Logo der Apotheken Umschau

Was ist eine Neugeborenengelbsucht?

Die Neugeborenengelbsucht (Neugeborenenikterus) ist häufig – sie kommt bei etwa drei von fünf Neugeborenen vor. Bei einer Neugeborenengelbsucht sammelt sich der gelbe Gallenfarbstoff Bilirubin im Körper an. Liegt eine bestimmte Menge von Bilirubin im Blut vor, äußert sich das in einer Gelbfärbung von Haut und Schleimhaut.

Bilirubin entsteht beim Abbau roter Blutkörperchen in der Milz und im Knochenmark. Da Bilirubin an sich nicht wasserlöslich  ist, wird es zunächst an ein Bluteiweiß gebunden (Albumin) und über das Blut in die Leber transportiert. Ein bestimmtes Enzym (Glukuronyltransferase) hängt dem Bilirubin einen Zuckerstoff (Glukuronsäure) an. Dadurch verbessert sich seine Löslichkeit in Wasser. Von der Leber aus wird das nun wasserlösliche sogenannte konjugierte Bilirubin mit der Galle in den Darm abgesondert. Ein Teil des Bilirubins wird aus dem Darm wieder in das Blut und in die Leber aufgenommen (enterohepatischer Kreislauf), der Rest wird über den Stuhl ausgeschieden.

Eine Neugeborenengelbsucht wird dadurch ausgelöst, dass entweder große Mengen an Bilirubin im Körper anfallen oder die Aufnahme von Bilirubin in die Leber beziehungsweise seine Weiterverarbeitung zu konjugiertem Bilirubin oder seine Ausscheidung über die Galle gestört sind.

Eine Neugeborenengelbsucht muss nicht krankhaft sein. Oft ist sie Anzeichen eines ganz normalen Prozesses: Nach der Geburt werden im kindlichen Körper sehr viele rote Blutkörperchen abgebaut. Denn roter Blutfarbstoff, der während der Schwangerschaft wichtig war (HbF), wird durch eine andere Sorte Blutfarbstoff ersetzt, den der Säugling jetzt braucht (HbA).

Zwischen dem dritten und fünften Lebenstag erreichen die Bilirubinwerte beim Neugeborenen normalerweise Ihren Höhepunkt. Steigen die Bilirubinwerte nicht über bestimmte Grenzwerte und haben sie sich nach einer Dauer von zehn Tagen bis zwei Wochen wieder normalisiert, handelt es sich um eine normale Neugeborenengelbsucht (physiologischer Neugeborenenikterus), bei der keine Behandlung nötig ist.

Überschreiten die Bilirubinwerte im Blut jedoch bestimmte Grenzwerte kann es gefährlich werden: Bilirubin in größeren Mengen kann das Nervengewebe schädigen. So kann es bei einer Neugeborenengelbsucht mit sehr hohen Bilirubinwerten zu einer Schädigung bestimmter Gehirnbereiche (der Basalganglien) kommen. Mediziner bezeichnen dies als Kernikterus oder Bilirubinenzephalopathie. Eine schwere Neugeborenengelbsucht (Icterus gravis) muss daher behandelt werden. Außerdem gilt es die Ursache für den starken Anstieg der Bilirubinwerte herauszufinden. Bei Bilirubinwerten die nach dem vierzehnten Lebenstag noch erhöht sind (Icterus prolongatus) ist dies ebenfalls nötig: Hier kann zum Beispiel eine Anlagestörung der Gallenwege die Ursache sein. Wenn die Bilirubinwerte des Neugeborenen bereits am ersten Lebenstag sehr hoch ansteigen (Icterus praecox) sollte ebenfalls unbedingt nach der Ursache geforscht werden: Am wahrscheinlichsten ist hier ein vermehrter Abbau roter Blutkörperchen entweder aufgrund einer Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind oder aufgrund einer bestimmten Art angeborener Blutarmut (erbliche hämolytische Anämie).

