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"Ra – di – us – kopf – sub – lu – xa – tion" – puh, ein komplizierter und langer Begriff für eine häufige Verletzung jüngerer Kinder, die leider schnell geschehen ist. Etwa beim Hochziehen eines kleinen Wüterichs vom Boden oder beim abrupten Packen am Unterarm des übermütigen Nachwuchses, der ungebremst Richtung Hauptstraße flitzt. Dabei rutscht ein Teil des Ellenbogengelenks, der Radiuskopf, teilweise heraus. Das nennt man Subluxation. "Das kann passieren, wenn ein plötzlicher Zug am gestreckten Arm entsteht, etwa weil das an der Hand laufende Kind stolpert", erklärt Kinder- und Jugendärztin Dr. Iris Eckhardt aus Nürnberg.

Es ist in dem Moment nicht auf das Ziehen am Arm vorbereitet und baut ­keine Muskelspannung auf. Das begünstigt die Verletzung. Auch beim beliebten "Engelchen flieg"-Spiel kann es dazu kommen. Das ist jedoch weniger typisch, weil die Kinder eben wissen, was passiert, und unwillkürlich ihre Muskeln anspannen. Obwohl bei dem Thema öfter vom Radiusköpfchen die Rede ist, lautet die korrekte Bezeichnung übrigens Radiuskopf.

"Wir sehen diese Verletzung am häufigsten bei Kindern zwischen zwei und vier Jahren, danach nur noch sehr selten", sagt Professor Dr. Peter Schmittenbecher, Kinderchirurg und Chef­arzt des Städtischen Klinikums in Karlsruhe. Der Grund: Der Ellenbogen ist in diesem Alter noch nicht sehr stabil. Bei einem unvorbereiteten Ruck am Arm kann der Ra­dius­kopf verrutschen. Das ist leider genauso unangenehm, wie es klingt. "Die Kinder halten den Arm dann in einer charakteris­tischen Schonhaltung häufig leicht gebeugt vor dem Körper mit den Handinnenflächen nach hinten und vermeiden es, ihn zu bewegen", beschreibt Eckhardt.

Radiusköpchen: Einrenkung ohne Narkose

Nach einer im Western Journal of Emergency Medicine veröffentlichten US-Studie sind Mädchen mit 60 Prozent ­etwas häufiger betroffen als Jungen. Ebenso erwischt es zu 60 Prozent eher den linken als den rechten Arm. Vermutlich, weil mehr Mütter und Väter mit der rechten Hand nach der linken des Kindes greifen.

Auf den ersten Blick wirkt die Verletzung dramatisch, aber sie lässt sich mit ärztlicher Hilfe schnell wieder beheben. "Der Speichen­kopf muss durch eine bestimmte dynamische Bewegung – ein Zug am Unterarm bei gleich­zeitiger Drehung und Beugung im Ellenbogen – in seine richtige Position im Ringband zurückgebracht werden", erklärt der Kinderchirurg. Die Prozedur dauert nur wenige Sekunden. Sie ist nicht angenehm, tut aber nicht sehr weh und wird daher ohne Betäubung oder Narkose ausgeführt.

Das Kind sitzt dabei auf dem Schoß von Mama oder Papa. Nach der Einrenkung kann das Kind seinen Arm in der Regel sofort wieder vollständig schmerzfrei bewegen. "Bei der typischen Radiuskopfsubluxation ist eine Operation nie notwendig", so der Experte. Eltern sollten nie versuchen, selbst Hand anzulegen – dieser Griff gehört von Fachleuten in der Kinderklinik ausgeführt. Überhaupt gilt grundsätzlich, wenn es bei Kindern zu Beschwerden in der Ellen­bogenregion kommt: nicht auf Verdacht abwarten, sondern immer gleich Kinderarzt oder -ärztin aufsuchen. Das erspart den Kleinen unnötige Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit. Außerdem kann manchmal eine andere Ursache hinter den Symptomen stecken. Etwa, wenn das Kind zusätzlich auf den Arm gestürzt ist. "Dann würde man ein Röntgenbild machen, um einen Knochenbruch auszuschließen", sagt Eckhardt.

Sehr selten wird der Radiuskopf so ausgerenkt, dass es schwieriger ist, ihn wieder an Ort und Stelle zu bringen. Eventuell wird dann das Einrenk-Manöver mit Narkose versucht. Wenn der Radiuskopf nicht in seine Position zurückgebracht werden kann, kommt der Arm zuerst für zwei bis vier Tage in eine Oberarmgipsschiene, um ihn ruhig zu stellen. Durch die Entspannung findet der Radiuskopf manchmal von selbst wieder an seinen Platz. Schlägt dieser Therapieansatz sowie ein weiterer Versuch der manuellen Einrenkung fehl, wird in extrem seltenen Fällen gegebenenfalls operiert.

Das Ellenbogengelenk: Am Ende der Speiche befindet sich das Radiusköpfchen. Es wird vom Ringband gehalten

Das Ellenbogengelenk: Am Ende der Speiche befindet sich das Radiusköpfchen. Es wird vom Ringband gehalten

Das Kind besser am Oberkörper halten

So manche Familie fürchtet, dass sich das schmerzhafte Missgeschick wiederholen ­könnte. Die Wahrscheinlichkeit eines nochmaligen Auftretens wird in der Fachliteratur mit bis zu 40 Prozent angegeben. Peter Schmittenbecher allerdings erlebt mehrmalige Radiuskopfsubluxationen in der Klinik deutlich seltener: "Einige wenige Kinder kommen wiederholt mit der Symptomatik, aber sicher nicht mehr als zwei bis drei Prozent." Das Kleine muss seinen Arm auch nicht schonen. Die beste Vorbeugung: das Kind nicht plötzlich am Arm ziehen. Stattdessen es besser mit beiden Händen um den Oberkörper fassen und so heben. Weil laut der genannten Studie eher übergewichtige und inaktive Kinder betroffen sind, tragen eventuell auch ein gesundes Körpergewicht und regelmäßige Bewegung zum Schutz vor der Verletzung bei.

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