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Wer sich mit Zytomegalie infiziert, bemerkt das meist gar nicht. Die Erreger gehören zu den Herpesviren und werden über Körperflüssigkeiten wie Speichel, Blut oder Urin übertragen. Bei Gesunden ist eine sogenannte CMV-Infektion in der Regel harmlos, es treten meist keine Beschwerden auf. „Nur 20 Prozent der Betroffenen haben grippeähnliche Symptome“, erläutert Prof. Dr. Karl Oliver Kagan, Leiter Pränatale Medizin am Universitätsklinikum Tübingen. Bei Menschen mit gestörter Immunabwehr kann die Krankheit jedoch schwer verlaufen. Gefährlich ist sie auch in der Schwangerschaft: Beim ungeborenen Kind kann sie zu einer Reihe von Krankheitszeichen und Fehlbildungen oder zur Fehlgeburt führen.

Zytomegalie: Vergleichsweise viele Schwangere stecken sich an

Etwa die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland hat schon einmal eine CMV-Infektion durchgemacht. Da das Virus – wie alle Herpesviren – lebenslang im Körper verbleibt, kann es zwar wieder aktiv werden. Eine solche Reaktivierung berge in unseren Breitengraden jedoch kaum Risiken für das Ungeborene, so Kagan. „Warum das in Entwicklungs- oder Schwellenländern teilweise anders ist, wird gerade noch intensiv erforscht.“ Die problematische Erstinfektion ist bei uns allerdings vergleichsweise häufig: "Von 200 Schwangeren ist etwa eine Frau betroffen", sagt Kagan.

Die Erstinfektion sei nicht während der gesamten Schwangerschaft gleich problematisch, sondern hauptsächlich im ersten Drittel, wo sich der Embryo am stärksten entwickelt. Im letzten Drittel treten laut Kagan keine großen Schäden mehr auf. „Die Infektion kommt nach etwa sechs Wochen beim Kind an, weshalb die Regel gilt: Infektionen, die bis zu Woche 20 beim Kind sind, sind gefährlich, spätere eher nicht“, erklärt der Pränatalmediziner.

Zytomegalie-Test zählt zu den IGe-Leistungen

Wie verschiedene medizinische Fachgesellschaften rät er deshalb Schwangeren zum Test auf Zytomegalie – solchen, die beim ersten Test negativ sind, sogar zu zwei Zeitpunkten: Einmal in Schwangerschaftswoche sechs bis acht und eventuell noch einmal in den Wochen zwölf bis 14. Es gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie der Test ausfallen kann: Die Schwangere hatte noch nie eine CMV-Infektion (negatives Testergebnis), sie hat sich schon vor längerer Zeit infiziert, sie hat eine frische Infektion oder aber, es liegt ein unklarer Befund vor.

„Der CMV-Test in der Schwangerschaft ist leider kein Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien“, so Kagan. Die meisten Krankenkassen bezahlen ihn daher nicht. Trotzdem lohnt es sich immer, bei der Kasse nachzufragen – oft werden die Kosten zumindest anteilig übernommen. Auch die privaten Kassen bezahlen den Test teilweise, ansonsten kostet er etwa 30 Euro.

Schutzmaßnahmen für negativ getestete Mütter nötig

Eine negativ getestete Mutter sollte entsprechende Maßnahmen ergreifen, um sich nicht anzustecken: Gründliches Händewaschen mit Seife ist wichtig, vor allem nach einem Kontakt mit dem Speichel oder nach dem Wickeln von Kleinkindern. Gegenstände wie Geschirr oder Handtücher sollten Mutter und Kind nicht gemeinsam benutzen und Dinge, die mit Urin oder Speichel von Kleinkindern in Berührung kamen, sollten anschließend gut gereinigt werden. Laut einer Studie konnte eine ärztliche Hygieneberatung von Schwangeren die Infektionsrate bereits von 7,6 auf 1,2 Prozent senken. Das Einhalten der Maßnahmen lohnt sich also.

Für CMV-negative Frauen, die in Berufen mit engem Kontakt zu Kleinkindern arbeiten, kann die Ärztin oder der Arzt gegebenenfalls ein Beschäftigungsverbot aussprechen. „Berufstätige, die direkten Kontakt zu Kleinkindern und deren Körperflüssigkeiten haben, werden meist von der Arbeit freigestellt“, so Kagan. Das betreffe zum Beispiel Erzieherinnen in Krippen und Kindergärten, Lehrerinnen in Behinderteneinrichtungen oder Zahnärztinnen.

