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Die ersten Lebensmonate eines Säuglings sind eine aufregende Zeit für frisch gebackene Eltern. In zahlreichen Arztbesuchen wird ein Katalog an Untersuchungen und Vorsorgeangeboten abgearbeitet. Eltern beschäftigt die Sorge: Hat mein Kind alles, was es braucht? Ist es gut geschützt? Welche Impfungen braucht es dafür?

Zur Standardversorgung gehören Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Diphtherie, Kinderlähmung, Haemophilus influenzae B, Hepatitis B und Meningokokken C. Seit Januar 2024 gibt es darüber hinaus auch eine offizielle Empfehlung für die Impfung gegen Meningokokken B[1].

Warum sind Meningokokken Typ B gefährlich?

Meningokokken sind Bakterien, die vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern zu Erkrankungen wie einer Mittelohr- oder Lungenentzündung, aber auch zu schwerwiegenderen Infektionen wie Hirnhautentzündungen oder Blutvergiftungen führen können. Eine Ansteckung erfolgt durch Tröpfchen von Mensch zu Mensch. Derzeit sind zwölf verschiedene Meningokokken-Gruppen bekannt. Bei den schwerwiegenden Infektionen ist der Meningokokken-Typ B der häufigste in Deutschland: In etwa 60 Prozent der Fälle gehören verantwortliche Erreger zu diesem Typ. Insgesamt sind solch schwere Meningokokken-Infektionen aber selten: Etwa 200 Fälle pro Jahr werden in Deutschland gemeldet.

Wie äußert sich eine Hirnhautentzündung?

Die Symptome einer Hirnhautentzündung durch Meningokokken sind in den ersten Stunden kaum von anderen Erkrankungen zu unterscheiden: Fieber, Reizbarkeit, Benommenheit und Nahrungsverweigerung gehören dazu, aber auch eine verstopfte Nase und Erbrechen. Nach wenigen Stunden kommen dann häufig eine Veränderung der Hautfarbe – zum Beispiel kann sie sich röten – und Durchfall dazu. Schließlich können Lichtempfindlichkeit, eine vorgewölbte Fontanelle oben am Kopf oder Krämpfe auftreten.

„Wenn die Kinder anfangen berührungsempfindlich zu werden, jammern und den Kopf leicht in den Nacken nehmen, sich ein bisschen überstrecken, vielleicht auch übergeben, sind das immer Warnhinweise“, beschreibt Kinder- und Jugendärztin Dr. Tanja Brunnert aus Göttingen. Das Kind sollte dann unverzüglich ärztlich behandelt werden.

In solchen Fällen hat der Erreger häufig schon die Hirnhäute infiziert und eine Hirnhautentzündung ausgelöst. Das Problem laut Tanja Brunnert: „Der Weg von ‚Dem Kind geht’s schlecht und es wird krank‘ und ‚es verschlechtert sich dramatisch‘ ist einfach sehr kurz“.

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Wie wird eine Hirnhautentzündung behandelt?

Behandeln lässt sich die Infektion mit Antibiotika. Doch besser ist es, mit einer Impfung vorzubeugen. Bereits seit 2006 empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) für Kinder die Impfung gegen Meningokokken Typ C. Das hat Wirkung gezeigt: Der Anteil der Meningokokken-C-Erkrankungen ist vor allem bei Kleinkindern zurückgegangen. Laut dem Auswertungs-Tool SurvStat@RKI des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden 2006 insgesamt 137 invasive Meningokokken-C-Erkrankungen gemeldet, 2019 waren es nur noch 27.

Eine Impfung gegen Meningokokken Typ B gibt es seit 2013. Die Stiko empfahl sie bislang nur Risikogruppen, wie Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten oder Reisende in Länder, in denen Meningokokken-Erkrankungen häufiger sind als bei uns. Die allgemeine Impf-Empfehlung besteht nun seit Januar 2024.

Dr. Tanja Brunnert ist Pädiaterin aus Göttingen und stellvertretende Bundessprecherin im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte

Dr. Tanja Brunnert ist Pädiaterin aus Göttingen und stellvertretende Bundessprecherin im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte

Warum empfiehlt die Stiko die Impfung erst jetzt?

Stiko-Empfehlungen sind Vorschläge, die von einer Gruppe unabhängiger Fachleute getätigt werden. Empfiehlt die Stiko eine Impfung für eine bestimmte Personengruppe, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen üblicherweise die Kosten, wenn sich diese Menschen dann impfen lassen. Es gibt mehrere Gründe, warum eine allgemeine Impf-Empfehlung gegen Meningokokken B erst jetzt erfolgt ist:

