Bluthochdruck in der Schwangerschaft
Sie kann für Mutter und Ungeborenes zur tödlichen Bedrohung werden: Präeklampsie. Ihre Symptome und wie der Arzt behandelt
Wichtige Kontrolle: Bei Schwangeren wird regelmäßig der Blutdruck gemessen
Präeklampsie, unter diesem Begriff können sich vermutlich die wenigsten Schwangeren spontan etwas vorstellen. Die umgangssprachliche Bezeichnung "Schwangerschaftsvergiftung" lässt erahnen: Es geht um eine ernste Komplikation – im schlimmsten Fall kann sie tödlich enden. Die Ursachen der Erkrankung, die früher auch EPH-Gestose genannt wurde und etwa zwei bis drei Prozent aller Schwangeren betrifft, sind bis heute unklar. Die Symptome fallen oft unspezifisch aus, was die Diagnose erschwert.
Symptome meist ab der 20. Schwangerschaftswoche
Fest steht: "Die Plazenta nistet sich in der achten bis 13. Woche schlecht ein. In der Folge gelangen schädliche Stoffe in den mütterlichen Kreislauf", erklärt Dr. Dietmar Schlembach, Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin. "Sie wirken sich, zeitversetzt, negativ auf das Gefäßsystem der Mutter aus, wahrscheinlich, sobald ein gewisser Schwellenwert überschritten ist." Etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche können sich erste Vorboten zeigen. Sie reichen je nach Schweregrad von leichten Kopfschmerzen über Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe bis hin zu starken Oberbauchschmerzen und Erbrechen.
Engmaschige Überwachung
Für eine Präeklampsie müssen laut Definition nur zwei Kriterien erfüllt sein: Bluthochdruck und erhöhte Eiweißwerte im Urin. "Das tatsächliche klinische Spektrum ist aber sehr breit gefächert", so Dr. Stefan Verlohren, Oberarzt der Klinik für Geburtsmedizin an der Berliner Charité. Beschränkt sich das Krankheitsbild auf erhöhte Eiweißwerte im Urin und einen erhöhten Blutdruck (ab 140/90 mmHg), überwacht der Gynäkologe die Schwangere in der Regel engmaschiger. Teilweise verordnet er blutdrucksenkende Mittel.
Eklampsie: Komplikation mit Krampfanfällen
Schwerere Verläufe machen immer einen stationären Aufenthalt erforderlich. "Bei einer Eklampsie etwa treten in der Schwangerschaft, während oder nach der Geburt Krampfanfälle auf, die sowohl für die Schwangere als auch für das Kind lebensbedrohlich werden können", sagt Verlohren. Beispielsweise sind eine Plazentaablösung oder ein Nierenversagen möglich. "In seltenen Fällen steigt der Blutdruck sehr schnell sehr hoch, so dass es bei der Schwangeren zu Durchblutungsstörungen im Gehirn bis hin zum Schlaganfall kommen kann", so Schlembach.
HELLP-Syndrom: Gestörte Leberfunktion
Das HELLP-Syndrom gilt als weitere schwere Komplikation. Hier treten Störungen der Leberfunktion und der Blutgerinnung auf, zum Teil ohne dass der Blutdruck ansteigt. Oberbauchschmerzen sind ein Warnzeichen. "Deshalb sollte jede Schwangere bei Schmerzen im Oberbauch oder hinter dem Brustbein, bei plötzlich auftretenden Schwellungen vor allem im Gesicht, bei sehr rascher Gewichtszunahme oder bei Übelkeit und Erbrechen sofort den Frauenarzt aufsuchen und nicht erst zum Hausarzt gehen."