Stillen kann gelegentlich eine Rolle bei der Entstehung einer Gelbsucht spielen

Stillen kann gelegentlich eine Rolle bei der Entstehung einer Gelbsucht spielen

Ursachen

Für eine Neugeborenengelbsucht gibt es mehrere Ursachen. In den meisten Fällen ist die Gelbsucht bei Säuglingen normal (physiologisch). Der kindliche Körper stellt sich auf die neue Situation außerhalb des Mutterleibs ein. Roter Blutfarbstoff (Hämoglobin), der während der Schwangerschaft wichtig war (HbF), wird durch eine andere Sorte Blutfarbstoff ersetzt, den der Säugling jetzt braucht (HbA). Beim Abbau des Hämoglobins entsteht der gelbe Gallenfarbstoff Bilirubin. Fallen davon größere Mengen an, kann die noch unreife Leber des Neu- oder gar Frühgeborenen diese nicht schnell genug in eine wasserlösliche und damit ausscheidbare Form bringen. Die erhöhte Menge von gelben Gallenfarbstoff im Körper führt zu einer Gelbfärbung von Haut und  Schleimhäuten. Zur Entstehung einer Neugeborenengelbsucht kann es kommen, wenn vermehrt rote Blutkörperchen (Erythrozyten) zugrunde gehen. Eine Ursache für einen vermehrten Abbau von Blutkörperchen nach der Geburt kann eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind sein. Sie tritt in bestimmten Fällen auf, wenn das Kind eine andere Blutgruppe als die Mutter hat (Blutgruppenunverträglichkeit oder Rhesusunverträglichkeit). Auch bestimmte Arten von angeborener Blutarmut (erbliche hämolytische Anämien) können dazuführen, dass vermehrt Blutkörperchen abgebaut werden. Große Blutergüsse nach der Geburt können die Entstehung einer Neugeborenengelbsucht ebenfalls fördern, da das darin enthaltene Hämoglobin verstoffwechselt werden muss.

Durch eine Frühgeburt, bestimmte Medikamente, Stoffwechselstörungen (wie eine Schilddrüsenunterfunktion) oder Anlagestörungen der Gallenwege kann es außerdem dazu kommen, dass die Leber ihrer Aufgabe, Bilirubin in seine wasserlösliche konjugierte Form umzuformen und auszuscheiden nicht ausreichend nachkommen kann. Dann entsteht ebenfalls eine Gelbsucht. Beim Crigler-Naijar-Syndrom fehlt dem Körper das Enzym, das Bilirubin in seine wasserlösliche Form umwandelt. Manche Fälle einer Neugeborenengelbsucht werden durch das Stillen verursacht. Man vermutet, dass die Muttermilch auf irgendeine Weise den Umbau der wasserunlöslichen in die wasserlösliche Bilirubinform behindert. Der sogenannte Muttermilchikterus muss nur dann behandelt werden, wenn die Bilirubinwerte bestimmte Grenzen überschreiten.

Gelbes Gesicht: Symptom eines Neugeborenenikterus

Gelbes Gesicht: Symptom eines Neugeborenenikterus

Symptome

Ab einem bestimmten Bilirubinwert ist eine Neugeborenengelbsucht bereits mit bloßem Auge erkennbar. Besonders deutlich ist die Gelbfärbung an der weißen Augenhaut, der Lederhaut (Sklera), sichtbar, aber auch die Haut – zum Beispiel im Gesicht – ist gelb gefärbt.

Wenn die Bilirubinwerte bestimmte Grenzen nicht überschreiten, ist eine Neugeborenengelbsucht harmlos. Bei zu hohen Mengen an gelbem Gallenfarbstoff im Blut, kann es jedoch zu einer Ablagerung des Bilirubins in bestimmten Gehirnbereichen (Kernikterus) kommen. Eine verminderte Aktivität und Schwäche des Säuglings können erste Anzeichen eines Kernikterus sein. Das Kind ist schläfrig, gähnt häufig und trinkt wenig. Später kann es zu einer erhöhten Muskelspannung mit einem in Form eines Hohlkreuzes durchgestreckterm Rücken (Opisthotonus), schrillem Schreien, Atemnot und Krampfanfällen kommen.

