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Alltäglich sind sie zwar nicht. "Aber Herzgeräusche stellen ein häufiges Symptom dar und kommen bei einigen Vorsorge­untersuchungen vor", sagt Kinderarzt Dr. ­Torsten Spranger aus Bremen. Pro Quartal nimmt der Mediziner 25 bis 30 Säuglinge in seiner Praxis auf – und hört bei durchschnittlich fünf der kleinen Patienten Geräusche zwischen den Herztönen. Dann also, wenn eigent­lich Ruhe sein sollte.

Auffälliges Geräusch? Nur wenige Babys haben einen Herzfehler

Eltern reagieren auf diese ­Diagnose verständlicherweise besorgt. Dass das eigene Kind an einem Herzfehler leiden könnte, ist für sie eine Horrorvorstellung. "Bevor ich überhaupt erwähne, dass es etwas Auffälliges gibt, schicke ich deshalb voraus, dass Geräusche in fast allen Fällen harmlos sind", sagt Spranger und verweist auf eine Statistik des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Der spricht von 70 Prozent der Kinder, bei denen während der Wachstums­phase Herzgeräusche auftreten können.

Dr. Torsten Spranger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Bremen

Dr. Torsten Spranger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Bremen

An einem Herzfehler leidet aber nur ein Prozent der kleinen Patien­ten. "Dieser Wert ist stabil und seit Jahrzehnten dokumentiert", sagt auch Professor Nikolaus Haas, Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der LMU München. "Aber auch ein Prozent ist recht viel", meint Torsten Spranger, der daher davor warnt, Herzgeräusche zu leicht zu nehmen. Er schickt seine Patienten häufig noch zu einem Kinderkardiologen: "Wenn man ein Geräusch bei der U3, ­also in den ersten Lebenswochen hört, und der Klangcharakter nicht eindeutig ist, zieht man immer einen Kardiologen hinzu", erklärt der Bremer.

Herzgeräusche: Der Kardiologe verschafft Gewissheit

Immerhin würden nur 50 Prozent der angeborenen Herzfehler bereits im Mutterleib diag­nostiziert. "Auch wenn es später, wenn die Kinder älter sind, nur ­einen Deut Unsicherheit gibt, geht es zum Kardiologen", so Spranger. Der höre das Kind noch einmal ab, messe den Blutdruck, die Sauerstoffsättigung und mache im Zweifel noch einen Herzultraschall: "Das alles ist nicht schlimm, und das Kind wird auch keiner Strahlenbelastung ausgesetzt."

Prof. Dr. med. Nikolaus Haas ist Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der LMU München

Prof. Dr. med. Nikolaus Haas ist Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der LMU München

Den Kinderärzten gibt der Gang zum Kardiologen Sicherheit. Denn um abschätzen zu können, ob es sich um ein harmloses Geräusch handelt, braucht es viel Erfahrung. Schließlich existieren viele unterschiedliche: Die Kinder­kardiologie teilt Geräusche nach ihrem zeitlichen Auftreten (vor oder nach dem Zusammenziehen oder dem Erschlaffen des Herzens), ihrer ­Dauer, ­ihrem Klangcharakter und der Stelle ein, an der sie gehört werden. "Geübte Kinderärzte können einschätzen, wann sie harmlos sind und wann nicht", meint Niko­laus Haas.

Bei Kindern hört der Arzt öfter Geräusche

Aber woher kommen die harmlosen Geräusche? "Das sind meis­tens Blutströ­­mungs­geräusche­", erklärt der Kinderkardio­loge. "Bei manchen wissen wir nicht ­genau, woher sie kommen. Die nennen wir akzidentell, also zufällig entstanden. Und dann gibt es Geräusche, die sich funktionell erklären lassen, weil Blut durch Gefäße strömt, im Herzen umgeleitet und dadurch auch beschleunigt wird."