  • Eine Meningokokken-B-Infektion ist insgesamt eine seltene Erkrankung in Deutschland: Obwohl der Erreger der häufigste Meningokokken-Typ hierzulande ist, ist die Anzahl der Infektionen pro Jahr gering und derzeit sogar rückläufig. In den fünf Jahren vor der Corona-Pandemie erkrankten laut RKI jährlich etwa 3,5 von 100 000 Säuglingen.
  • Die wissenschaftlichen Daten zur Meningokokken-B-Impfung waren bislang unvollständig: In Großbritannien werden seit 2015 durch die Einführung eines nationalen Impfprogrammes alle Säuglinge gegen Meningokokken B geimpft. Die Daten umfassten bisher aber nur den Schutz durch die ersten beiden Impfungen im Alter von zwei und vier Monaten. Daten etwa zur Langzeitwirksamkeit standen noch aus. Darüber hinaus war unklar, ob die Daten auch auf Deutschland übertragen werden können, da sich die in beiden Ländern vorkommenden Meningokokken-B-Stämme unterscheiden. Zwischenzeitlich sind zu diesen offenen Punkten weitere wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlicht worden.
  • Herdenschutz fraglich: Es war bisher noch nicht geklärt, ob und wie der Impfstoff dafür eingesetzt werden kann, einen Herdenschutz zu erzeugen. Herdenschutz bedeutet, dass durch die Impfung der Mehrheit einer Personengruppe die Übertragung und Ansteckung von nicht geimpften Personen verringert wird. Mittlerweile wurde festgestellt, dass die Impfung nicht vor einer symptomlosen Besiedlung der Nasen-Rachen-Schleimhaut mit Meningokokken schützt. Das heißt, ein Herdenschutz ist nicht zu erwarten.

Was spricht für eine Meningokokken-B-Impfung?

Auch wenn die Meningokokken-B-Infektion in Deutschland selten ist, ist sie eine ernst zu nehmende Erkrankung, die selbst bei bestmöglicher Therapie mit Folgeschäden wie Hörstörungen oder Gedächtnisproblemen einhergehen kann. Davon betroffen ist jeder Fünfte bis Zehnte mit einer schweren Meningokokken-Infektion. In seltensten Fällen kann die Infektion auch soweit fortgeschritten sein, dass es zu einer schweren Blutvergiftung mit Blutgerinnungsstörungen kommt, die tödlich enden kann.

Die allgemeine Sterblichkeit bei einer Meningokokken-B-Erkrankung liegt dem RKI zufolge in Deutschland bei etwa acht Prozent. Von 2015 bis 2019 seien in Deutschland insgesamt 59 Todesfälle berichtet worden – die meisten Todesfälle traten bei Säuglingen und Kleinkindern auf. PD Dr. Henriette Rudolph, Kinderärztin und pädiatrische Infektiologin befürwortet die Impfung: „Möchte man sein Kind optimal gegen diese zwar seltene, aber sehr schwerwiegende Erkrankung schützen, so sollte man die Impfungen gegen B-Meningokokken durchführen.“

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In welchem Alter sollte die Meningokokken-B-Impfung erfolgen?

Da schwere Meningokokken-Infektionen gerade bei jüngeren Kindern vorkommen, sollte die Meningokokken-B-Impfung möglichst früh, ab dem Alter von zwei Monaten, erfolgen. Für die Grundimmunisierung erhalten Kinder drei Impfdosen im Alter von zwei, vier und zwölf Monaten. Für Kleinkinder sieht die Empfehlung bis zum fünften Geburtstag eine Nachholimpfung vor. Die Impfung kann sowohl einzeln als auch zusammen mit anderen Impfungen verabreicht werden.

Hat die Impfung Nebenwirkungen?

Einige Eltern machen sich Sorgen, dass das Kind schwere Nebenwirkungen durch die Impfungen erleidet. Henriette Rudolph klärt auf: „Bei der Impfung gegen Meningokokken B kommt es häufiger zu hohem Fieber und Reizbarkeit. Auch Magen-Darm-Beschwerden, wie Durchfall, treten etwas häufiger auf.“ Der Körper reagiert auf den Impfstoff. „Dies sind aber alles Beschwerden, die man mit gängigen Mitteln lindern kann“, so Rudolph.

Zur Fiebersenkung oder Linderung der Beschwerden solle vor allem Paracetamol benutzt werden, da es in Studien untersucht wurde und die Impfantwort nicht stört. Vor allem bei gleichzeitiger Impfung mit dem sechsfach- und dem Pneumokokkenimpfstoff treten laut Studien häufiger schmerzhafte, fieberhafte Reaktionen auf. Die Stiko empfiehlt daher, vorbeugend Zäpfchen mit 75 mg Paracetamol bei oder kurz nach der Impfung zu geben.

Nebenwirkungen, die die Kinder erfahren, sind Folgen der Immunreaktion des Körpers und können bei jedem Menschen individuell ausfallen. „Insgesamt sind diese Nebenwirkungen etwas stärker ausgeprägt als beispielsweise bei der Sechsfach-Impfung, die in einem ähnlichen Alter verabreicht wird“, sagt Henriette Rudolph. „Angesichts der Schwere einer Meningokokken-Erkrankung sind diese Nebenwirkungen auf jeden Fall vertretbar.“


Quellen:

  • [1] Robert Koch-Insitut: Epidemiologisches Bulletin 3/2024. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 22.01.2024)
  • Robert-Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Meningokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 13.02.2023)
  • Celine Müller: Meningokokken B auf dem Vormarsch?. deutsche.apotheker-zeitung.de: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 15.02.2023)
  • Robert-Koch-Institut: Aktualisierte Stellungnahme der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI). Epidemiologisches Bulletin: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 22.02.2023)
  • Kinderaerzte-im-netz.de: Übersicht Kostenübernahme der Meningokokken-B-Impfung. Online: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/... (Abgerufen am 27.02.2023)