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Vor allem zu Still-Start und Abstillen haben Mütter in der Regel einen riesigen Berg an Fragen. Doch was ist mit der Zeit dazwischen? Solange es keine Probleme gibt, ist alles klar? Nicht immer. Denn der Appetit von Babys verändert sich. Wie lange und wie oft ein Kind normalerweise an die Brust sollte, beantwortet die Autorin, Hebamme, Still- und Laktationsberaterin (IBCLC) Regine Gresens aus Hamburg.

Wie wichtig ist das sogenannte Kolostrum?

Am besten gelingt der Still-Start, wenn das Baby direkt nach der Geburt Gelegenheit bekommt, zu trinken. Die Vormilch, das sogenannte Kolostrum, ist reich an Eiweiß, Antikörpern und weißen Blutkörperchen. "Es wirkt ähnlich wie eine erste Schutzimpfung: Es hilft, das Kind vor Infektionen zu schützen", sagt Gresens. Das Kolostrum wird bereits während der Schwangerschaft gebildet und ist etwa bis zum dritten, vierten Tag nach der Geburt vorhanden.

"Es ist leicht verdaulich und ideal an den Magen des Kindes angepasst", sagt Gresens. Es hat eine abführende Wirkung, dadurch wird das Kindspech schneller ausgeschieden. Das trägt dazu bei, das Risiko einer Neugeborenengelbsucht zu verringern. Die Hebamme rät deshalb sogar Frauen, die nicht stillen möchten, das Kolostrum auszustreichen und dem Baby mit einem Löffel oder einer Pipette zu geben.

Wann schießt die Milch ein?

Der sogenannte Milcheinschuss findet in der Regel zwei bis fünf Tage nach der Geburt statt, die Durchblutung der Brüste nimmt dann stark zu. "Die Brüste fühlen sich wärmer und voller an", sagt Gresens. Für Neugeborene ist es schwieriger, an einer prallen Brust zu trinken – sie können die Brustwarze nicht so gut fassen. Deshalb rät die Stillberaterin, das Baby von Geburt an möglichst häufig anzulegen. Das stabilisiert auch seine Blutzuckerwerte und hilft, die Gewichtsabnahme nach der Geburt zu verringern. Außerdem hat es Vorteile für die Mutter: "Die Milchproduktion wird angeregt und die Beschwerden beim Milcheinschuss sind weniger ausgeprägt."

Wie oft soll man anfangs stillen?

Ideal ist, wenn das Baby am Anfang mindestens acht bis zwölf Mal in 24 Stunden an der Brust trinkt. "Der Magen eines Neugeborenen ist sehr klein", sagt Gresens. Am ersten Lebenstag passe gerade einmal eine kirschgroße Menge hinein. Nach einem Monat hat der Magen ein Fassungsvermögen von etwa 80 bis 150 ml. "Deshalb wollen Säuglinge sehr oft trinken." Hinzu komme, dass jede Frau unterschiedlich viel Milch in ihren Brüsten speichern kann. Ist für das Kind pro Stilleinheit weniger Milch vorhanden, muss es auch öfter trinken.

Außerdem verändert sich die Milchmenge im Laufe des Tages. "Oft kann sich das Baby nachts und am Vormittag mehr Milch holen, die Stillpausen sind länger", sagt Gresens. Im Laufe des Tages nimmt die Milchmenge in den Brüsten allmählich ab. Dadurch kann es spätnachmittags oder abends zum so genannten "Clusterfeeding" kommen. Die Kinder trinken mehrmals in der Stunde oder bleiben sogar über mehrere Stunden an der Brust. Damit "bestellen" sie mehr Milch und regen die Milchproduktion an.

Pause zwischen den Stilleinheiten machen?

Früher gab es die Theorie, dass sich "alte" und "frische" Milch im Verdauungstrakt des Babys mischen, wenn die Stillabstände zu kurz sind und es dadurch zu Blähungen kommt. "Das ist überholt und traf ohnehin nur auf die schwer verdaulichen Säuglingsnahrungen in früheren Zeiten zu", sagt Gresens. Zu häufiges Anlegen gebe es nicht. Es sei wichtig, die Zeichen des Kindes kennenzulernen und richtig zu deuten. "Schreien ist kein typisches Hungerzeichen", sagt Gresens. Die Anzeichen sind diskreter: Über die Lippen lecken, Schmatzgeräusche, die Hand zum Mund führen. Wenn das Baby gut gedeiht und Mutter und Kind zufrieden sind, sollte man sich über die Abstände keine Gedanken machen, sondern ganz nach Bedarf des Kindes stillen.

Wann pendelt sich beim Stillen ein Rhythmus ein?

"Der Rhythmus kommt vom Kind", sagt Gresens. Dabei gebe es eine große Variationsbreite. "Man kann sein Kind nicht in einen Vierstundenrhythmus zwingen", warnt sie. Je nachdem, wie groß der Magen eines Babys ist und wie viel Milch die Mutter in ihren Brüsten speichern kann, sind die Stillabstände länger oder kürzer.

Wann welche Brust anbieten?

