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Das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln für Schwangere ist riesig. Was ist notwendig, was überflüssig? Die Ernährungswissenschaftlerin Professor Dr. Mathilde Kersting vom Forschungsdepartment Kinderernährung der Universitätskinderklinik Bochum und die Ernährungstechnikerin Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklären, was Schwangere wirklich brauchen.

Folsäure für Schwangere:

Warum ist der Nährstoff wichtig? Das Vitamin Folsäure ist von zentraler Bedeutung für die Zellteilung. Eine Unterversorgung in der Frühphase der Schwangerschaft kann zu schweren Fehlbildungen wie dem offenen Rücken (Spina bifida) führen, zudem ist das Risiko von Früh- und Fehlgeburten erhöht. „Damit sich das Ungeborene optimal entwickeln kann, sollten nicht nur Schwangere, sondern auch schon Frauen mit Kinderwunsch täglich 400 Mikrogramm Folsäure einnehmen“, empfiehlt Mathilde Kersting. Beginnt die Einnahme später als vier Wochen vor der Empfängnis, erhöht sich die empfohlene Tagesdosis auf 800 Mikrogramm. Das Präparat kann frühestens nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel abgesetzt werden.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? Kaum. Spinat und Salat, Tomaten, Orangen und Vollkornprodukte sind gute Folsäure-Lieferanten. Weil der Stoff gegenüber Licht, Hitze und Sauerstoff empfindlich ist, ist es aber sehr schwierig, den Bedarf ausschließlich über die Ernährung zu decken.

Fazit: notwendig

Jodversorgung in der Schwangerschaft:

Warum ist der Nährstoff wichtig? Eine gute Jodversorgung ist elementar für die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem des Ungeborenen sowie für die Schilddrüsenfunktion. „In großen Langzeitstudien wurde nachgewiesen, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft unter Jodmangel litten, einen niedrigeren IQ hatten als Kinder, deren Mütter gut mit Jod versorgt waren“, sagt Mathilde Kersting. Während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit sollten zusätzlich zu einer jodreichen Ernährung 100 bis 150 Mikrogramm Jod täglich eingenommen werden. Wer unter Schilddrüsenproblemen leidet, spricht vorher mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? Nein. Nichtschwangere Frauen, die mindestens einmal pro Woche Seefisch oder Meeresfrüchte essen, Milch und Milchprodukte zu sich nehmen und jodiertes Speisesalz verwenden, können ihren Jodbedarf gerade so decken. Schwangere benötigen deutlich mehr von dem Spurenelement.

Fazit: notwendig. Bei bestehender Schilddrüsenerkrankung Rücksprache mit der Ärztin/dem Arzt halten.

Viele Schwangere halten sich nicht an die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften zur Nahrungsergänzung. In der „SuSe“-Studie des Forschungsdepartments Kinderernährung der Universitätskinderklinik Bochum von 2020 gaben zwar immerhin 82 Prozent der befragten Mütter an, während der Schwangerschaft Folsäure eingenommen zu haben. Gut die Hälfte von ihnen hatte damit aber später angefangen als empfohlen, nämlich erst nach Schwangerschaftsbeginn. Auch die Jodversorgung lässt zu wünschen übrig: Nur jede zweite Befragte hatte während der Schwangerschaft ihre Ernährung durch ein Jodpräparat ergänzt. „Die Ergebnisse zeigen, dass bei Schwangeren und auch bei Frauen mit Kinderwunsch noch viel Aufklärungs- und Informationsbedarf besteht“, sagt die Studienleiterin, Professor Dr. Mathilde Kersting.

Eisenpräparate für werdende Mütter?

Warum ist der Nährstoff wichtig? In der Schwangerschaft braucht der Körper etwa doppelt so viel Eisen wie sonst. „Das Ungeborene muss einen Eisen-Speicher für die Monate nach der Geburt anlegen“, erklärt Mathilde Kersting. Der Mehrbedarf lässt sich meist durch die Ernährung decken. „Eisen sollte man nur bei einem ärztlich diagnostizierten Mangel zusätzlich einnehmen“, rät Kersting. Denn häufig führen Eisenpräparate zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Verstopfung. Zwei Stunden vor und nach der Einnahme sollte man auf Kaffee und Tee und Milchprodukte verzichten, weil die darin enthaltenen Gerbstoffe die Eisen-Aufnahme stören.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? In der Regel ja. Eisen aus Fleisch und Fleischprodukten kann der Körper am einfachsten resorbieren. Auch Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte enthalten Eisen, das besser aufgenommen wird, wenn man Vitamin-C-reiches Obst oder Gemüse dazu isst.

Fazit: sinnvoll nur im Einzelfall nach Rücksprache mit der Ärztin/dem Arzt.

