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Manchmal fällt er den Eltern selbst auf, zum Beispiel abends beim Wickeln oder nach einem heftigen Schreianfall. Manchmal entdeckt den kleinen Knubbel in der Leiste aber auch der Kinderarzt oder die Kinderärztin bei der Vor­sorge­untersuchung. "­Einen Leistenbruch sehen wir bei uns in der ­Praxis regelmäßig", sagt Dr. Wiebke Nitsch, Kinderärztin aus Hamburg.

Der Begriff führt dabei in die Irre: Gebrochen ist hier nichts. Der angeborene oder indirekte Leistenbruch bei Kindern hat andere Ursachen als der direkte Leistenbruch bei Erwachsenen. "Er entsteht, wenn die Verbindung sich nicht schließt, die es natürlicherweise beim Ungeborenen vom Bauchraum über die Leiste bis ins Hodensäckchen beziehungsweise bis in die Schamlippen gibt. Normalerweise passiert dies zur oder kurz nach der Geburt", sagt Dr. Andrea Schmedding, Kinderchirurgin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Wenn die Ausstülpung offen geblieben ist, füllt sich diese bei bis zu vier Prozent der Kinder irgendwann mit Gewebe aus dem Bauchraum, oft einem Stück Darm oder – bei Mädchen – einem Eierstock. Manchmal schon im Säuglingsalter, manchmal erst später, wird so der Bruch in der Leistengegend äußerlich sichtbar – und zwar etwas häufiger auf der rechten Seite.

Frühgeborene leiden häufiger an Leistenbrüchen

Bei Jungen kann sich die Schwellung auch bis in den Hodensack ziehen. "Jungen sind insgesamt deutlich häufiger betroffen, vermutlich weil bei ihnen während der Embryonalentwicklung der Hoden aus dem Bauchraum durch den Leistenkanal absteigt und dabei mehr Bauchfell mitnehmen kann", sagt Expertin Andrea Schmedding. "Frühgeborene haben ein höheres Risiko. Zum ­ei­gentlichen Geburtstermin hätte sich das Bauchfell vermutlich oft von selbst verschlossen, aber sie sind ja schon davor zur Welt gekommen."

Eine schmerzlose Schwellung in der Leistengegend ist kein Notfall, sollte aber auf jeden Fall zügig in der kinderärztlichen Praxis untersucht werden. Oft kommt und geht der Knubbel auch, weil sich nur bei Druck Gewebe vorwölbt, in entspanntem Zustand rutscht es dagegen zurück. "Es ist immer gut, wenn Mutter oder Vater ein Handyfoto machen, wenn sie etwas Ungewöhnliches bemerken, um es in der Praxis zu zeigen", rät Andrea Schmedding. Der Kinderarzt oder die Kinderärztin kann leicht auf den Bauch pressen oder grö­ßere Kinder im Stehen den Bauch anspannen lassen, um das Hervorstülpen des Bruches zu provozieren. Schreien Babys, steigt der Druck im Bauchraum oft zusätzlich, und der Knubbel ist besser zu erkennen.

Kinderärztin Nitsch nimmt die Beschreibungen der Eltern stets ernst, auch wenn sie die Schwellung selbst nicht zu Gesicht bekommt – und schickt die Familie zur Abklärung in die Kinderchirurgie. Dort wird die Leiste dann genauer per Ultra­schall untersucht. "Außerdem erkläre ich den Eltern: Wenn Schmerzen auftreten, weil ein Stück Darm eingeklemmt ist, müssen sie sofort in die Notfallambulanz." Denn ein Darmverschluss ist ein gefährlicher Notfall.

Jungen sind von ­einem Leistenbruch häufiger betroffen als Mädchen. Es bildet sich ein Bruch­sack, in den etwa ein Stück Darm rutschen kann. Bei Jungen entsteht der Leistenbruch so: Während der E­m­bryonal­entwicklung wandern die Hoden aus dem Bauch­raum durch den Leisten­kanal in den Ho­densack. Dabei ziehen sie etwas Bauchfell (Innenauskleidung der Bauchhöhle) mit sich. Zur Geburt hin verschließt sich dieses, Bauch­höhle und Hodensack sind dann von­einander getrennt. Geschieht das nicht, kann es zu einem Leistenbruch kommen.

