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Zusammenfassung:

  • Jedes zehnte Kind unter drei Jahren ist von frühkindlicher Karies betroffen
  • Zuckerhaltige Getränke aus der Saugflasche sind die Hauptursache
  • Löcher in den Zähnen können starke Schmerzen verursachen, bei massiver Zahnzerstörung können auch Fieber und lebensgefährliche Abszesse auftreten
  • Karies im Milchzahngebiss erhöht das Risiko für Karies an den bleibenden Zähnen um ein Vielfaches – außerdem drohen kieferorthopädische Probleme sowie Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen
  • Ja nach Ausmaß behandelt der Kinderzahnarzt entsprechend, teilweise sind auch Betäubungen nötig

Noch nie stand es um die Zahngesundheit der Deutschen besser als heute. Um rund 90 Prozent sind die Kariesfälle bei den Zwölfjährigen in den letzten 20 Jahren zurückgegangen. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit sogar an einer Spitzenposition, was die Zahnqualität von Kindern und Jugendlichen angeht.

Eine Entwicklung bereitet Zahnmedizinern dagegen zunehmend Sorge: Die sogenannte frühkindliche Karies, die bei Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr auftritt. "Jedes zehnte Kind unter drei ist mittlerweile von dieser Nuckelflaschenkaries betroffen", sagt die Münchner Kinderzahnärztin Dr. med. dent. Jacqueline Esch. Aber warum ist das so? Was können Eltern tun? Und können Zahnärzte Kleinkinder schon behandeln? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie entsteht Karies?

Zucker ist schlecht für die Zähne. Das lernt jedes Kind. Problematisch sind aber vor allem bestimmte Bakterien im Mund, die die Zuckerbestandteile zu schädlichen Säuren zersetzen. "Sie greifen den Zahn an und lösen Mineralien aus der äußersten Schicht, dem Zahnschmelz, heraus", erklärt Esch. Zwar werden durch den Speichel immer wieder neue Mineralien in den Schmelz eingebaut: Besteht zwischen diesen beiden Vorgängen aber ein Ungleichgewicht zugunsten des Abbaus, entstehen zunächst Verfärbungen und kreidige Flächen auf den Zähnen. Unbehandelt gräbt sich Karies immer tiefer in den Zahn. Auf Dauer verschwindet der Zahnschmelz, das darunterliegende Zahnbein und der Nerv werden geschädigt. Sie können sich im Gegensatz zur äußersten Schicht nicht selbst regenerieren. Die Folge: schmerzhafte Löcher.

So entwickelt sich Karies:

Ab wann kommt Karies bei Kindern vor?

"Grundsätzlich ist ab dem ersten Zahn Karies möglich", warnt Esch. Ursache Nummer eins bei Babys: Zuckerhaltige Getränke aus der Saugflasche. "Durch das ständige Nuckeln am Fläschchen werden die Zähne dauerhaft mit Zucker umspült", erklärt die Expertin. Der Zahnschmelz habe keine Zeit mehr, sich zu regenerieren. Zum Vergleich: 30 bis 60 Minuten dauert ein Säureangriff auf die Zähne, drei bis vier Stunden braucht der Zahnschmelz, um die verlorenen Bestandteile wieder aufzunehmen.

Besonders gefährdet bei Kleinkindern sind die oberen beiden Frontzähne. Sie kommen durch die Sauger besonders intensiv mit den Getränken in Kontakt. Und: "Im Bereich dieser Schneidezähne befinden sich keine Speicheldrüsen. Die schützende Wirkung des Speichels fehlt dort", sagt die Kinderzahnärztin. Sind die ersten Zähne bereits löchrig, ist es häufig nur eine Frage der Zeit, bis sich die Karies auf die restlichen Zähne ausbreitet. In kaputten Zähnen siedeln nämlich besonders viele Bakterien, die für die Entstehung von Karies verantwortlich sind. "Es kommt durchaus vor, dass von 20 Milchzähnen 18 kariös sind", so Esch.

Dr. Jacqueline Esch, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Kinderzahnärzte Deutschlands

Dr. Jacqueline Esch, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Kinderzahnärzte Deutschlands

Wieso ist es wichtig, schon Milchzähne zu behandeln?

Löcher in den Zähnen können starke Schmerzen verursachen. Das ist bei Milchzähnen nicht anders als bei den bleibenden. "Die frühkindliche Karies ist eine schwerwiegende Gesundheitsstörung", sagt Esch. Als Folge einer massiven Zahnzerstörung können sogar Fieber und lebensgefährliche Abszesse auftreten.

