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Will ich das überhaupt? Wer Christoph Lippok fragt, was er werdenden Vätern für die Zeit im Kreißsaal mit auf den Weg geben würde, hört als Erstes diese Frage. "Die Tatsache, dass heutzutage fast alle Väter bei der Geburt dabei sind, hat zu einer gewissen Erwartungshaltung geführt", sagt er. Als zertifizierter Väterbegleiter gibt Lippok Geburtsvorbereitungskurse für Männer und spürt den Druck, der auf manchen lastet.

"Die Väter sollten immer die Wahl haben", meint auch Hebamme ­Katja Heß, die im Hebammenkreißsaal des Klinikums Stuttgart arbeitet. Sie weiß: Der schlechteste Begleiter ist derjenige,­ der am liebsten gar nicht da wäre. Gleichzeitig gebe es auch Frauen, die statt ihres Partners lieber die Mutter, die beste Freundin oder eine ­Doula an ihrer Seite hätten.
Geht der Vater mit zur Geburt, helfen diese Tipps:

Sich schlaumachen

Vorbereitungskurse liefern die ­Basis dafür, ein guter Begleiter sein zu können. Wer sich mit der Geburt und ­deren Verlauf auskennt, gerät weniger unter Stress. "Das Wissen ist für Männer der Schlüssel. Es macht das Unkalkulierbare etwas kalkulierbarer, das Abstrakte ein wenig konkreter", sagt Katja Heß.

Gut, wenn Mann auch Fragen loswerden kann, vor allem die, die er am liebsten nicht mit seiner Frau bespricht. Am besten klappt das in reinen Männerkursen, wie sie Chris­toph Lippok anbietet. ­Eine Alter­native sind Paarkurse, bei denen Männer und Frauen viel Zeit in separaten Gruppen verbringen.

Vorbereitet sein

Nicht nur die Frau braucht eine Klinik­tasche, sondern auch der Mann. Mit Getränken, etwas zu essen, Zahn­bürste, Wechselkleidung, aufgeladener Kamera und Kleingeld für den Snack-Automaten. Taschen so positionieren, dass man sie nicht vergisst! Und: den Weg ins Krankenhaus vorher abfahren!

Präsent sein

Eine Geburt dauert lange, ist anstrengend, schmerzhaft, es gibt Hochs und Tiefs. Der Mann kann sie der Frau nicht abnehmen, selbst wenn er wollte. "Er kann aber mitfühlen, ihr beistehen und sich um sie kümmern", sagt Heb­­amme Katja Heß. Darauf achten,­ dass die Frau genügend trinkt. ­Schauen, dass sie mindestens alle­ zwei Stunden auf die Toilette geht. Etwas zu essen­ anbieten. Massieren, streicheln. "Dabei werden nachweislich Hormone ausgeschüttet, die entspannen und Schmerzen lindern", erklärt Heß. Viele Frauen mögen unter der Entbindung Kreuzbein- und leichte Berührungsmassagen. In Kursen wird gezeigt, wie es geht. Und: Die Hand halten oder sich zum Festhalten anbieten, das hilft vielen Gebärenden. 

Kommunizieren, Fragen stellen

Der Mann ist Mittler, derjenige, der seine Frau kennt und weiß, wie sie sich die Geburt vorgestellt hat – etwa was die Gebärposition angeht. Kann sie das nicht mehr selbst sagen, sollte er das tun. Und: dem Personal Fragen stellen! Wie weit ist die Geburt vorangeschritten, was passiert gerade, warum macht der Arzt oder die Hebamme dieses oder jenes? Das gibt Sicherheit.

Entspannt bleiben und vertrauen

Nachfragen sind also gut. Es darf nur nicht so wirken, als fehle es an Vertrauen gegenüber den Geburtshelfern. "Das überträgt sich auf die Frau – und sorgt für das Gegenteil von Entspannung, die für die Geburt enorm wichtig ist", erkärt Katja Heß. Dasselbe gilt für Stress: Der Mann sollte Ruhe ausstrahlen, Zuversicht. Studien zufolge beeinflusst dies auch das Schmerzempfinden der Frau. Was nicht heißt, dass der Mann den Starken geben muss. Wird’s einem zu viel, hilft es, an die frische Luft zu gehen, einen Kaffee zu trinken. "Wir sagen den Männern, dass sie jederzeit den Kreißsaal verlassen können", so die Hebamme. "Der Frau nützt es wenig, wenn er ein Nervenbündel ist oder sich Sorgen macht."

Flexibel sein

"Es ist gut, einen Plan für und eine Vorstellung von der Geburt zu haben", sagt Christoph Lippok. "Aber man sollte sich auch darauf einstellen, dass vieles anders kommt." Gemeint sind damit nicht nur mögliche Komplikationen, die etwa ­einen Kaiserschnitt erfordern. Sondern auch Kleinig­keiten: Plötzlich ­möchte die Frau nicht angefasst werden. Statt Nähe will sie Dis­tanz, schreit, schimpft. Da heißt es: aushalten, bei ihr bleiben.

Mann muss nicht alles sehen

Am besten reden Paare vor der Geburt darüber, wo er während der Entbindung steht, was er sehen will und darf und was nicht. "Für viele ist es schwierig, wenn der Bereich, den man mit Sexualität verbindet, eine ganz andere Bedeutung bekommt", erkärt Katja Heß. Am besten positioniert er sich hinter oder neben ihr.

Einmal abnabeln, bitte!

Etwas Überwindung kostet es schon, die Nabelschnur zwischen Mutter und Kind zu durchtrennen. "Trotzdem empfehle ich es jedem Vater. Viele, die es nicht tun, bereuen es später", sagt Heß. Das Geburts­team klemmt die Schnur an der richtigen Stelle ab und zeigt, wo zu schneiden ist. Kann nichts schiefgehen!

Schön kuscheln

In der Regel gehört die erste Stunde­ nach der Geburt der Mutter. ­Direkt nach der Entbindung kommt das Kind auf ihre nackte Brust und wird die ersten Male angelegt. "Viel Körper­kontakt ist wichtig", sagt ­Katja Heß. Danach darf auch ­Papa mal und macht dafür am besten den Ober­körper frei. Sollte es bei der Mutter etwa Probleme mit der Nachgeburt geben und sie in den OP müssen, ist er auch schon früher gefragt.

Erste Pflege

Vom Kreißsaal geht es für die Mutter meist auf Station – für Kind und ­Vater oft zur Kinderkrankenschwes­ter. Die misst das Baby, wiegt es und stattet es mit einem Namensschild aus. Zudem bekommt das Neuge­borene das erste Mal Vitamin K. Der Vater kann mithelfen – und Fotos machen!

Ab nach Hause

Nach drei, vier Tagen können Mutter und Kind in der Regel nach ­Hause. Dann ist der Mann am Zug: Er schmeißt den Haushalt und sorgt für Ruhe. Das heißt auch: Besuch höflich abwimmeln. Außer er bringt Essen mit – und bleibt nur kurz.