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Einen "musikalischen Hinterkopf" sollten Babys haben, sagte meine Oma immer und meinte damit einen schön gewölbten Schädel. Doch hätte sie die Babyzeit meiner Töchter noch erlebt, wäre sie enttäuscht worden: Die Kopfform beider Mädchen fiel wenig musikalisch aus, der Hinterkopf präsentierte sich platt und sogar einseitig schief.

"Keine Seltenheit", ver­sichert Dr. Tilmann Schweitzer, Oberarzt der Abteilung Pädia­trische Neurochirurgie des Universitätsklinikums Würzburg. "Wir sehen eine deut­liche Zunahme lagebedingter kindlicher Kopfverformungen seit den 1990er-Jahren. Damals begann man zu empfehlen, Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen, um das Risiko des plötz­lichen Kinds­tods zu verringern." Heute habe fast jedes zweite Kind zumindest eine milde Form der Abflachung des Hinterkopfes. Und je häufiger und länger ein Säugling auf dem Rücken liegt, desto mehr übt der Untergrund Druck auf den weichen Schädel aus.

Kopf von Babys ist noch weich und formbar

Die Natur hat es schlau eingerichtet, dass der Kopf eines Babys noch flexibel und formbar ist: "Könnten sich die einzelnen Knochenplatten des Schädels nicht verschieben, würde der Kopf nicht durch den Geburtskanal passen", erklärt Tilmann Schweitzer. "Außerdem müssen die Schädelknochen mit dem Gehirn mitwachsen, dessen Volumen sich allein in den ersten sechs Lebensmonaten verdoppelt." Sogenannte Suturen und Fontanellen, das sind bindegewebige Spalten und Lücken, sorgen dafür, dass sich der Schädel noch verformen kann. Die Fontanelle verschließt sich nach dem ersten Lebensjahr, die Nähte bleiben bis ins dritte Lebensjahrzehnt offen.

Direkt nach der Geburt sehen viele Köpfchen nicht ganz symmetrisch aus. "Gerade wenn Saugglocke oder Zange zum Einsatz kamen und wenn das Kind nicht ohne Blockaden durch den Geburtskanal gelangte, sehen wir häufig leichte Verformungen am Schädel", berichtet Andrea Hagen-­Herpay, beratende Hebamme vom Deutschen Hebammenverband in Berlin. Diese geburtsbedingten Asymmetrien verlieren sich in der Regel nach wenigen Wochen wieder.

Einseitige Belastung vermeiden

Sieht der Babykopf auch nach Monaten noch platt oder schief aus, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine lagebedingte Deformation. Neben der Rückenlage, die weiterhin uneingeschränkt empfehlenswert ist, gibt es weitere Ursachen: "Manche Kinder haben eine Lieblingsseite, wollen etwa vom Kinderbett aus immer zum Fenster schauen. Dann kann einseitig am Hinterkopf eine platte Stelle entstehen", so Schweitzer. Teilweise ist auch die Nackenmuskulatur verkürzt oder verspannt, was das Drehen des Kopfes erschwert.

Um eine einseitige Belastung zu verhindern, variieren Eltern am besten öfter die Liegeposition des Babys. "Legen Sie das Kind, wenn es wach und satt ist, mehrmals täglich unter Aufsicht auf den Bauch. Für das Baby ist das anstrengend. Daher genügen anfangs ein, zwei Minuten. Wird das Kleine kräftiger, kann man die Dauer steigern", empfiehlt die Hebamme. Halten Sie das Kleine ein wenig bei Laune, etwa mit Seifenblasen, einer Rassel oder Bällen. Gutes Training: Legen Sie es bäuchlings auf Ihren Bauch. Das Baby wird versuchen, Sie anzuschauen, und so die Rücken- und Nackenmuskeln kräftigen. Tragen Sie Ihr Kind auch regelmäßig im Fliegergriff, im Tuch oder in der Babytrage. Ebenso wichtig wie die Lage zu wechseln findet Tilmann Schweitzer, das Baby von beiden Seiten anzusprechen. Er empfiehlt: mal von rechts, mal von links füttern oder Spielzeug reichen. Wenn möglich, kann auch das Bett umgestellt werden, um so den Lichteinfall zu variieren, oder man legt das Kind mal mit dem Kopf Richtung Fußende. Bevorzugt es weiterhin deutlich eine Seite oder Position, beziehen Eltern zeitnah den Kinderarzt ein. "Vielleicht be­steht eine Blockade im Rücken oder Nacken, die man physiotherapeutisch behandeln muss", sagt Andrea Hagen-Herpay.

Bei starker Verformung kann der Arzt behandeln

Die Verformung bleibt trotz Lageveränderungen zu Hause und Physio­­therapie? Dann wird bei starker Ausprägung auch das Anpassen einer Helmorthese in Betracht gezogen. "Dabei wird ein Helm hergestellt, der dem kindlichen Kopf an den flachen Stellen Platz zum Wachsen lässt", erklärt Schweitzer. "Er übt also keinen Druck aus, sondern bietet Freiräume und wird alle paar Wochen neu geschliffen, bis sich der Hinterkopf harmonisiert hat." Die tägliche Tragedauer liegt bei 23 Stunden, nach vier bis sechs Monaten ist die Behandlung abgeschlossen, die Erfolgsquote beträgt über 90 Prozent.

Viele Ausprägungen des flachen Schädels brauchen allerdings keine Behandlung, sie verwachsen, wenn das Kind mobiler wird. In diesem Fall sind Krankenkassen nicht verpflichtet, die Kosten einer Helmtherapie zu übernehmen, da lagebedingte Schädelasymmetrien keinen Krankheitswert haben. Anders bei sehr auffälligen Verformungen. Hier wird der Arzt genauere Untersuchungen anordnen, etwa einen Ultraschall. "In seltenen Fällen liegt eine vorzeitige Verknöcherung der Schädelnähte vor, die unter Umständen sogar operativ behandelt werden muss, um die Hirnentwicklung nicht zu gefährden", sagt Schweitzer.