Und auch wenn die ersten Zähne sowieso wieder ausfallen: "Kinder mit einem kariösen Milchzahngebiss haben ein vielfach höheres Risiko, an den bleibenden Zähnen Karies zu bekommen", erklärt Esch. Ist der Zahn so zerstört, dass die Zahnkrone wegbricht, kann das außerdem Schwierigkeiten beim Sprechen und Essen machen. Auch kieferorthopädische Probleme können auftreten – vor allem dann, wenn die Milchbackenzähne früh verloren gehen. Sie dienen nämlich als Platzhalter für die nachfolgenden bleibenden Zähne.

Wie behandeln Zahnärzte Karies?

"Ist nur der äußere Zahnschmelz betroffen, reicht es häufig aus, die Stelle mit einem hochkonzentrierten Fluoridlack zu behandeln", sagt Jacqueline Esch. Er schützt den Schmelz vor Säureangriffen und unterstützt seinen Wiederaufbau. Bei Löchern, die bis ins Zahnbein reichen, ist dagegen fast immer eine Behandlung mit dem Bohrer notwendig. "Die kariösen Bestandteile werden entfernt, bis nur noch gesunde Zahnsubstanz übrig ist", erklärt die Expertin. Das entstandene Loch wird mit einer Füllung wieder verschlossen.

Ist die Karies so weit fortgeschritten, dass der Zahnnerv entzündet ist, kann eine Milchzahnnervbehandlung nötig sein. "Dabei wird nur der erkrankte Teil des Nervs aus der Zahnkrone entfernt", so Esch. Danach wird der Zahn mit einer Milchzahnkrone versorgt, einer Art Überzug, der über den behandelten Zahn gestülpt wird. Kronen kommen auch zum Einsatz, wenn Milchbacken oder -schneidezähne so stark zerstört sind, dass eine Füllung nicht mehr halten kann. Gehen die Backenzähne verloren, etwa weil sie gezogen werden müssen, bauen Zahnärzte oft einen Platzhalter ein, der Raum für die nachfolgenden bleibenden Zähne lässt.

Wie läuft die Betäubung bei Kindern ab?

Esch behandelt das Zahnfleisch zunächst mit einem betäubenden Gel, "der Zahnmarmelade", damit die Spritze, "das Schlafwasser für die Zähne", schmerzfrei verabreicht werden kann. Zusätzlich beruhigend kann ein hypnotisches Sprachmuster wirken. "Das ist am besten bei etwas älteren Kindern, etwa ab dem Vorschulalter, möglich", so Esch. Viele Kinder beruhigt sie mit einem Lachgas-Sauerstoff-Gemisch, das Kinder über eine Nasenmaske einatmen. "Es wirkt tiefenentspannend, erzeugt Glücksgefühle und wirkt schmerzstillend", sagt Esch. Wichtig: Es handelt sich nicht um eine Narkose. "Die Kinder sind die ganze Zeit bei Bewusstsein, und die Wirkung lässt sofort nach, wenn die Maske abgesetzt wird", erklärt sie. Alternativ können Kleine mit Medikamenten beruhigt werden. "Bei sehr kleinen Kindern oder sehr großem Behandlungsbedarf ist schon mal eine Vollnarkose nötig", so Esch. Sie wird immer von einem Kinderanästhesisten durchgeführt.

Wie können Eltern bei Kindern vorbeugen?

Schon die ersten Zähnchen sollten morgens und abends gereinigt werden. Ab dem sechsten Lebensmonat empfiehlt Esch, die Zähne zweimal täglich zu putzen. "Einmal am Tag mit einer altersgerecht dosierten Fluoridzahnpasta, das andere Mal mit einer fluoridfreien Zahncreme." Ab dem zweiten Geburtstag wird zweimal täglich mit der fluoridierten Kinderzahnpasta geputzt. Süße Getränke gehören nicht in die Saugflasche, aber auch ständiges Umspülen mit Wasser schädigt den Zahnschmelz. "Kinder sollten früh lernen, aus dem Glas zu trinken und sich nicht ans Nuckeln gewöhnen", rät Esch. Sie empfiehlt Eltern zudem, einen Termin beim Kinderzahnarzt zu vereinbaren, wenn die ersten Milchzähne da sind. "Im Babyalter wird der Grundstein für gesunde Zähne gelegt", sagt sie. Die Krankenkassen bezahlen zwischen dem sechsten und dem 34. Lebensmonat drei Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt sowie das Auftragen von Flouridlack zweimal im Kalenderhalbjahr. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten sechsten Lebensjahr werden ebenfalls drei Früherkennungsuntersuchungen bezahlt, ein Anspruch auf Flouridierung besteht bei hohem Kariesrisiko.

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