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Allein die Plazenta: Am Ende der Schwangerschaft zirkuliert in dem Organ, das oft nicht mehr als 500 Gramm wiegt, bis zu ein Liter Blut. Insgesamt ha­ben Schwangere ein bis zu 40 Pro­zent höheres Blutvolumen als nicht ­­schwangere Frauen. "Die Kreislauf­umstellung ist immens, vergleichbar mit Marathonläufern – die dafür aber jahrelang trainieren müssen", sagt Dr. Tanja Groten. Sie arbeitet als ­leitende Oberärztin an der ­Klinik für Geburts­­medizin am Universitäts­klinikum Jena.

Fitte Blutgefäße halten dem höheren Druck eher stand

Für die Gynäkologin ist das Beispiel wichtig, um zu verstehen, was passiert, wenn bei Schwangeren plötzlich die Beine schwer werden, Füße oder gar Finger anschwellen: "Wenn die Blutgefäße nicht superfit sind, halten sie dem Druck nicht stand. Es tritt dann Wasser ins Gewebe und lagert sich ein", erklärt Groten.

Als zweiten Grund für Wassereinlagerungen, die sogenannten Ödeme, führt sie an: "Das Blut bei Schwangeren ist verdünnt. Dadurch besteht ein Konzen­­trationsunterschied von Teilchen in Blut und Gewebe – und das Wasser gleitet entlang dieses Gefälles durch die Gefäßwand hindurch." Diese zwei Mechanismen, also Druck und Diffusion, führten bei Schwangeren zu Ödemen.

Wassereinlagerungen sind in der Regel ungefährlich

Meist leiden Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel darunter. Verbreitet ist die Angabe, dass bis zu 80 Prozent der Schwangeren betroffen sind. "Tatsächlich gibt es keine verlässlichen Zahlen, auch weil Schwangerschaftsödeme keinen Krankheitswert mehr haben", so ­Groten. Sahen Mediziner sie lange als Krankheit, beschreiben sie sie heute als lästige, aber meist harmlose Beschwerde: "Ich sehe es auch kritisch, wenn Ödeme – wie so oft – mit der Präeklampsie, der gefähr­lichen Schwangerschaftsvergiftung, in Verbindung gebracht werden." Zwar kämen Ödeme bei einer Prä­­eklampsie vor – in der Regel aber in lageunabhängigen Regionen wie dem Gesicht. Und vor allem: nie als erstes Symptom.

"Gesundheitsrelevant", sagt ­Groten, "sind Ödeme eher, wenn sie etwa an den Handgelenken auftreten. Dort verlaufen die Nerven, die die Hand versorgen." Drückt ein Ödem darauf, können die Finger taub werden. "Meist besteht das Problem nachts. Hält es am Tage an, geht man am besten zu seinem Frauenarzt."

Trotzdem mit Ödemen zum Arzt gehen

Frauen sollten sich nicht scheuen, mit Ödemen grundsätzlich zum Gynäkologen zu gehen. Zudem können Vorsorgehebammen helfen. Und auch viele Geburtskliniken bieten spe­zielle Sprechstunden zu Schwangerschaftsbeschwerden an, die Ödeme miteinschließen.

"Schwangere erhalten hier eine ganze Reihe von Tipps zu Vorbeugung und Behandlung", sagt Sylvia Körber, leitende Hebamme in der Pränatalsprechstunde am Universitätsklinikum Erlangen. Zum Beispiel Anregungen wie diese:

Kompressionsstrümpfe

Das erste und einfachste, was Schwangeren meist empfohlen wird, sind – zumindest bei geschwollenen Beinen und Füßen – Kompressionsstrümpfe aus der Apotheke. "Sie helfen beim Abtransport der eingelagerten Flüssigkeit", sagt Sylvia Körber. Verschrieben werden sie vom Gynäkologen.

Aktiv bleiben

Egal ob Yoga, Schwimmen oder ­leichtes Lauftraining: "Schwangere, die sich viel bewegen, betreiben eine aktive Muskelpumpe und drängen dadurch die Flüssigkeit aus dem Gewebe zurück", sagt Frauen­ärztin Tanja Groten. Geht übrigens auch ganz nebenbei: dazu mehrmals täglich im Sitzen beide Füße aufstellen, abwechselnd die Fersen in den Boden drücken und gleichzeitig die Zehen hochziehen. Danach die Zehenspitzen in den Boden drücken und die Fersen anheben.

Wechselbäder

Eins vorweg: Schwangere, die unter Ödemen leiden, duschen oder baden bitte keinesfalls heiß. "Hitze verschlimmert die Symp­tome, weshalb im Sommer auch mehr Schwangere unter den Pro­blemen leiden als im Winter", sagt Hebamme Sylvia Körber. Empfehlenswert ist hingegen, warm und kalt zu kombinieren: "Zum einen regen Wechselbäder den Kreislauf und damit die Durchblutung an. Zum anderen ziehen sich beim Wechsel von heiß und kalt die Muskeln und damit die Gefäße zusammen, sodass das Wasser hinausgepresst wird", erklärt Körber.

Und so funktioniert es: die Hände/Füße einige Sekunden lang mit möglichst warmem Wasser abspülen, danach genauso lang mit kaltem Wasser. Den Vorgang zwei, drei Mal wiederholen und kalt abschließen. Am besten als Routine bei der täglichen Dusche fest einplanen. "Zum Schluss die Arme oder Beine richtig abrubbeln – das stimuliert ebenfalls die Durchblutung". Wichtig: Frauen, die unter Herz-Kreislauf-Krankheiten leiden, lassen sich vorher von ihrem Arzt beraten.

Sich gut ernähren

Vereinzelt liest man noch von salzarmer Kost und Reistagen, die Schwangeren empfohlen werden. "Davon hat sich aber nichts bewahrheitet", sagt Gynäkologin Tanja Groten. Hebamme ­Sylvia Körber rät Schwangeren, auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit reichlich Vollkornprodukten, Obst und Gemüse zu achten. "Damit nimmt man Mineralstoffe auf, die helfen können, Wassereinlagerungen entgegenzuwirken", sagt sie.  
Aus Angst vor Ödemen sollten Schwangere auf keinen Fall hingehen und weniger oder gar nichts mehr trinken. Ideal sind für sie Wasser, ungesüßte Kräutertees oder auch  Lebensmittel mit hohem Wasser­anteil, zum Beispiel Melonen, Gurken oder Trauben.

Hoch die Beine!

Oder die Arme, je nachdem. "Auch das hilft, weil Lymphflüssigkeit und Blut besser Richtung Herzen abfließen und die Schwellung dadurch reduziert werden kann", erklärt Hebamme Körber. Sie empfiehlt auch, die betroffenen Stellen auszustreichen, also etwa mit beiden Händen an den Waden hochzufahren.

Akupunktur

Ob der Einsatz feiner Akupunkturnadeln an bestimmten Körper­punkten wirkt, ist umstritten. Es lässt sich schwer beurteilen, auch weil die Akupunktur oft nur ergänzend angewendet wird. "Am Ende wissen wir nie, ob zum Beispiel die Bewegung, die Ernährung oder die Akupunktur geholfen hat", sagt Sylvia Körber.