Magnesium in der Schwangerschaft:

Warum ist der Nährstoff wichtig? Der Mineralstoff trägt zum guten Funktionieren von Muskeln und Nerven bei. Nahrungsergänzungsmittel, die Magnesium enthalten, sind in Deutschland beliebt. Dabei sei die Bevölkerung eigentlich sehr gut mit dem Nährstoff versorgt, meint Kersting. „Schwangere haben keinen erhöhten Bedarf und nehmen in der Regel genug Magnesium über die Ernährung auf.“ Den Stoff zusätzlich zuzuführen ist überflüssig und unter Umständen sogar schädlich: Die Einnahme von über 250 Milligramm Magnesium pro Tag kann Magen-Darm-Beschwerden auslösen.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? Ja. Magnesium ist nicht nur in vielen pflanzlichen Lebensmitteln reichlich enthalten, sondern auch in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Mineralwasser.

Fazit: nicht sinnvoll

Die Omega-3-Fettsäure DHA für die Gehirnentwicklung:

Warum ist der Nährstoff wichtig? Die Omega-3-Fettsäure DHA (Docosahexaensäure) spielt für die normale Entwicklung des kindlichen Gehirns, insbesondere der Sehfähigkeit, eine entscheidende Rolle.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? Grundsätzlich ja. Schwangere oder stillende Frauen, die pro Woche ein bis zweimal fettreichen Seefisch essen, sind gut mit DHA versorgt. Pflanzenöle sind keine Alternative, weil der Körper die darin enthaltenen Fettsäuren nur zu einem sehr geringen Teil in DHA umwandeln kann. „Wer Lachs, Makrele und Hering nicht mag oder in der Schwangerschaft einfach nicht riechen kann, sollte 200 Milligramm DHA pro Tag zusätzlich einnehmen“, rät Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Fazit: sinnvoll für Vegetarierinnen und alle, die keinen Fisch essen, Rücksprache mit der Ärztin/dem Arzt empfohlen.

Das Sonnenvitamin Vitamin D in der Schwangerschaft:

Warum ist der Nährstoff wichtig? Vitamin D ermöglicht die Aufnahme von Calcium und ist daher notwendig, damit das Ungeborene feste Knochen entwickeln kann. Der Stoff bildet sich unter Sonneneinstrahlung in der Haut. Für eine gute Versorgung genügt es, je nach Hauttyp Gesicht und Arme fünf bis 25 Minuten pro Tag ohne Sonnencreme der Mittagssonne auszusetzen. Der im Sommer gefüllte körpereigene Vitamin-D-Speicher reicht meistens auch aus, um den sonnenarmen Winter zu überbrücken. Darum werden Vitamin-D-Präparate Schwangeren nicht generell empfohlen. Wer unsicher ist, kann seinen Vitamin-D-Spiegel in der Arztpraxis untersuchen lassen und sich dort über zusätzliche Präparate beraten lassen. „Im Sommer gilt das nur für Frauen, die sich kaum draußen aufhalten oder ihre Haut vollständig bedecken", sagt Ernährungstechnikerin Sabine Holzäpfel.

Kann ich genug von dem Nährstoff über meine Ernährung aufnehmen? Nein, über die Ernährung lässt sich grundsätzlich nur ein kleiner Teil des Bedarfs abdecken. Nur wenige Lebensmittel, vor allem fettreicher Seefisch, enthalten nennenswerte Mengen an Vitamin D.

Fazit: Im Winter manchmal sinnvoll oder bei einer Unterversorgung. Vorher bitte Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten.

Viele Präparate sind überteuert

Fast alle Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere enthalten überflüssige Zusätze. Das ergab der „Marktcheck“ der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg von 2017, die regelmäßig die Zusammensetzung und Dosierung von Produkten für Schwangere untersucht. „Nach wie vor gilt bei den Herstellern oft das falsche Prinzip ‚Viel hilft viel‘“, kritisiert die für den Marktcheck verantwortliche Ernährungsexpertin Sabine Holzäpfel. In fast allen untersuchten Produkten waren neben Jod und Folsäure – den einzigen Stoffen, die allen Schwangeren zur Nahrungsergänzung empfohlen werden – weitere Vitamine und/oder Mineralstoffe enthalten. In mehr als einem Drittel der Produkte überschritten die Tagesdosen einzelner Stoffe die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlenen Höchstmengen.

Gesundheitsschäden sind dadurch zwar nicht zu befürchten. „Doch je mehr Nährstoffe die Präparate enthalten, desto teurer sind sie oft. Dabei entsprechen gerade die günstigen Produkte viel besser den Empfehlungen“, sagt Sabine Holzäpfel. Über die gesamte Schwangerschaft hinweg summieren sich die Kostenunterschiede auf mehrere hundert Euro. Ob die Stoffe in Form von Kapseln, Tabletten oder Öl, einzeln oder in einem Kombi-Präparat eingenommen werden, ist für die Wirksamkeit egal.

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