Schädel-Hirn-Trauma: Auf den Kopf gestürzt
Meist geht es glimpflich aus. Doch wenn ein Kind bei einem Unfall auf den Kopf fällt, müssen Eltern richtig reagieren

Nach einem Sturz auf den Kopf untersucht der Arzt auch die Reaktion der Pupillen
Manchmal passiert es schneller, als Elternhände zugreifen können: Das Baby fällt von der Wickelkommode, der Laufanfänger stolpert die Treppe hinab, oder das Kind rutscht vom Klettergerüst. Dann sitzt der Schreck tief, und die Angst vor einer schweren Verletzung ist groß. Hinzu kommt: Je jünger das Kind, umso häufiger ist bei einem Sturz der Kopf betroffen. Bei einer solchen Verletzung spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma.
"90 Prozent aller Kopfverletzungen sind leichte Schädel-Hirn-Traumen", beruhigt jedoch Professor Dr. med. Gerhard Jorch. Der Direktor der Universitätskinderklinik in Magdeburg und Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erklärt: "Insbesondere wenn das Kind auf die Stirn, aufs Gesicht oder den Hinterkopf gefallen ist, ist es meist unproblematisch." Gefahr besteht vor allem, wenn das Kleine aus einer großen Höhe (mehr als zwei Meter), mit hoher Geschwindigkeit oder auf einen harten Untergrund aufschlägt.

Kind nach Unfall gut beobachten
Allerdings lässt sich nicht immer sofort erkennen, ob sich das Kind bei einem Sturz nur eine Beule oder Platzwunde geholt hat oder ob das Gehirn verletzt wurde. Auch eine Verletzung, die von außen harmlos aussieht, kann im Inneren eine Blutung auslösen. Geht es dem Kind augenscheinlich gut, sollten es die Eltern deswegen nach einem Unfall trotzdem sorgfältig beobachten, mindestens zwölf Stunden lang. "Wenn ein Kind in dieser Zeit keine Anzeichen einer Bewusstseinsstörung zeigt, ist eine Hirnverletzung sehr unwahrscheinlich", erklärt Jorch, der die medizinische Leitlinie zum Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter federführend für die DIVI und acht weitere medizinische Fachgesellschaften erstellt hat.
"Reagiert das Kind aber nicht wie sonst, sondern langsamer oder nicht angemessen, liegt eine Bewusstseinseinschränkung vor", so der Mediziner. Typische Warnzeichen sind zum Beispiel auch Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Diese können bis 24 Stunden nach dem Unfall auftreten. Besonders schwer lassen sich Bewusstseinseinschränkungen bei Babys erkennen. "Sind sie verändert, wollen sie zum Beispiel nicht trinken oder plappern sie nicht mehr, können das Hinweise auf ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sein", sagt Jorch. Dann sollten Eltern das Kleine auf jeden Fall vom Arzt untersuchen lassen.
Checkliste: Das können Eltern überprüfen
Oft werden die Kleinen nach einem Unfall müde. "Wenn das Kind einschläft, sollte man es in den ersten sechs Stunden nach dem Sturz stündlich wecken, auch nachts", empfiehlt der Experte. Diese Dinge sollten Eltern dann überprüfen (und zwölf Stunden später erneut):
- Öffnet das Kind die Augen?
- Reagiert es normal?
- Sind beide Pupillen gleich groß?
- Verengen sich die Pupillen unter einem Lichtstrahl, zum Beispiel einer Taschenlampe?
- Kribbeln die Arme und Beine des Kindes oder fühlen sich taub an?
- Hat es Kopfweh oder ist ihm übel?
Kind bewusstlos: Notarzt rufen
Wenn das Kind nach einem Unfall bewusstlos wird, also die Augen geschlossen hat und sie auch bei Anstoßen oder Ansprechen nicht öffnet, müssen Eltern sofort reagieren. "In so einem Fall muss man immer den Notarzt rufen", sagt Kinderarzt Jorch. Eltern müssen dann sofort die 112 wählen. Das gilt auch bei nur kurzer Bewusstlosigkeit. Das Kind muss dann in ein Krankenhaus, damit es untersucht und gezielt behandelt werden kann.
Bei Hirnblutung rechtzeitige Operation wichtig
Eine Hirnblutung kann für den Betroffenen schwere Folgen haben und sogar tödlich sein. Denn die zunehmende Blutmenge drückt auf das Gehirn. Mit einer rechtzeitigen Operation können Neurochirurgen die Blutung stoppen und den Druck von der Schädelhöhle nehmen. Manchmal müssen sie dazu ein Stück Knochen entfernen, das später wieder eingesetzt wird. "Hirnblutungen, die rasch erkannt und intensivmedizinisch versorgt werden, heilen in der Regel gut aus", sagt Jorch. Von den jährlich etwa 70.000 Schädel-Hirn-Traumen bei Kindern und Jugendlichen, enden nur 350 tödlich.
Flüssigkeit aus Nase oder Ohr: Schädelbasisbruch möglich
Fließt klare oder blutig verfärbte Flüssigkeit aus Nase oder Ohr, kann das auf einen Schädelbasisbruch hindeuten. Auch hier gilt: schnell den Notarzt rufen.
Schon nach einem kleinen Unfall brauchen Kinder unbedingt Ruhe. Auf wildes Toben und Rennen sollten sie erst mal verzichten und stattdessen einen Tag mit Schmökern und Kuscheln einlegen.
Alarm-Zeichen
Falls eines dieser Symptome bis 24 Stunden nach einem Kopfsturz auftritt, sollten Eltern den Notarzt rufen:
- Bewusstlosigkeit
- mehrfaches Erbrechen
- starke und zunehmende Kopfschmerzen
- äußere Schädelverletzungen, die über einen kleinen Bluterguss an der Stirn hinausgehen
- auffällige Verhaltens- und Wesensänderungen
- Gefühlsstörungen oder Lähmungen
- Schielen oder andere Auffälligkeiten der Augenstellung