Wie gefährlich ist Zahnfleischbluten für Schwangere?
Viele Erwachsene haben Parodontitis. Besonders Schwangere sind anfällig für die Entzündung des Zahnbettes. Aber steigt damit wirklich das Fehlgeburtsrisiko?

Das Zahnfleisch ist bei Schwangeren oft empfindlicher und blutet leichter
Als sich in den weißen Schaum der Zahnpasta bei jedem Zähneputzen Blut mischte, wurde Andrea Bauer* aus Würzburg stutzig. Zahnfleischbluten hatte sie vorher noch nie. Eigentlich hatte die 30-Jährige anderes im Kopf. Sie war in der 16. Woche schwanger mit ihrem ersten Kind, und noch immer war ihr täglich übel. Aber die Routine-Kontrolle beim Zahnarzt stand ohnehin an, also vereinbarte Andrea Bauer einen Termin. Und bekam umgehend die Diagnose: Parodontitis, auch Parodontose genannt.
Zahnfleischbluten ist meist das einzige Anzeichen. "Bis es schmerzt oder Zähne locker werden, ist die Parodontitis schon sehr weit fortgeschritten", sagt Dr. Christof Dörfer, Professor an der Universitätsklinik in Kiel und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie. So weit ist es bei Andrea Bauer zum Glück nicht gekommen – bis zur Geburt ihres Sohnes sah sie ihren Zahnarzt regelmäßig, zur Zahnreinigung und Kontrolle.

So entsteht Parodontitis
Hauptursache ist eine Infektion mit Bakterien. Schädliche wie unschädliche besiedeln die Mundhöhle. "Geraten die schädlichen Bakterien in die Überzahl, produzieren sie Giftstoffe und verursachen eine Entzündung", erklärt Dr. Kristiane Wolters, Zahnärztin aus München. In der Schwangerschaft wird durch die Hormonumstellung das Gewebe weicher, und die Bakterien dringen leichter ins Zahnfleisch ein. Es schwillt an und blutet beim Zähneputzen oder wenn man Zahnseide benutzt.
Bleibt die Entzündung unbehandelt, entstehen sogenannte Zahnfleischtaschen: das Zahnfleisch, das sonst wie ein fester Kragen den Zahn umschließt, löst sich, und es entstehen tiefe Furchen. Dort sammeln sich die Bakterien. Auch wer gründlich putzt, erreicht sie mit der Zahnbürste nicht. "Bei fortgeschrittener Parodontitis bildet sich das Zahnfleisch sogar zurück, die Zähne erscheinen dann größer, weil die Zahnhälse frei liegen", so Wolters. Langfristig droht Zahnverlust.

Welche Risiken drohen für Schwangere?
Nicht jede werdende Mutter ist gefährdet. Zu den Risikofaktoren gehören vor allem Stress, Rauchen und mangelhafte Mundhygiene. "Dazu kommen genetische Faktoren. Einige Menschen reagieren stärker auf die Bakterien in der Mundhöhle als andere", sagt Christof Dörfer. "Bei manchen Patienten bleibt es bei einer Zahnfleischentzündung, andere entwickeln schnell eine Parodontitis. Warum das so ist, können wir leider noch nicht genau sagen", fügt der Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie in Kiel hinzu.
Frühere Studien sahen hier einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und einem erhöhten Fehl- und Frühgeburtsrisiko. "Neuere und größere Untersuchungen aber liefern keine Anhaltspunkte, dass eine Parodontitis Früh- oder Fehlgeburten auslöst", sagt Christof Dörfer. Immer wieder gibt es auch Hinweise, eine Parodontitis würde sich auf die Empfängnisfähigkeit auswirken – das konnten Studien bisher nicht belegen. "Wer länger versucht, schwanger zu werden, justiert alles, da gehört auch die Kontrolle der Mundgesundheit dazu", sagt die Zahnärztin.
Wie der Zahnarzt Parodontitis behandelt
"Werdende Mütter sollten auf jeden Fall im ersten Drittel der Schwangerschaft eine Kontrolle beim Zahnarzt vereinbaren", sagt Kristiane Wolters. Dieser stellt fest, ob das Zahnfleisch geschwollen ist und blutet. Er kann mit speziellen Sonden Zahnfleischtaschen erkennen und messen, wie tief sie sind. Lautet die Diagnose Parodontitis, sollte sie im mittleren Schwangerschaftsdrittel behandelt werden, da sich die Entzündung in der Endphase der Schwangerschaft durch die hormonellen Veränderungen deutlich verschlimmern kann. "Eine Behandlung im zweiten Schwangerschaftstrimester gilt als unbedenklich", sagt Dörfer.
Extrem wichtig ist die Nachsorge, denn die Zahnfleischtaschen bleiben. Sie sind durch die Behandlung zwar abgedichtet, doch mit einer neuen Entzündung geht alles wieder von vorne los. Wer schon einmal betroffen war, sollte abhängig vom individuellen Risiko Zähne und Zahnfleisch zwei- bis viermal im Jahr kontrollieren lassen.
Parodontitis konsequent vorbeugen
"Das Zahnfleisch ist immer ein Spiegel unserer Gesundheit und zeigt auch das Entzündungspotenzial des Körpers", sagt Zahnärztin Wolters. Jeder sollte alle zwei Jahre ein sogenanntes parodontales Screening machen lassen, bei dem der Gesundheitszustand des Zahnhalteapparates überprüft wird – die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür.
Am wichtigsten ist gute Zahnpflege: Mindestens zweimal täglich die Zähne putzen und die Zwischenräume gründlich mit Interdentalbürsten und mit Zahnseide reinigen. Eine professionelle Zahnreinigung, ein- bis zweimal pro Jahr, gilt als sinnvoll: "Ihr Nutzen ist in Studien nicht vollends bewiesen, aber niemand putzt so perfekt, dass er im Mund jeden Winkel erreicht", sagt Experte Christof Dörfer.
Andrea Bauer achtet mittlerweile akribisch auf ihre Zahnpflege. Das zahlt sich auch aus: Ihr Zahnfleisch ist gesund, das Blut im Zahnpasta-Schaum Vergangenheit.
*Name von der Redaktion geändert