Jungen sind von ­einem Leistenbruch häufiger betroffen als Mädchen. Es bildet sich ein Bruch­sack, in den etwa ein Stück Darm rutschen kann. Bei Jungen entsteht der Leistenbruch so: Während der E­m­bryonal­entwicklung wandern die Hoden aus dem Bauch­raum durch den Leisten­kanal in den Ho­densack. Dabei ziehen sie etwas Bauchfell (Innenauskleidung der Bauchhöhle) mit sich. Zur Geburt hin verschließt sich dieses, Bauch­höhle und Hodensack sind dann von­einander getrennt. Geschieht das nicht, kann es zu einem Leistenbruch kommen.

"Weil das Risiko, dass dieser Notfall eintritt, immer besteht, sollte jeder Leistenbruch operiert werden. Je jünger ein Kind ist, desto schneller", sagt Andrea Schmedding. Anders sieht es beim sogenannten Wasserbruch aus, der bis zu sechs Prozent der neugeborenen Jungen betrifft. Bei diesem ist die nicht verschlossene Öffnung so klein, dass nur Bauchwasser durchtritt und ebenfalls als Schwellung in der Leiste oder im Hodensack sichtbar wird. Meist liegt sie etwas tiefer als beim Leistenbruch; ­eine Ultraschalluntersuchung ermöglicht die eindeutige Unterscheidung. "Beim Wasserbruch kann man ruhig erst mal abwarten: In vier von fünf Fällen schließt er sich von allein", so die Chirurgin. "Die Chance, dass ein echter Leistenbruch von selbst verschwindet, ist praktisch nicht vorhanden. Er muss operiert werden."

Leistenbruch bei Babys: Das passiert bei der Operation

Die Operation, bei der das offen gebliebene Loch vernäht wird, erfolgt von außen über einen kleinen Schnitt in der Leiste oder von innen per Bauchspiegelung. "Beides sind Routineeingriffe", erklärt Schmedding. "Die Gefahr von Komplikationen, wie etwa einer Verletzung des Samenleiters, ist extrem gering. Und wenn die Kinder alt genug sind, kann der Eingriff ambulant erfolgen." Babys im Alter bis zu wenigen Monaten müssen in der Regel eine Nacht in der Klinik bleiben, zur Nachbeobachtung wegen der Narkose. "Tatsächlich macht die den ­Eltern meist mehr Angst als die Diagnose selbst", meint Kinderärztin Nitsch. "Oft höre ich: ‚Leistenbruch kenn ich. Den hatte mein Onkel auch schon‘, aber bei der Nachricht, dass das ­eigene Kind unter Narkose operiert werden muss, rutscht vielen erst mal das Herz in die Hose."

Leistenbruch: Am besten von Kinderchirurgin oder -chirurgen behandeln lassen

Wichtig ist, dass der Eingriff von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt wird, die sich mit Kindern und Säuglingen auskennen. "Ein Leistenbruch bei Erwachsenen ist etwas ganz anderes als bei Kindern", sagt Schmedding. "Kinder­ärzte schicken ihre Patientinnen und Patienten meist zum Kinderchirurgen und auf diese Empfehlung sollte man hören."

Die Naht, die erfahrene Mediziner:innen dann während der OP setzen, ist übrigens nicht weniger stabil, als wenn das Bauchfell auf natürliche Weise verwachsen wäre. "Dass sich noch einmal Gewebe herausdrückt, kommt sehr selten vor. Die Gefahr liegt bei unter einem Prozent", sagt Andrea Schmedding. "Und das Risiko für einen direkten Leistenbruch später im Erwachsenenalter ist exakt gleich im Vergleich zu jemandem ohne angeborenen Leistenbruch." Wer sein Kind nach der OP wieder im Arm hält, kann den kleinen Knubbel in der Leiste also beruhigt wieder vergessen.