Klare Prognose mittlerweile möglich
Bisher war es nahezu unmöglich, bei ersten Verdachtssymptomen vorherzusagen, ob sich tatsächlich eine Präeklampsie entwickelt. Nun ließ sich anhand einer internationalen Studie zeigen, dass das Verhältnis bestimmter Eiweiß-Botenstoffe im Blut eine mögliche Gestose zuverlässig ausschließen oder vorhersagen kann. Dabei geht es um einen bestimmten Trennwert. Stefan Verlohren, Senior-Autor der Studie: "Frauen, deren Wert unter 38 liegt, erkranken mit 99,3-prozentiger Sicherheit innerhalb einer Woche nicht an Präeklampsie." Das klingt für Laien nicht spektakulär, bietet den Betroffenen jedoch eine große Entlastung. Sie müssen kurzfristig keine plötzliche Verschlechterung ihres Zustandes fürchten. Statt stationär aufgenommen zu werden, dürfen sie sich zu Hause schonen. Ein auffälliger Wert dagegen kann bei Frauen mit gering ausgeprägten Symptomen ein Anlass sein, sie intensiver zu überwachen.
Frühe Präeklampsie besonders problematisch
Je früher sich Anzeichen einer Präeklampsie zeigen, desto problematischer für Mutter und Kind. Die eigentliche Therapie besteht in der zeitnahen Entbindung und der Entfernung des Mutterkuchens. Erst dann erholt sich das Gefäßsystem der Mutter im Normalfall wieder vollständig. "Das stellt uns bei einer frühen Eklampsie in der 24. Woche vor ein Dilemma: Wie können wir die Schwangerschaft möglichst verlängern, um dem Kind mehr Zeit zur Entwicklung zu geben, ohne Mutter und Kind zu schaden?", so Chefarzt Schlembach. Lässt sich der Blutdruck medikamentös einstellen und droht dem Kind keine Mangelversorgung, werden Schwangere meist intensiv überwacht, um noch einige Wochen zu gewinnen. Hier hilft der neue Bluttest, der noch keine Kassenleistung ist, Ärzte und betroffene Frauen besser auf drohende Komplikationen vorzubereiten.
Neue Behandlungsmethode wird erforscht
Ein neuer Therapieansatz, der derzeit nur in wenigen Zentren und unter strengem Studienprotokoll genutzt wird, ist die sogenannte Blutwäsche. "Dabei wird der problematische Botenstoff, das Eiweiß sFlt-1, gezielt aus dem Blut entfernt", so Verlohren. "Die Methode steckt noch im experimentellen Stadium und kommt momentan wirklich nur in Einzelfällen infrage." Eine schnelle Heilungsmöglichkeit steht also noch nicht zur Verfügung. Bis dahin sollten Frauen aufmerksam für Frühwarnzeichen bleiben und wissen, ob sie zu einer Risikogruppe zählen.
Risikofaktoren kennen
"Gerade junge Erstgebärende sind eher gefährdet, eine Präeklampsie zu entwickeln. Aber auch bei Mehrlingsschwangerschaften oder nach Kinderwunschbehandlungen besteht ein höheres Risiko", sagt Schlembach. Bestehende Autoimmunerkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck oder andere vorangegangene Herz-Kreislauf-Probleme sind für Schwangere ebenfalls ein Grund, den Arzt beim kleinsten Verdacht um Rat zu fragen. Frauen, die bereits eine Präeklampsie erlitten haben, haben bei einer weiteren Schwangerschaft zwar ein leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko, die Beschwerden können aber auch völlig ausbleiben.
Die Warnzeichen
Kopfschmerzen: Sie sind ein Grund, den Blutdruck vom Gynäkologen kontrollieren zu lassen
Wassereinlagerungen: Bei plötzlich auftretenden Schwellungen – vor allem im Gesicht –, bitte sofort zum Frauenarzt!
Hoher Blutdruck: Werte ab 140/90 mmHg sind zu hoch und ein Fall für den Frauenarzt. Er misst den Blutdruck auch bei jeder Vorsorgeuntersuchung
Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen: Bei diesen Symptomen bitte sofort zum Frauenarzt!
Das Baby wächst nicht richtig: Auch das kann auf eine Präeklampsie deuten und wird beim Ultraschall vom Gynäkologen kontrolliert
Eiweiß im Urin: Erhöhte Werte sind ein Symptom der Präeklampsie. Der Arzt kontrolliert den Wert bei jeder Vorsorgeuntersuchung