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Immer leichter, immer ergonomischer - immer teurer: Für den ersten Schulranzen können schnell einmal mehrere Hundert Euro fällig werden. Eltern wollen schließlich nicht, dass sich ihr Kind einen krummen Rücken hebt und lassen sich das gute Gefühl, das Beste für den Nachwuchs zu tun, gerne etwas kosten.

Den Kinderorthopäden Professor Robert Rödl regt der Trend zu kostenintensiven, besonders ergonomischen Rucksäcken auf. "Die Rucksäcke werden immer teurer. Ich finde, das ist vor allem eine unglaubliche Geldmacherei."

Schulweg zu Fuß ist meist kurz

Dabei will der Experte nicht falsch verstanden werden: Es ist nichts gegen leichte und besonders gut an das Kind angepasste Ranzen zu sagen. Nur braucht es den Fokus aus seiner Sicht für die meisten Schülerinnen und Schüler nicht, weil sie häufig nur einen kurzen Schulweg von zehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß mit dem Ranzen auf dem Rücken absolvieren.

Zwischen Belastung und Ergonomie bestehe natürlich ein Zusammenhang, sagt der Mediziner. Je länger das Kind läuft, desto mehr sollte man darauf achten - einfach, damit sich der Rucksack auch nach langer Tragezeit noch bequem auf dem Rücken anfühlt.

"Doch zu behaupten, dass man für zehn Minuten Schulweg einen superergonomischen Rucksack braucht, weil sich sonst die Wirbelsäule verbiegt? Das ist Unsinn", sagt Rödl. "Genauso ist es Unsinn, generell zu behaupten, dass schwere Ranzen Rückenprobleme verursachen."

Es sei nicht schlimm, wenn der Rücken mal etwas belastet wird. "Ich halte es für katastrophal, wenn man immer nur überlegt: "Wie kann sich das Kind noch weniger körperlich fordern?""

Rückenprobleme nicht auf Ranzen schieben

Rödl arbeitet als Chefarzt für Kinderorthopädie am Uniklinikum Münster. In seinem Berufsalltag habe er vor allem Probleme mit Kindern, die sich nicht bewegen und nicht belasten, erzählt er. "Fehlende Bewegungsfreude führt dazu, dass die Muskelmasse fehlt, die letztlich die Wirbelsäule stützt." Doch es sei natürlich einfach, etwa den Ranzen herzunehmen und zu sagen: Schaut her, der ist schwer, da bekommt das Kind einen krummen Rücken.

"Wissen Sie", sagt Rödl, "wenn man die Wirbelsäule umformen will, muss man ein maßgeschneidertes Korsett anlegen, was 23 Stunden am Tag Druck auf den Rücken ausübt. Nur, damit Sie eine Vorstellung bekommen, welche Kräfte es braucht, um eine dauerhafte Verformung zu erreichen."

Mit Blick auf den Schulranzen ist sein simpler Ratschlag: Wenn das Kind in der Lage ist, den Ranzen selbst vom Boden aufzuheben und aufzusetzen, dann ist er nicht zu schwer. Eltern sollten aus seiner Sicht ganz gelassen bei der Auswahl sein.

Zumal man "schwere" Schulranzen ohnehin kaum mehr im Handel findet. Die Frage, ob er 0,8 oder 1,6 Kilogramm im leeren Zustand wiegt, ist laut Rödl nur selten relevant. "Solange das Kind keinen Schulmarsch von einer Stunde hat oder es den Ranzen nicht auch für Wanderausflüge nutzen möchte, braucht man solche Diskussionen nicht zu führen", meint der Vorsitzende der Vereinigung für Kinderorthopädie.

Kein Druck zum "Super-Ranzen" machen lassen

Der Experte hat ausdrücklich nichts gegen ergonomische und kostenintensive Schulranzen. Was ihn aber ärgert ist, dass sich auch viele Eltern, die vergleichsweise wenig Geld zur Verfügung haben, von der Werbung und Gesprächen mit anderen Vätern und Müttern möglicherweise unter Druck gesetzt fühlen, ebenfalls das vermeintliche Ranzen-Topmodell zu kaufen.

"Die wollen wie alle Eltern am Ende das Beste für das Kind", sagt Rödl. Und gehen deshalb am Ende mitunter an die finanzielle Schmerzgrenze. "Das finde ich nicht richtig. Man kann den Ranzen nehmen, der dem Kind gefällt." Auch wenn es nicht der Leichteste und Ergonomischste ist.

Zumal die Halbwertzeit des Ranzens ohnehin begrenzt ist. "Vier, fünf Jahre trägt man ihn", sagt Rödl. Spätestens ab der weiterführenden Schule sei damit eh Schluss. "Da ist das völlig uncool, da trägt keiner mehr einen Ranzen, sondern normale Rucksäcke oder Taschen."

Tipps für den richtigen Sitz

Wie bei allen Rucksäcken gilt auch beim Schulranzen: Je näher das Gewicht am Rücken ist, desto besser. Bücher werden also im Ranzen nah am Rücken verstaut und die Riemen so eingestellt, dass sich der Ranzen eng an den Rücken anschmiegt.

Und man packt eher nach oben, als nach unten: Also zum Beispiel den Sportbeutel lieber oben drauf fixieren, als unten heranhängen. "Je tiefer ich das Gewicht habe, desto stärker sind die Hebelkräfte, die nach hinten ziehen. Das ist kraftraubend", erläutert der Kinderorthopäde Professor Robert Rödl.

Die Wirbelsäule könne axiale Kräfte viel besser verkraften als Biegekräfte, darum trügen Menschen mitunter auch schwere Sachen über lange Strecken auf den Kopf. Ein Beckengurt am Ranzen trägt zusätzlich dazu bei, das Gewicht zu verteilen. Breite Schulter-Trageriemen sorgen für einen bequemen Sitz.