Normalerweise sei dies nicht zu hören, allerdings schlage das Herz bei Kindern schneller als bei Erwachsenen und sei zudem noch kleiner. "Es ist logisch: Wenn Blut schnell durch ein dünneres Gefäß fließt, höre ich eher etwas, als wenn Blut langsamer durch ein dickeres Gefäß fließt", erklärt Niko­laus Haas. Zudem würden Kinder häufiger unter Infekten leiden, die das Herz noch schneller schlagen ließen. Und schließlich: "Wie oft sind Sie beim Arzt und lassen sich abhören – und wie oft Ihr Kind?", fragt der Kardio­loge. Was er meint: Je öfter man abhört, desto eher hört man Ungewöhnliches.

Herzfehler nicht immer gefährlich

Selbst wenn ein Herzfehler festgestellt wird, müssen Eltern nicht gleich das Schlimmste befürchten. Solange das Kind gesund wirkt, also keine zusätzlichen Symp­tome wie Müdigkeit, ein schlechtes Wachstum, Kurzatmigkeit oder blau unterlaufene Lippen (Sauerstoffmangel) zeigt, sind viele Herzfehler nicht besorgniserregend. "Es kommt nicht selten vor, dass das Kind ein Loch in der Herzscheidewand hat, ­also zwischen der linken und rechten Kammer. Das wächst oft von selbst zu und macht keine Probleme", sagt Kinderarzt Tors­ten Spranger.

Das entspricht auch der Erfahrung von Nikolaus Haas: "30 bis 40 Prozent der Kinder mit Herzfehler haben diesen so­­genannten Ventrikelseptum­defekt. Und in vielen Fällen davon handelt es sich wiederum um ein kleines Loch, das zwar viel Radau macht, aber unproblematisch ist." Wichtig sei es trotzdem, dass Geräusche vom Arzt gut beobachtet und untersucht würden, damit in ernsten Fällen rechtzeitig behandelt werden könne.

Überbleibsel aus dem Mutterleib: Ductus arteriosus

Bei der dritten und vierten Vorsorgeuntersuchung wird zudem manchmal ein spezieller Herzfehler festgestellt. Er zeugt noch von dem Kunststück, das der menschliche Körper bei der Geburt vollbringt: von der Umstellung des Herz-Kreislauf-Systems (siehe Grafiken unten). Und die läuft in diesem Fall nicht vollständig ab. So besteht bei sieben bis acht Prozent der Kinder mit Herzfehler der sogenannte Ductus arteriosus fort, eine Art Kurzschluss zwischen Körper- und Lungenschlagader. "Das ist ein Überbleibsel aus der Zeit im Mutterleib, in der der Embryo durch die Nabelschnur Sauer­stoff von der Mutter bekommt. Seine Lunge ist deshalb noch nicht belüftet", erklärt Nikolaus Haas.

Der Ductus mache es möglich, dass der Blutfluss die ­Lunge umgehe. "Anders wäre es unökonomisch", sagt Haas. Sobald die Kinder auf die Welt kommen und anfangen zu atmen, verschließt sich der Ductus und verwächst – normalerweise. Manchmal, insbesondere bei Frühchen, verschließt sich der Ductus aber nicht richtig, sodass auch nach der Geburt noch Blut direkt von der Körper- in die Lungenschlagader fließt. "Das hört man auch an einem typischen Geräusch, das wir als sogenanntes Maschinengeräusch be­zeichnen", erklärt Haas.

Behandlung medikamentös oder mittels Herzkatheter

Ob bei Kindern mit diesem Herzfehler Symptome auftreten, hänge von der Größe der Öffnung ab. "Aber normalerweise gehen damit nur milde Probleme einher", sagt Haas. Bei Frühchen sammle sich manchmal etwas Wasser in der Lunge, weshalb sie öfter müde und kurzatmig seien. Ältere Kinder hingegen hätten oft kaum Beschwerden.

Behandelt werden kann der Ductus bei Frühchen häufig übrigens rein medikamentös: "Die Muskulatur wird dadurch angeregt, oft zieht er sich dann zusammen – und das Problem ist gelöst." Wenn das nicht wirkt, die Öffnung aber auch keine Probleme bereitet, wird häufig sogar bis zum zweiten Geburtstag abgewartet: "Wenn der Ductus dann immer noch da und hörbar ist, wird er mittels eines Herzkatheters zugemacht", sagt Haas.

Das Herz-Kreislauf-System vor und nach der Geburt

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