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Sex nach Zykluskalender, Hormontherapie, künstliche Befruchtung – Paare, bei denen sich der Kinderwunsch nicht erfüllt, versuchen oft über Jahre hinweg alles, damit es mit der Schwangerschaft doch noch klappt. Das ist ganz schön kräftezehrend. Und manchmal bleibt der Schwangerschaftstest trotzdem negativ. Für viele ist eine Adoption dann die letzte Chance auf ihr Familienglück. Doch auch hier sind wieder Geduld und starke Nerven gefragt: Denn der Weg zum Adoptivkind ist langwierig.

Sich die Situation bewusst machen

Bevor sie die Entscheidung für eine Adoption treffen, sollten sich Paare viel Zeit zu zweit nehmen und einige Fragen ehrlich beantworten: Warum wollen wir ein Kind? Ist das adoptierte Kind eine Art Ersatz? Wie würde unser Leben nur zu zweit aussehen? "Die eigene Kinderlosigkeit muss verarbeitet sein", erklärt Claudia Flynn, die für Rechtsfragen der zentralen Adoptionsstelle am Bayerischen Landesjugendamt zuständig ist.

"Denn eine Adoption soll ausschließlich dem Wohl des Kindes dienen", erklärt die Expertin weiter. "Es braucht eine neue Familie, in der es gut aufwachsen kann." Es werden also Eltern für Kinder gesucht und nicht umgekehrt. Dass durch eine Adoption auch der Kinderwunsch von Bewerberpaaren erfüllt wird, sei laut Flynn im Rahmen des Adoptionsrechts nur ein positiver Nebeneffekt. Wenn sich leibliche Eltern an die Adoptionsvermittlungsstelle wenden, werde zunächst geprüft, ob das Kind nicht doch mit Unterstützung von außen bei den Eltern oder auch bei Verwandten bleiben kann. Ist das nicht möglich, wird eine andere Familie gesucht.

Wie läuft die Bewerbung ab?

Paare, die in Deutschland ein Kind adoptieren wollen, müssen zunächst eine Vermittlungsstelle – das Jugendamt am Wohnort der Bewerber oder einen anerkannten freien Träger – kontaktieren und ein Eignungsverfahren absolvieren. Die Fachkräfte überprüfen genau, wer als Adoptiveltern in Frage kommt. So müssen die Partner mindestens 25 beziehungsweise 21 Jahre alt sein. Sie sollten mindestens zwei Jahre verheiratet sein. Zwischen dem Kind und den Eltern sollte zudem ein natürlicher Altersabstand bestehen. Sind die Bewerber schon älter, sinken die Chancen, ein Kind vermittelt zu bekommen. Eine gesetzlich festgelegte Altersgrenze nach oben gibt es jedoch nicht. Daneben sind zahlreiche Dokumente erforderlich, wie Gesundheitszeugnis, Einkommensnachweis, polizeiliches Führungszeugnis, Geburts- und Heiratsurkunde sowie ausführliche Lebensläufe. Während das Eignungsverfahren für Inlandsadoptionen kostenlos ist, werden bei einer geplanten Adoption eines Kindes aus dem Ausland von den Jugendämtern hierfür 1200 Euro veranschlagt. Freie Träger verlangen oft mehr.

Sind wir gute Eltern?

Manche Bewerber zittern vor dem ersten Hausbesuch des Jugendamts: Ist die Wohnung groß genug? Ist sie kindgerecht und ordentlich? Diese Sorgen sind meist unbegründet. "Wichtig ist, dass ein Kinderzimmer da ist", erklärt Flynn. Zwar dürfen die künftigen Adoptiveltern nicht von staatlichen Leistungen leben, doch reich müssen sie auch nicht sein, beruhigt die Expertin. Zeit und Zuwendung sind das Wichtigste für das Kind in der Familie. In Gesprächen ermitteln die Fachkräfte außerdem, ob die Partnerschaft der künftigen Adoptiveltern stabil ist und welche Vorstellung diese von Erziehung haben und ob die Bereitschaft zur Aufklärung des Kindes über die Adoption und seine Herkunft besteht – all das gehört zum Eignungsverfahren. Das Bewerbungsverfahren nimmt einige Monate in Anspruch.

Das Warten beginnt

Wird ein Paar als geeignet befunden, steht einer Adoption eigentlich nichts mehr im Weg. Doch nun beginnt das lange Bangen und Warten. Denn auf ein Kind kommen in Deutschland derzeit rund neun Bewerberpaare. Im Jahr 2017 wurden 3888 Kinder adoptiert, davon hatten 3391 Kinder die deutsche und 497 eine ausländische Staatsbürgerschaft. Bei über 60 Prozent handelte es sich aber um Stiefelternadoptionen, teilt das Statistische Bundesamt mit. "Außerdem gibt es keine Warteliste im klassischen Sinn", erklärt Flynn. "Für jedes Kind werden die am besten passenden Eltern gesucht. Das hat unterschiedliche Wartezeiten zur Folge."

