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Asche auf mein Haupt, ich habe es nicht anders verdient! Ich ­habe mit dem Schlafverhalten meines Babys geprahlt, und das ist in Mütterkreisen genauso verboten, wie vor Gläschenfütterinnen Breirezepte auszutauschen oder fremde Sandförmchen auf dem Spielplatz einzustecken. Damals, beim ersten Wiedersehen des Geburtsvorbereitungskurses, hatte ich gut erholt in die Runde geflötet: "Merle schläft durch, seit sie zehn Wochen alt ist." Kam nicht gut an.

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Das Buch zur Kolumne

Geschichten über Schwangerschaft und Babyzeit – mit Witz und Charme erzählt von einer jungen Mutter zum Artikel

Kein Interesse an der Waagerechten

Aber Freundinnen, die ihr mich damals mit euren übernäch­tigten, schattenumrandeten Augen böse angeschaut und verflucht habt, seid versöhnt! Ein Jahr und drei Monate später, habe ich längst die ge­rechte Strafe für mein unsensibles Verhalten kassiert. Seitdem Merle stehen kann, vermeidet sie es nämlich konsequent, sich in die Waagerechte zu begeben. Jede Matratzenberührung wird mit Schreiattacken bestraft. Jedes Rückenkraulen und Händchenhalten versteht sie als Aufforderung, wieder aufzustehen. Und jedes Parkettknarzen oder Geschirrspüler­surren stört ihre Einschlafphase aufs Empfindlichste.

Hinlegen ist doch gar nicht schwer – oder?!

"Vielleicht müssen wir sie einfach mal schreien lassen", befand mein Liebster neulich, nachdem er mal wieder anderthalb Stunden vor Merles Gitterbett gesessen und sein selbst gedichtetes Schlaflied in Dauerschleife gesungen hatte. "Das ist pädagogisch total schlecht", antwortete ich. "Was Merle jeden Abend macht, ist auch nicht freundlich", maulte Felix übermüdet. "Woähaaaaaaääääää", heulte Merle. "Psst", zischte ich. "Hinlegen, hinlegen, ist doch gar nicht schwer", summte Felix.

Sich selbst schlafend stellen: Hilft nicht

Wir einigten uns darauf, weiterhin nichts unversucht zu lassen, um Merle von den Vorzügen einer frühen Nachtruhe zu überzeugen. Das sind unsere Erfahrungen: Wir haben den Schlafsack gegen Bettzeug getauscht – hat Merle nicht sonderlich interessiert. Ich habe mich schlafend gestellt – fand Merle lustig, hat sie aber vom Schlafen abgehalten. Ich habe mittels Nachtlicht ein treudoofes Schaf auf einer Wolke an die Decke projiziert – fand Merle blöd. Wir haben einen Leuchtschnuller gekauft – fand Merle noch blöder. Ich habe den Raum verlassen, bevor Merle eingeschlafen ist – fand Merle am allerblödesten.

Was war nochmal so schlimm am Familienbett?

Seit einer Woche schläft Merle bei uns im Bett. Bis auf die ­Tatsache, dass sie nachts mit ihrem Zeigefinger an Felix’ Nasenscheidewand kratzt und ich zwischendurch keine Luft mehr kriege, weil ein ­kleiner Popo auf meinem Gesicht ruht, sind wir einigermaßen erholt. Was mich allerdings etwas umtreibt: Habe ich beim letzten Geburtsvorbereitungskurstreffen wirklich über Familienbetten gelästert? Na, dann gute Nacht!