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Fünfzehn Wochen vor dem berechneten Geburtstermin ging es los: ziehende Schmerzen im Unterleib und im Rücken, so, als würde die Menstruation einsetzen. "Außerdem spürte ich einen extremen Druck nach unten", erzählt die 30-jährige Elena S., die im Windecker Land lebt. "An Wehen dachte ich erst mal nicht, schließlich war ich gerade in der 26. Woche schwanger." Doch als die Schmerzen unerträglich wurden, fuhren sie und ihr Mann in die Klinik. Dort stand die Diagnose schnell fest: vorzeitige Wehen. Der Gebärmutterhals war bereits drastisch verkürzt, der Muttermund aufge­lockert. Das Köpfchen des Babys drückte stark – viel zu früh.

Was sind vorzeitige Wehen?

Etwa jede dritte Schwangere spürt Wochen vor dem Termin Wehen. Doch nicht jede Frühwehe ist ein Warnsignal. "Frauen können nicht selbst erkennen, ob die Kontraktionen ein Risiko für eine Frühgeburt darstellen", sagt Prof. Dr. Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena. "Daher sollten sie ein Ziehen oder Schmerzen im Unterleib immer vom Arzt abklären lassen." In vielen Fällen handelt es sich um unbedenkliche Übungswehen. Sie bereiten die Gebärmutter auf die nahende Geburt vor.

Wie stellt der Arzt vorzeitige Wehen fest?

"Problematisch wird es, wenn Wehen sich lange vor dem regulären Termin auf den Muttermund auswirken", sagt die Gynäkologin Dr. Claudia Schumann von der Deutschen Gesellschaft für psycho­somatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus Northeim. "Klagt eine Schwangere über wehenartige Schmerzen oder einen harten Bauch, sollte der Arzt ein Cardiotokogramm (CTG) schreiben, um Stärke und Frequenz einer möglichen Wehentätigkeit aufzuzeichnen." Auch tastet er den Mutter­mund ab und vermisst die Länge des Gebärmutterhalses. Genauso wichtig, so Schumann: ein einfühlsames Gespräch, das mög­liche Ur­sachen im persönlichen Umfeld sucht und klärt, wo sich die Schwangere am besten aufgehoben fühlt.

Was löst vorzeitige Wehen aus?

Haben die Wehen wie bei Elena S. bereits Auswirkungen gezeigt, ist die Gefahr einer Frühgeburt erhöht. "Die Situation war wirklich beängstigend. Ich wurde stationär aufgenommen und durfte die ersten drei Tage nur liegen, bis auf den Gang zur Toilette", erinnert sich die heute zweifache Mutter. "Die Ärzte sahen alle Anzeichen eines sehr hohen Frühgeburtsrisikos." Elena S. quälte sich mit Vorwürfen: Hatte sie sich zu wenig geschont? Hätte sie die Wehen verhindern können?

Unwahrscheinlich, meint ­Schleußner. "Häufig finden wir bei betroffenen Frauen nicht die eine konkrete Ursache. Meist kommen mehrere Aspekte zusammen." Relativ oft lassen sich Infektionen in der Scheide nachweisen, die aber nicht immer Beschwerden verur­sachen und daher unbemerkt bleiben. Infrage kommen auch Funktionsstörungen von Plazenta und Gebärmutter oder ein schwaches Muttermundgewebe. "Daneben spielen psychische und soziale Faktoren eine Rolle, etwa ausgeprägte Sorgen und Ängste oder allgemeine Überforderung", so der Experte.

Drei Strategien gegen vorzeitige Wehen

  • Scheideninfektionen sind eine Ursache für vorzeitige We­hen. In der Apotheke erhalten Sie Teststreifen oder Handschuhe, mit denen Sie zweimal wöchentlich den vaginalen pH-Wert messen können. Liegt der Wert zu hoch (über 4,5), sollten Sie das vom Arzt abklären lassen. Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Test.
  • Hochgradigen Stress und ­schwere körperliche Arbeit vermeiden. ­Gönnen Sie sich von Anfang an ausreichend Auszeiten, bitten Sie Familie und Freunde um Entlastung.
  • Vermeiden Sie eine übermäßige Gewichtszunahme. Raucherinnen verzichten auf Zigaretten. Beide Faktoren können Frühgeburten begünstigen.

Wie läuft die Behandlung ab?

Da bei Elena S. keine Infektion vorlag, verordneten die Ärzte ihr Bettruhe und hoch dosierte Magnesiuminfusionen. "Magnesium wirkt krampflösend und kann Kontraktio­nen abschwächen oder ganz abklingen lassen", sagt Claudia Schumann. Die Wirkung ist wissenschaftlich nicht belegt. Risikien werden diskutiert. Ärzte müssen daher genau abwägen, ob Magnesium oral oder als Infusion sinvoll ist.

Bei Elena S. blieb die Situation zunächst kritisch. "Ich erhielt vorsorglich eine Kortisonspritze zur Lungenreifung des Kindes. Spätestens da wurde mir der Ernst der Lage klar." Trotzdem ließ sich die werdende Mutter nach einer Woche im Krankenhaus auf eigene Verantwortung entlassen. Das untätige Herumliegen und Bangen in der Klinik stresste sie. "Liegen konnte ich auch zu Hause. Und ich ließ Muttermund und Wehentätigkeit engmaschig von meiner Gynäko­login überwachen", erzählt Elena S. In so einer Situation sei es wichtig, der Frau Mut zu machen und eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Schwangerer aufzubauen, findet Schumann.

Therapien im Wandel

Während strikte Bettruhe lange Zeit als Mittel der Wahl galt, zeigten Studien, dass sie nicht wirksam ist. Körperliche Schonung reicht meist aus. Eine sogenannte Cerclage, das operative Verschließen eines zu schwachen Muttermundes, wird nur in speziellen Fällen angewandt, zum Beispiel bei einem verkürzten Muttermund.

Die medikamentöse Wehenhemmung (Tokolyse) kommt nach wie vor zum Einsatz. Jedoch mit überwiegend nebenwirkungsärmeren Medikamenten und nur für wenige Tage. "Etabliert hat sich die Gabe von Progesteron, einem Hormon, das die Schwangerschaft stabilisiert", sagt Schleußner. "In Studien zeigte sich, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Risiko einer Frühgeburt durch die vaginale Gabe von Progesteron um bis zu 40 Prozent gesenkt werden kann." Aber nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten.

Ob nun Magnesium, Liegen oder andere Maßnahmen die Schwangerschaft von Elena S. stabilisierten, weiß keiner. Sicher ist das Happy End. "Unser Sohn kam sogar eine Woche nach dem Termin zur Welt", erzählt die Mutter.

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