Weist das Blut der Schwangeren beim CMV-Test ausreichend viele IgG-Antikörper auf, kann sie die Erstinfektion nicht mehr treffen. „Dann ist eine gewisse Achtsamkeit ausreichend“, sagt Kagan. Wegen anderer möglicher Infekte sollten jedoch nicht alle Vorsichtsmaßnahmen fallen gelassen werden. Liegt laut Test eine frische Infektion vor oder ist der Befund unklar, wird der oder die Gynäkolog:in die Schwangere an ein spezialisiertes Zentrum überweisen. „Eine frische Infektion wird etwa bei zwei Prozent der untersuchten Schwangeren entdeckt“, so Kagan.

Virus wird nicht immer übertragen

Steckt sich eine Frau in der frühen Schwangerschaft an, muss das Kind nicht unbedingt Schäden davontragen: „Das Virus geht im ersten Schwangerschaftsdrittel nur in etwa 37 Prozent der Fälle auf das Ungeborene über“, sagt Kagan. Etwa ein Drittel der infizierten Kinder weisen dann Symptome auf, zwei Drittel zunächst keine. Doch von letzteren entwickeln ungefähr zehn Prozent langfristig Hörstörungen.

Das Spektrum möglicher Probleme ist weit: Es reicht von schweren Entwicklungsstörungen und Fehlgeburten über einen zu kleinen Kopf – der Mikrozephalie – und Organstörungen bis hin zu leichteren Verläufen mit Hörstörungen. „Etwa die Hälfte der Hörstörungen bei Neugeborenen und kleinen Kindern geht auf eine CMV-Infektion zurück“, sagt Kagan.

Behandlung in der Schwangerschaft noch schwierig

Diagnostiziert der Arzt oder die Ärztin bei der Schwangeren eine akute Zytomegalie, gestaltet sich die Behandlung derzeit jedoch noch schwierig. Denn es gibt keine zugelassenen Medikamente für Schwangere.

Eine Studie zur Behandlung mit Hyperimmunglobulinen war erfolgreich – die Rate an Infektionen beim Kind vor der 20. Woche konnte auf sechs Prozent gesenkt werden“, sagt Kagan. Hyperimmunglobuline sind spezifische Antikörper, die gegen Bestandteile der Virushülle gerichtet sind. Sie binden freie Viren und verhindern so die Ausbreitung der Infektion. Derzeit laufe zwar eine Medikamenten-Zulassungsstudie für das Mittel, aber bis eine Zulassung für Schwangere erfolgen könnte, könne es noch dauern, so Kagan.

Auch ein anderes Medikament, Valaciclovir, das in Studien die Übertragungsrate auf elf Prozent senken konnte, hat keine entsprechende Zulassung. Es wirkt antiviral, senkt also die Viruslast bei der Mutter, damit die Viren möglichst nicht auf das Ungeborenen übergehen.

Beide Mittel können also nur im sogenannten „off-label-use“ außerhalb der Zulassung verwendet werden. Setzt der Arzt Medikamente im off-label-use ein – wozu er nicht verpflichtet ist – , muss er die betroffenen Frauen besonders gut über Risiken und Nebenwirkungen der Mittel informieren. Die Kosten für die Behandlung müssen eventuell selbst getragen werden. Daher sollte die Schwangere mit ihrer Krankenkasse vorher besprechen, ob eine Erstattung möglich ist und diese gegebenenfalls beantragen.

Weitere Behandlung kann Risiken beim Kind senken

Um festzustellen, ob das Virus auf das Ungeborene übergegangen ist, führt der Arzt oder die Ärztin anschließend ab Schwangerschaftswoche 21 eine Fruchtwasseruntersuchung durch. „Die Untersuchung birgt zwar ein geringes Fehlgeburtsrisiko von 0,1 Prozent in spezialisierten Zentren“, sagt Kagan. Aber falls das Kind infiziert ist, könne man es anschließend – ebenfalls im off-lable-use – mit Valaciclovir behandeln. Das Mittel wird der Mutter verabreicht, geht aber über die Plazenta auf das Ungeborene über und senkt dessen Viruslast. So soll es verhindern, dass das Kind Symptome entwickelt. „Da die Hyperimmunglobuline die Plazenta-Schranke leider nicht passieren, funktioniert das mit ihnen nicht“, erklärt Kagan.