind zusammen schauen

Was also tun, wenn weder Altersfreigaben noch Warnungen eine Garantie dafür sind, das eigene Kind zu schützen? Monika Dreiner empfiehlt Eltern, ihre Kinder zu begleiten, also dabei zu sein, wenn sie etwas ansehen. Denn kleine Kinder hätten ein gutes Gespür dafür, wann etwas für sie zu gruselig wird. „Zugleich reizt es sie aber, etwas Neues, Unbekanntes zu sehen“, sagt Dreiner. Wer „live dabei“ sei, könne auf Signale achten: Will das Kind plötzlich aufs Klo, obwohl es nicht wirklich muss, könne das der Versuch sein, sich zu entziehen. Dann können Eltern den Film oder die Serie abbrechen.

Wichtig ist, im Anschluss mit den Kindern über den Grund zu reden und Verständnis zu zeigen. „Man kann sagen: ‚Ich sehe, dass du Angst hast. Wir hören also auf – ich verbiete es dir nicht, vielleicht willst du es mal angucken, wenn du größer bist‘“, empfiehlt Dreiner. In Zweifelsfällen können Eltern eine Sendung erst mal alleine im Vorfeld ansehen, um einen Eindruck zu bekommen.

Fazit: Vor allem Inhaltswarnungen können also hilfreich sein. Aber es reicht nicht aus, sich auf sie zu verlassen. Am besten ist es als Eltern, zu begleiten, nicht allein zu lassen beim Medienkonsum. Auch wenn die Teletubbies Mama und Papa schon nach drei Minuten zur Weißglut zu treiben vermögen.

Triggerwarnungen sind Schutzhinweise in Medien

Achtung! Hier kommt ein Trigger

Warnhinweise in Serien, Filmen oder Podcasts sollen vor verstörenden Inhalten schützen. Inwieweit Triggerwarnungen ihrer Aufgabe gerecht werden. zum Artikel


Quellen:

  • Benjamin W. Bellet, Payton J. Jones, Cynthia A. Meyersburg et al.: Trigger Warnings and Resilience in College Students, A Preregistered Replication and Extension. PDF Online: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 01.09.2023)
  • Victoria M E Bridgland , Melanie K T Takarangi: Danger! Negative memories ahead: the effect of warnings on reactions to and recall of negative memories. Online: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 01.09.2023)