Als langfristige Folge eines Kernikterus können Hör- und Sehstörungen, Bewegungsauffälligkeiten sowie geistige Entwicklungsstörungen auftreten. Bei gesunden, termingerecht geborenen Säuglingen mit einer Neugeborenengelbsucht ist ein Kernikterus sehr selten.

Blutentnahme: Zur Diagnose wird der Bilirubinwert bestimmt

Blutentnahme: Zur Diagnose wird der Bilirubinwert bestimmt

Diagnose

Eine normale Neugeborenengelbsucht beginnt zwischen dem dritten und sechsten Lebenstag und dauert etwa bis zum zehnten bis vierzehnten Lebenstag. Sie gilt als harmlos, sofern die Bilriubinwerte im Blut nicht über einen bestimmten Wert hinaus ansteigen. Eine Kontrolle der Bilirubinwerte durch den Arzt ist daher unbedingt zu empfehlen. Wenn Ihnen die Haut oder die Schleimhäute Ihres Babys gelber als normal vorkommen, suchen Sie daher am besten einen Kinderarzt auf – er kann gegebenenfalls die Blutwerte bestimmen.

Mit einem Multispektralgerät lässt sich der Anteil von farbigem Licht, welches die Haut durchdringen kann, bestimmen. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Bilirubinkonzentration im Blut. Ergeben sich hier erhöhte Werte oder steht eine solche Messmethode nicht zur Verfügung, wird dem Kind Blut abgenommen und dieses dann im Labor untersucht. So kann der genaue Bilirubinwert bestimmt werden. Dabei lässt sich auch zwischen dem löslichen (konjugierten, direkten) und dem unlöslichen (indirekten) Bilirubin unterscheiden. Sind die direkten Bilirubinwerte stark erhöht, ist dies normalerweise ein Hinweis darauf, dass die Ausscheidung des Bilirubins über die Gallenwege aus irgendwelchen Gründen nicht korrekt funktioniert. Dies sollte immer Anlass zu weiteren Untersuchungen der Leber und der Gallenwege, zum Beispiel mit Ultraschall geben.

Bei deutlich erhöhten Werten muss ebenfalls die Ursache abgeklärt werden. Dazu sind weitere Blutuntersuchungen nötig. So wird zum Beispiel eine Blutgruppen-Analyse von Mutter und Kind vorgenommen. Unterscheiden sich die Blutgruppen, so kann es bei bestimmten Kombinationen zu einer Immunreaktion kommen. Hat das Abwehrsystem (Immunsystem) der Mutter das kindliche Blut während der Schwangerschaft als "fremd" erkannt, so lassen sich entsprechende Antikörper auf den kindlichen roten Blutkörperchen nachweisen (direkter Coombs-Test).

Anhand bestimmter Blutwerte lässt sich beispielsweise auch zeigen, ob ein Infekt, eine Leberentzündung, eine Schilddrüsenunterfunktion oder ein Schwangerschaftsdiabetes der Mutter zu der Gelbsucht geführt haben.

Therapie

Überschreiten die Bilirubinwerte bestimmte Grenzen nicht und handelt es sich um eine normale Neugeborenengelbsucht, so ist meist keine Therapie notwendig. Bei gesunden Kindern sind Komplikationen hier sehr unwahrscheinlich. Zur Sicherheit werden jedoch die Bilirubinwerte kontrolliert.

Überschreiten die Bilirubinwerte einen bestimmten Grenzwert, ist eine Behandlung nötig, um einen drohenden Kernikterus  und Gehirnschäden (siehe Abschnitt Symptome) zu vermeiden. Eine Lichttherapie (Phototherapie) regt die Ausscheidung des Bilirubins an. Dazu wird die Haut mit blauem Licht bestrahlt. Der Säugling liegt dazu unter einer speziellen Lampe und / oder auf einer Leuchtmatte. Zum Schutz der empfindlichen Augen erhält er eine Schutzbrille. Das kurzwellige Licht hat eine bestimmte Energie, welche das Bilirubin-Molekül anregt. Es faltet sich zu einer wasserlöslichen Form um und kann nun vom Körper ausgeschieden werden. Eine Phototherapie ist daher nur dann sinnvoll, wenn das indirekte, also schlecht wasserlösliche Bilirubin im Blut erhöht ist.

