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Ein ganz normaler, furchtbarer Familientag beginnt so: schon um sieben Uhr morgens ein Wortgefecht mit dem Töchterlein darüber, ob an einem kalten Herbsttag die neonpinke Strumpfhose zum kurzärmeligen Kleid passt. Derweil verbrennen die Aufbackbrötchen im Ofen zu schwarzen Briketts. Nun bricht Hektik aus – in die Kita und ins Büro schafft man es gerade so. Ohne Frühstück, ohne Kaffee. Mit nassen Haaren, weil der Föhn auch mal wieder nicht zu finden war.

Eltern leben Kindern Stress vor

Ein Leben mit hängender Zunge, gedanklich immer einen Schritt vor oder drei hinter der nächsten Herausforderung: "Das leben viele Eltern ihren Kindern vor", sagt Daniela Stoye, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche aus Taunusstein. Sie hat viel Mitgefühl mit gestressten Vätern und Müttern. Die Doppelbelastung Familie und Arbeit, zu wenig Zeit, alles unter einen Hut zu bringen, und manchmal auch noch Geldsorgen: "Das Leben für Familien ist heute oft hart", sagt die Psychotherapeutin. Zugleich weiß sie, wie sehr sich die meisten Eltern wünschen und darum bemühen, dass ihre Kinder ohne das Gefühl aufwachsen, ständig am Limit zu sein.

Daniela Stoye ist Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeutin aus Taunusstein

Daniela Stoye ist Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeutin aus Taunusstein

Manche Kinder sind gestresst

Doch deutsche Kinder sind gestresst, ergaben zahlreiche Studien, etwa eine des Kinderschutzbundes. Ein Viertel der Grundschüler leiden, so die Befragung von 5000 Kindern, bereits unter zu viel Druck in der Schule und daheim. Die Anforderungen der Umwelt quälen nicht nur Schüler, es trifft sogar schon jüngere Kinder. Forscher der Universität Leipzig haben einen gesamten Kindergartenjahrgang auf Angst und Depressionssymptome hin untersucht. Zwölf Prozent der Kleinen zeigten erhöhte Anzeichen von Ängstlichkeit und depressiver Verstimmtheit.

Druck ist noch kein Stress

Das klingt nach einer katastrophalen Bilanz. Aber was heißt Stress genau? "Häufig verwechseln wir Druck und Stress", erklärt Daniela Stoye. Natürlich ist eine Klassenarbeit keinem Grundschüler angenehm. Aber man muss unterscheiden – zwischen dem Gefühl, restlos überfordert, also wirklich gestresst zu sein, und der Aufgeregtheit, die einen zu Höchstleistungen anspornt. "Im Grunde benutzen wir den Begriff Stress heute inflationär", sagt Psychotherapeutin Stoye.

So lernen Kinder den richtigen Umgang mit Stress

Damit Kinder lernen, mit Anforderungen gut umzugehen, müssen wir dringend umdenken.

Schritt eins:

"Eltern dürfen von Kindern nicht alle Belastungen fernhalten", warnt Stoye. Es sei wichtig, dass Kinder auch anstrengende, fordernde Situationen bewältigen: sich trotz Jammern durch einen Berg von Hausarbeiten quälen, aufräumen, obwohl man keine Lust dazu hat, selbst einen Streit mit einem Freund beilegen und dies nicht die Eltern regeln lassen: "Ein Leben ohne Belastungen gibt es nicht", so Stoye. "Wichtig ist aber das Gefühl, dass man mit Problemen fertig werden kann."

Schritt zwei:

Wie man Stress bewältigt und wie man ihn bewertet, lernen Kinder von den Großen. Deshalb lohnt es sich, sich selbst zu beobachten. Ein Stress-Tagebuch kann Aufschluss darüber geben, was einen Tag für Tag wirklich überfordert. Dazu sollte man die unangenehmen Situationen und die damit verbundenen Gefühle notieren und analysieren – aber auch, was einem geholfen hat, sie zu verarbeiten.

Schritt drei:

Den richtigen Ausgleich finden. Entspannungsübungen sind dabei kein Allheilmittel. "Manche Kinder reagieren auf Methoden wie progressive Muskelentspannung und Fantasiereisen sehr positiv", so Stoye. Aber mit Stress geht eben jeder anders um – und manche profitieren eher davon, sich ordentlich beim Sport auszutoben und so Druck abzubauen. Am besten lernen Kinder und Eltern deshalb verschiedene Methoden kennen, die ihnen helfen, mit belastenden Situationen umzugehen: Musik hören, sich gezielt austoben, Sport treiben, eine Geschichte vorgelesen bekommen. Oder einfach mal eine Runde kuscheln.

Tipps: Das beugt Stress bei Kindern vor