Ein Kind aus einem anderen Land

Möchte ein Paar ein Kind aus dem Ausland adoptieren, gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Fremdadoptionen sind nicht aus allen Ländern möglich. Zudem sollten sich die künftigen Eltern zunächst Gedanken darüber machen, aus welchem Land sie adoptieren wollen und bereit sein, sich diesem Land vertraut zu machen. Sie sollten die Sitten und Bräuche kennen, vielleicht sogar die Sprache sprechen oder Freunde oder Verwandte dort haben, rät Claudia Flynn. Dann kann sich das Paar bei einer Auslandsvermittlungsstelle bewerben. Die Expertin warnt vor Privatadoptionen auf eigene Faust und vor dubiosen Vermittlern im Ausland. Auf der Homepage der Bundeszentralstelle für Auslandsadoption gibt es eine Liste aller Zentralen Adoptionsstellen sowie der staatlich anerkannten Vermittlungsstellen und den Herkunftsstaaten, mit denen sie kooperieren.

Der Bewerbungsweg ist bei einer Auslandsadoption zunächst der gleiche wie in Deutschland: Die meisten Vermittlungsstellen verlangen ein abgeschlossenes Eignungsverfahren beim Jugendamt. Manchmal dauert es weniger lange, bis ein Kind gefunden wird. Je nach Herkunftsland und Einzelfall sind es fünf Monate bis vier Jahre und mehr. Es kann aber nicht garantiert werden, dass es zu einer Adoption kommt.  Die zur Auslandsadoption vorgesehenen Kinder sind meist drei Jahre und älter, weil erst in ihrem Heimatland nach Eltern gesucht wird. Auch die Voraussetzungen, die Eltern erfüllen müssen, sind von Land zu Land unterschiedlich. Aber eine Auslandsadoption ist teuer: Rund 20.000 bis 30.000 Euro kostet sie insgesamt. Neben dem Eignungsverfahren, das bei geplanten Adoptionen aus dem Ausland mindestens 1200 Euro kostet, müssen die Eltern die Vermittlungsgebühr in Deutschland von 800 bis mehrere Tausend Euro zahlen und die Übersetzung, Beglaubigung sowie den Versand der Dokumente. Ein weiterer Kostenfaktor sind die Flüge und der Aufenthalt im Herkunftsland.

Die erste Zeit zu dritt

Kommt dann endlich der langersehnte Anruf mit der Nachricht, dass ein Kind gefunden ist, beginnt das Abenteuer zu dritt. Bei Inlandsadoptionen ist im ersten Jahr Zeit, sich gegenseitig zu beschnuppern und kennenzulernen. Adoptionspflegezeit heißt diese Phase in der Fachsprache. Erst nach einem Jahr bei Säuglingen und entsprechend länger bei älteren Kindern kann das Paar das Kleine adoptieren. Vor diesem Zeitpunkt hat es den Status eines Pflegekindes, es ist immer noch den leiblichen Eltern zugehörig. Bei Auslandsadoptionen ist diese sogenannte "Anbahnungsphase" meist kürzer, je nach Herkunftsland lernen die Eltern das Kind häufig in seiner Heimat während eines Zeitraums von etwa sechs Monaten kennen.

Verschiedene Adoptionsformen

Es gibt drei Arten der Adoption: Die Inkognito-, die halboffene und die offene Adoption. Bei der Inkognito-Adoption hat die Herkunftsfamilie keinerlei Informationen über die Adoptiveltern und umgekehrt. Bei einer halboffenen Adoption können sich Adoptiv- und leibliche Eltern Briefe über das Jugendamt oder die Adoptionsvermittlungsstelle schreiben und bei der offenen Adoption lernen sie sich persönlich kennen.

Endlich eine richtige Familie

Vater, Mutter, Kind – macht eine Familie? Ganz so einfach ist es bei einer Adoption nicht: Die Liebe braucht Zeit zu wachsen. Denn der kleine Mensch ist sehr verletzlich und sensibel, weil er schon den Bruch der Beziehung zu den leiblichen Eltern erfahren hat. "Ein Elternteil sollte möglichst nicht arbeiten und ganz für das Kind da sein", rät Flynn. Bei den ersten Belastungsproben stehen die Mitarbeiter vom Jugendamt oder der jeweiligen Vermittlungsstelle zur Seite. "Wenn Probleme auftauchen, sollten sich Adoptiveltern sofort melden", rät Flynn. Denn dass es Schwierigkeiten geben kann, ist klar: Adoptiveltern müssen nicht besser sein als andere Eltern.