Als Nebenwirkung der Phototherapie kann es zu einem harmlosen, nicht juckenden Hautausschlag kommen (Exanthem). Auch sollten Neugeborene bei der Phototherapie ausreichend zu trinken erhalten, da sie durch das Schwitzen unter der Lampe einen erhöhten Flüssigkeitsverlust haben.

In schweren Fällen einer Neugeborenengelbsucht mit sehr stark erhöhten Bilirubinwerten ist ein Blutaustausch (Austauschtransfusion) notwendig. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Rhesus-Faktor-Unvertäglichkeit zwischen Mutter und Kind vorliegt. Bei der Austauschtransfusion wird nach und nach kindliches Blut abgenommen und durch passendes Spenderblut ersetzt.

Eine besonders früh einsetzende Neugeborenengelbsucht (Icterus preacox) tritt vor allem bei einer Blutgruppenunverträglichkeit auf. Da es hier meist zum Zerfall relativ vieler roter Blutkörperchen und damit zu einem starken Anstieg der Bilirubinwerte kommt, ist hier praktisch immer eine Behandlung nötig. Eine langanhaltende Neugeborenengelbsucht (Icterus prolongatus) weist eher auf eine Störung der Gallenausscheidung hin.

Sind Frühgeborene von einer Neugeborenengelbsucht betroffen, so ist die Gefahr von Komplikationen größer. Bei ihnen gelangt Bilirubin leichter ins Gehirn, weil ein Übergang aus den Blutgefäßen in das Hirngewebe leichter möglich ist und der Körper weniger in der Lage ist, Bilirubin abzubauen. Um eine Gehirnschädigung (Kernikterus) zu vermeiden, wird bei Frühgeborenen bereits früher zu einer Phototherapie geraten als bei "reifen" und gesunden Neugeborenen.

Zuhause: Ein bisschen gelb kann das Baby dann noch sein

Zuhause: Ein bisschen gelb kann das Baby dann noch sein

Wissenswertes

Mutter und Kind werden oftmals zeitig aus dem Krankenhaus entlassen, auch wenn eine leichte Gelbsucht erkennbar ist. Eltern müssen sich meist keine Sorgen machen: In der Regel bildet sich die Neugeborenengelbsucht von selbst wieder zurück. Bleibt die Gelbfärbung der Haut aber länger als bis zum zehnten bis vierzehnten Lebenstag bestehen oder scheint sie intensiver zu werden, so sollte umgehend der behandelnde Arzt, ein Kinderarzt oder die Hebamme informiert werden. Gegebenenfalls ist am Wochenende eine Notfallambulanz aufzusuchen. Wenn das Kind apathisch wirkt, sich erbricht, krampft oder andere Auffälligkeiten zeigt, ist in jedem Fall sofort ärztliche Hilfe nötig.

Unser Experte: Professor Christian Poets

Unser Experte: Professor Christian Poets

Beratender Experte

Professor Christian Poets ist Kinderarzt und Neonatologe. Er studierte Humanmedizin in Münster und Hannover. Ab 1986 war er als Assistenzarzt an der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) tätig. Von 1989 bis 1991 war er mit einem Ausbildungsstipendium der DFG am National Heart & Lung Institute in London. 1993 erhielt er seine Anerkennung als Facharzt für Pädiatrie. 1994 habilitierter er sich an der MHH, wo er ab dem selben Jahr auch als Oberarzt tätig war. 2002 ging er als Leiter der Abteilung für Neonatologie an das Universitätsklinikum Tübingen. Von 2006 bis 2010 war Professor Poets Vorsitzender der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Von Professor Poets stammen etwa 250 Veröffentlichenungen, vor allem zu den Themen Atemregulation und neonatologische Intensivtherapie.

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.