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Etwas seltsam fühlt es sich schon an: Wer einem Säugling die Hand sanft auf die Stirn legt und ein Stück nach oben fährt, spürt, wie der harte­ Schädel plötzlich weich wird. Es tut sich eine Art Loch auf, das im Rhythmus des Herzschlags pulsiert. Viele ­Eltern sind fasziniert davon, streichen gerne über diesen als Fontanelle bezeichneten Bereich. Andere erschrecken eher und meiden diese scheinbar so verletzliche Stelle.

"Man muss sich keine Sorgen machen", sagt Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Kinderneurologin und ärztliche Direktorin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen. "Sehr robuste Gewebe­strukturen sorgen dort für einen ausreichenden Schutz des Gehirns." Tatsächlich kann die Fontanelle­ das Gehirn sogar schützen­, etwa wenn ein kleines Kind schwer auf den Kopf fällt und sich eine Hirnblutung zuzieht. "Als Folge steigt der Hirndruck", erklärt Krägeloh-Mann. "Die Fontanelle kann Druck nehmen, indem sie sich nach außen wölbt."

Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann ist ärztliche Direktorin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen

Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann ist ärztliche Direktorin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen

Gibt es nur eine Fontanelle?

Zwar fällt Eltern oft nur die Fontanelle oberhalb der Stirn auf. Es gibt aber – zumindest anfangs – sechs Fontanellen (siehe Info­grafik). "Bei Neugeborenen und Säuglingen ist die Schädeldecke nicht durchgehend verknöchert wie bei älteren Kindern und Erwachsenen. Anfangs besteht sie noch aus fünf Platten, die erst langsam zusammen­wachsen", sagt Inge­borg Krägeloh-Mann. An den Stellen, an denen mindestens drei Platten aufeinanderstoßen, bilden ­deren Fugen kleinere und größere ­Lücken – die Fontanellen.

Was ist ihre Funktion?

Dass Babys nicht mit einer bereits vollständig geschlossenen Schädeldecke zur Welt kommen, hat gleich zwei Vorteile: Weil sich die einzelnen Schädelplatten noch verschieben lassen, gelangt das Kind zum einen leichter durch den Geburtskanal der Mutter (oft ist deshalb auch von "Knautschzone" die ­Rede). Zum anderen wird die Hirnentwicklung bei Säuglingen und Kleinkindern durch sie erst möglich. "In den ersten zwei Lebensjahren wächst das Gehirn am stärksten. Wäre der Schädel schon geschlossen, wäre dieses Wachstum nicht möglich", sagt Inge­borg Krägeloh-Mann.

Die Fontanellen: Kommt ein Baby auf die Welt, besteht sein Schädel noch aus fünf Platten, die sich verschieben lassen und zwischen denen Fugen bestehen. Treffen mehrere Fugen aufeinander, ­bilden sich Lücken – die Fonta­nellen. Insgesamt gibt es davon sechs Stück. Eltern fühlen vor allem die vordere große Fontanelle.

Die Fontanellen: Kommt ein Baby auf die Welt, besteht sein Schädel noch aus fünf Platten, die sich verschieben lassen und zwischen denen Fugen bestehen. Treffen mehrere Fugen aufeinander, ­bilden sich Lücken – die Fonta­nellen. Insgesamt gibt es davon sechs Stück. Eltern fühlen vor allem die vordere große Fontanelle.

Wann verwachsen sie?

In der Regel ist die Schädeldecke­ mit etwa zwei Jahren so weit verwachsen, dass Eltern sie nicht mehr erspüren. Zuerst verschwinden die seitlichen Fontanellen, dann die hintere kleine Fontanelle und zum Schluss die große Fontanelle oberhalb der Stirn. "Wann diese­ nicht mehr tastbar ist, kann von Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein", erklärt Krägeloh-Mann. "Bei den meisten Kindern verschließt sie sich aber zwischen dem neunten und 18. ­Lebensmonat."

Davor ist die "große Fonta­nelle" für Mediziner übrigens ­eine Art Fenster zum Gehirn. Sie lässt relativ­ unkompliziert Ultraschalluntersuchungen zu: "Durch die große Fontanelle können Ärzte mit dem Ultraschall ein Bild des Gehirns erstellen. Damit lassen sich krankhafte Veränderungen relativ einfach erkennen, wie erweiterte  Gehirnkammern, Tumore, Blutungen oder zum Beispiel Fehlbildungen", betont die Tübinger Expertin für Neuropädiatrie. 

Sagt ihre Größe etwas aus?

Diese Frage hört Ingeborg Krägeloh-Mann häufig von Eltern, die sich Sorgen machen, weil die Fontanelle ihres Kindes ihrer Meinung nach zu klein oder zu groß ist. "Die Größe allein ist aber nicht entscheidend", sagt die Medizinerin. "Sie muss immer im Zusammenhang mit dem Kopfwachstum gesehen werden." Nimmt der Kopfumfang zum Beispiel kaum zu und ist auch die Fontanelle nur noch wenig ausgeprägt, kann das ein Hinweis auf eine­ ungünstige Hirnentwicklung sein. Deshalb messen Kinderärzte bei U-Untersuchungen auch immer den Kopfumfang, tragen ihn in die Wachstumskurven im gelben Heft ein und tasten die Fontanelle ab.

Was, wenn sie sich wölbt?

"Wölbt sich die Fontanelle eines Kindes nach außen, kann das ein Hinweis auf zwei große Krankheitsbilder sein: die Entwicklung eines Hydrocephalus, eines Wasserkopfes, oder einer Hirnhautentzündung", sagt die Expertin. Bei Frühgeborenen, die unter Hirnhautverklebun­gen leiden, kann die Hirnflüssigkeit nicht ablaufen, sodass sich ein sogenannter Wasserkopf ent­­wickelt und der Hirndruck steigt. Die Fonta­nelle wölbt sich nach vorne.

Gleiches kann bei einer Hirnhautentzündung passieren. "Leidet ein Säugling unter starkem Fieber und ist gleichzeitig die Fonta­nelle nach vorne gewölbt, sollte daran gedacht werden", sagt Krägeloh-Mann. Einfallen könne sie hingegen bei Kindern, die durch Erbrechen und Durchfall zu stark an Flüssigkeit verlieren. Stellen Eltern Veränderungen an der Fontanelle fest, sollten sie in jedem Fall zum Arzt.

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