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Augen reiben, Dauergähnen und Quengeln nach dem Mittag­essen: Ganz klar, da ist jemand reif für ein Schläfchen. Bis zum Alter von drei Jahren schlafen mehr als 50 Prozent der Kinder in Mittel- und Westeuropa noch tagsüber. Zwischen drei und sechs Jahren nehmen Regel­mäßigkeit und Dauer des Tages-Nickerchens deutlich ab – und mit Eintritt des Schulalters schlafen mittags noch weniger als zehn Prozent der Kinder, so das Ergebnis welt­­weiter Beobachtungsstudien.

Die einen schlafen mehr, die anderen weniger

Trotzdem gibt es immer auch Ausnahmen, etwa Anderthalbjährige, die von morgens bis abends durch­powern. Oder Siebenjährige, die nach der Schule erst mal eine Stunde schlummern. "Der Mittagsschlaf ist genau wie der Nachtschlaf eine sehr individuelle Angelegenheit", sagt Barbara Schneider, Oberärztin am St.-Marien-­Krankenhaus in Landshut. Sie leitet dort das Zentrum für Neuropädiatrie und Schlafmedizin. "Daher kann man keine konkreten Regeln je nach Alter aufstellen und sollte immer die gesamte Schlafdauer über ­einen Zeitraum von 24 Stunden hinweg betrachten."

Der Schlafrhythmus entwickelt sich

Säuglinge verschlafen in der Regel die ersten Wochen ihres Lebens und wachen etwa alle zwei Stunden auf. In den kurzen Wachphasen möchten sie trinken und etwas beschäftigt werden. Von den geregelten Schlaf- und Wachphasen der Eltern, dem sogenannten zirkadianen Rhythmus, sind sie noch weit entfernt. "Um den sechsten Lebensmonat herum ändert sich das Schlafverhalten eines Kindes meistens. Dann entstehen eine län­gere Nachtschlafphase und zwei oder drei Tagschlafphasen", erklärt die klinische Psychologin Dr. Barbara Schwerdtle, die an der Universität Würzburg zu kindlichen Schlafstörungen forscht.

"Ungefähr ab dem ersten Geburtstag machen Kinder dann häufig tagsüber nur noch einen Mittagsschlaf." Genau wie Erwach­sene spüren auch Kleinkinder das ­typische Nachmittagstief. "Das Zeitfenster zwischen 13 und 15 Uhr hat sich bewährt, um Kinder schlafen zu legen", so Ärztin Barbara Schneider. So sei der Abstand zum Nachtschlaf auch noch groß genug, um das abendliche Einschlafen nicht zu verzögern. "Die meisten Kleinen schlummern dann zwischen 60 und 90 Minuten lang", sagt Schneider.

Mit Ruhe und Entspannung

Ob das Schläfchen bei völliger ­Stille und heruntergelassenen Jalousien, nebenbei in der Kita-Kuschel­ecke oder im heimischen Wohnzimmer auf der Couch stattfindet, ist Typ­sache. "Generell ist es gut, einen festen Schlafplatz einzuplanen", so Psychologin Schwerdtle. "Oft fällt es dem Kind leichter einzuschlafen, wenn sein Gehirn den Schlafort mit Ruhe und Entspannung verknüpft." Vor ­allem wenn es sehr aktiv ist und Angst hat, im Schlaf ­etwas zu ver­passen, hilft ihm eine reizarme Schlafumgebung im abgedunkelten Kinderzimmer oder im Ruheraum der Betreuungsstätte. Es gibt aber auch Kinder, die mitten im größten Trubel problemlos wegdösen.

Körper und Geist arbeiten im Schlaf

Die Siesta am Mittag bietet den Kleinen – und auch den Großen – eine Verschnaufpause. Doch im Off-­Modus arbeiten Körper und Gehirn unbeirrt weiter. "Im Schlaf laufen unzählige Reparatur- und Regenera­­tionsmechanismen ab, zum Beispiel, was Stoffwechselprozesse oder Immunfunktionen betrifft", erklärt Schlafmedizinerin Schneider. "Bei Babys und Kleinkindern liegt der Anteil von Traum- zu Tiefschlaf noch bei etwa 50 zu 50. Durch diese Aufteilung verankern sich die gewaltigen mo­to­rischen Fortschritte der ersten Lebensjahre im Gehirn besonders gut." Später nimmt der Anteil des Tiefschlafs zu, was dem Abspeichern von Faktenwissen, der Ausprägung des sogenannten deklarativen Gedächtnisses dient.

Keinen Druck ausüben

Doch obwohl das Nickerchen wichtige Funktionen erfüllt, sollte man keinen Druck aufbauen, falls Sohn oder Tochter sich der Auszeit verweigern. "Generell entscheiden das individuelle Schlafbedürfnis sowie die Gesamt­­menge und die Qualität des Schlafs darüber, ob Kinder wach, spielfreudig und wissbegierig auf­treten", sagt Barbara ­Schwerdtle. "Wenn ein Kind sich gegen den Mittagsschlaf sträubt, braucht es womöglich keinen. Eltern sollten aber prüfen, ob die angebo­tene Schlafsituation angenehm ist."

Schlafregeln überprüfen

Schwierig finden Eltern oft die Abstimmung mit Kindergarten oder Tagesbetreuung, da es kaum möglich ist, heimische Schlafgewohnheiten exakt auf ein anderes Umfeld zu übertragen. "Suchen Sie auf jeden Fall das Gespräch mit den betreuenden Personen, um gravierende Abweichungen vom gewohnten Schlafmuster zu vermeiden", rät Psycho­login Schwerdtle. Im Austausch zeigt sich erfahrungsgemäß oft, dass das Schlafen außer Haus sogar besser funktioniert und dass Eltern externe Schlafregeln übernehmen können. "Häufig tolerieren Kinder die Unterschiede recht gut, sie wissen ja, dass es bei der Betreuung auch in anderen Bereichen, etwa bei Tagesgestaltung oder Erziehungsregeln, Abweichungen von zu Hause gibt", so Barbara Schwerdtle.

Schlechte Laune ist ganz normal

Wächst das Kind langsam aus dem Mittagsschlaf heraus, sind auf beiden Seiten gute Nerven gefragt. Denn ganz ohne Quengelei und schlechte Laune geht die Übergangszeit normalerweise nicht ab. "Bieten Sie ­ruhig weiterhin Schlaf oder eine Ruhe­phase an. Länger als 30 Minuten würde ich es aber nicht probieren, wenn das Kind dem Ruhebedürfnis absolut nicht mehr nachgeben kann", meint Expertin Schneider. Zum Trost: Die Kleinen schaffen es meist, den Durchhänger samt Stimmungstief schnell zu überwinden. Und: Sie gehen ­ohne den Mittagsschlaf häufig etwas früher ins Bett und kompensieren die tagsüber vielleicht doch fehlende Schlafportion durch ­­einen besonders tiefen Nachtschlaf.

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