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Es zieht hier, es schmerzt da – während der Bauch wächst und sich der ganze Körper in der Schwangerschaft verän­dert, ächzen Muskeln, Bänder und Sehnen. Besonders betroffen ist häufig der untere Rücken: Viele Schwangere kennen den ste­chenden, fiesen Schmerz, der von dort bis in die Pobacke oder ins Bein ausstrahlt, Sitzen unmöglich macht und im Stehen nur leid­lich besser wird.

Als "Ischiasbeschwerden" werden diese Symptome meist beschrieben. "Um eine echte Ischialgie, bei der der Ischiasnerv ge­reizt ist, handelt es sich meistens jedoch nicht", sagt Dr. Meike Meißner, Orthopädin aus Hamburg. In der Schwangerschaft ha­ben diese Schmerzen, die aus dem unteren Rücken ausstrahlen, andere, vielfältige Ur­sachen.

Das fängt mit dem Körperschwerpunkt an. "Die ganze Statik verändert sich stark und mit jedem Monat mehr, das muss der Rü­cken alles kompensieren", erklärt Heidrun Haug­-Schopf, die sich als Physiotherapeutin und Yogalehrerin in München auf Schwan­gerschaft und Rückbildung spezialisiert hat. Die Bauchmuskulatur – sonst ein wichtiger Stabilisator für den Rücken – ist nicht mehr so funktionstüchtig. So wächst der Druck auf die Lendenwirbelsäule. Zudem lockern sich durch die veränderte Hormonlage Bän­der und Sehnen im Iliosakralgelenk (ISG) – der Verbindung zwischen Kreuzbein und Becken –, um den Körper bestmöglich auf die Geburt vorzubereiten.

Die Blockade lösen

Das alles muss die Gesäßmuskulatur nicht nur aushalten, sondern auch ausgleichen. "Wenn ein Muskel, der das nicht gewöhnt ist, plötzlich sehr viel arbeiten muss, reagiert er mit Verspannung und Reizzuständen", so Meißner. Das kann sich anfühlen, als wäre der Ischiasnerv eingeklemmt. "Tatsächlich gehen die Beschwerden in der Schwanger­schaft zum Großteil vom Iliosakralgelenk aus", sagt Heidrun Haug­-Schopf. Viele Frauen hätten dann das Gefühl, es müsste nur einmal richtig knacken und die Blocka­de wäre gelöst – meist ein Trugschluss. Haug-­Schopf betont: "Bei allen Übungen sollte der Körper im schmerzfreien Bereich sein, sonst geht die Muskulatur in den Schutzmodus und verspannt erst recht."

Vorbeugend hilft Bewegung aller Art: Spa­zierengehen, Schwimmen (wenn es die Pan­demie wieder zulässt), Gymnastik oder sanf­tes Yoga. Sanfte Wärmeanwendungen ha­ben sich bei Beschwerden bewährt: ein warmes Vollbad, Kompressen, ein Heizkis­sen oder eine Wärmflasche. Haug­-Schopf rät, Wärme und Bewegung zu kombinieren: sich auf den Rücken legen, ein warmes Säck­chen, gefüllt mit Reis oder Traubenkernen (Kirschkerne sind zu grob), unter das Kreuz­bein (oberhalb des Pos) legen, die Füße auf­stellen und dann das Becken leicht bewegen. Alternativ: Mit leicht gebeugten Knien den Rücken an die Wand lehnen, das Säckchen zwischen Wand und Po, dann ein bisschen bewegen. Wer mehr Druck möchte, nimmt einen weichen Igelball.

Mit sanften Griffen entspannen

Schön wäre schnelle medizinische Hilfe, doch: "Lokalanästhetika, die zur Muskelentspannung gespritzt werden, sind in der Schwangerschaft tabu", sagt Orthopädin Meißner. Sie rät zur Physiotherapie. Da Be­wegung und angepasste Übungen die betrof­fenen Bereiche oft nicht gezielt erreichen, ist eine manuelle Therapie sinnvoll. "Mit sanften Griffen, die das Gewebe lockern, die Muskulatur entspannen und die Durchblu­tung fördern, lassen sich Blockaden im ISG lösen", sagt Haug­Schopf. Auch Akupunktur oder Taping können lindernd wirken.

In manchen Fällen wird von ärztlicher Seite ein Beckengurt verschrieben, um den Bauch und die Lendenwirbelsäule zu entlas­ten. Die meisten Frauen tragen diesen ge­zielt, beim längeren Einkaufen oder einem Ausflug. Wichtig ist es, so beide Expertinnen, die Wirbelsäule und das ISG im Alltag zu entlasten und zu vermeiden, dass sich beim Sitzen der untere Rücken längere Zeit run­det. Sitzen Sie auf einem Keilkissen oder Sitzball. Abends beim Liegen auf dem Sofa gerne eine Deckenrolle unter die Knie legen. Die verspannte Muskulatur freut sich zudem über sanfte Dehnung. Auf der folgenden Seite finden Sie Übungen für zu Hause.

Übungen: Dehnen und entspannen

Mit diesen Übungen aus dem Yoga, angepasst für Schwangere, können Sie die Ischiasbeschwerden lindern