"Generell ist wichtig, dass die erste Brust gut zu Ende getrunken wird", sagt Gresens. Denn je leerer die Brust wird, desto mehr steigt der Fettgehalt der Milch. "Das Kind sollte auch die sättigende Milch bekommen." Frauen, die weniger Milch haben, sollten immer beide Seiten anbieten. Wie lange ein Kind für eine Brust braucht, ist unterschiedlich. "Manche sind nach zehn Minuten fertig, andere brauchen eine halbe Stunde." Solange das Baby aktiv saugt und Schluckgeräusche zu hören sind, sollte die Mutter es nicht von der Brust nehmen. Die zweite Brust kann es anschließend noch trinken, muss es aber nicht.

Was, wenn das Kind plötzlich viel weniger oder mehr trinkt?

"Wenn es sich unauffällig entwickelt und die Gewichtszunahme stimmt, gibt es keinen Grund zur Sorge", sagt Gresens. Bei Wachstumsschüben oder wenn Säuglinge mit einem Infekt kämpfen, melden sie sich oft häufiger. "Auch nach Stress oder einer vorübergehenden Trennung von der Mutter ist das Stillbedürfnis ausgeprägter." Bei wärmeren Temperaturen wollen Babys ebenfalls häufiger an die Brust. "Sie trinken dann oft kürzer und nehmen dadurch vor allem die wasserhaltigere Milch auf." Deshalb muss kein Wasser oder Tee zusätzlich gegeben werden, solange das Kind voll gestillt wird.

Woran merkt man, dass das Baby satt wird?

Der Kinderarzt und die Hebamme kontrollieren das Gewicht des Babys regelmäßig. Daneben gibt es einige Dinge, die die Eltern selbst beobachten können. So ist es normal, in den ersten Wochen wenigstens sechs Mal am Tag die feuchte Windel wechseln zu müssen. "Der Urin sollte farb- und geruchlos sein", so Gresens. In den ersten vier Lebenswochen haben Babys oft mehrmals täglich Stuhlgang. "Danach kann es auch nur alle paar Tage sein", sagt Gresens. Ein gutes Zeichen ist, wenn das Baby nach dem Stillen entspannt ist, die Fäustchen gelöst sind und es eine Weile zufrieden ist.

Was tun, wenn das Baby nicht gut zunimmt?

Eine zu geringe Gewichtszunahme kann verschiedene Ursachen haben. Sind Sie beunruhigt, wenden Sie sich an den Kinderarzt oder die Hebamme. Bei zu wenig Milch sollte durch eine Stillberatung die Ursache geklärt werden. Es gibt Möglichkeiten, die Milchproduktion anzuregen. "Wichtig ist, dass die Brüste gut geleert werden, denn dann wird die neue Milch am schnellsten produziert", sagt Gresens. Trinkt das Baby nicht effektiv genug, kann die Mutter mit einer elektrischen Pumpe nach dem Stillen die restliche Milch abpumpen. "Die Mutter kann sich vom Arzt ein Rezept für eine gute Miet-Milchpumpe ausstellen lassen", sagt Gresens. Das Abpumpen mit einer Handpumpe ist nicht immer effektiv genug.

Manche Babys schlafen an der Brust ein, sobald die Milch nicht mehr richtig sprudelt, obwohl der Stillvorgang noch nicht beendet ist. "Dann sollte man das Kind wecken und vorsichtig die Brust etwas zusammendrücken, so dass ein Tropfen Milch ins Mündchen fließt, und es zum Weitertrinken motiviert wird", sagt Gresens. Wissenschaftliche Belege, dass bestimmte Nahrungsmittel die Milchproduktion anregen, gebe es nicht, sagt die Hebamme. Sie rät zu einer ausgewogenen Ernährung, ausreichender Flüssigkeitsversorgung, genügend Schlaf und viel Kuscheln mit dem Baby.

Wie ändert sich das Stillen in der Beikost-Zeit?

Spätestens in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres machen Babys erste Erfahrungen mit anderen Lebensmitteln. Die Muttermilch enthält weiterhin wichtige Nährstoffe und Antikörper. "Erst langsam steigert sich die Menge an anderem Essen. Das Stillen verliert nach und nach seine Bedeutung als Nahrungsaufnahme, bleibt aber weiterhin wichtig, um die seelischen Bedürfnisse des Kindes nach Nähe und Geborgenheit zu erfüllen", sagt die Hebamme. Das Baby kann erst die Brust oder Flasche bekommen und anschließend die Beikost oder umgekehrt.

Manche Kinder sind eher bereit, neue Nahrung zu probieren, wenn ihr Hunger nicht allzu groß ist. Möchte die Mutter eine Stillmahlzeit zügig ersetzen, sollte sie zuerst Beikost geben. Will sie nicht parallel mit der Beikosteinführung abstillen, kann sie die Brust weiterhin oft anbieten.

Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Abstillen?

"Den richtigen Zeitpunkt zum Abstillen gibt es nicht. Jede Mutter kann und sollte das selbst entscheiden", so die Stillberaterin. "Wenn die Mutter gerne stillt, kann sie es auch ihrem Kind überlassen." Wenn möglich, sollten Babys mindestens vier bis sechs Monate ausschließlich gestillt werden. "Abstillen ist ein langsamer Prozess, kein Akt, der an einem Tag durchgeführt werden sollte", sagt Gresens. Je allmählicher es verlaufe, desto besser könne sich der Körper des Kindes an andere Nahrung gewöhnen. "Und auch für die Mutter ist es angenehmer, wenn die Milchproduktion nach und nach eingestellt wird."

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