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Für junge Mütter gilt fast immer die Faustformel: Wer neun Monate schwanger ist, braucht neun Monate, bis er wieder richtig in Form ist. Der Beckenboden hat Enormes geleistet, die ­ganze Statik hat sich verändert, deshalb heißt es jetzt zunächst mal: piano. Das bedeutet allerdings nicht, dass ­junge Mütter erst nach neun Monaten wieder Sport machen dürfen.

"Wer das Rückbildungstraining abgeschlossen hat, kann mit Walken, Schwimmen oder Radfahren beginnen. Am besten mit ­einer Sportart, die man bereits vor der Schwangerschaft betrieben hat und die einem Spaß macht", rät Sportpsychologin Marion Sulprizio, Leiterin des Arbeitskreises Sport und Schwangerschaft an der Sporthochschule Köln.

Beckenboden nicht zu sehr beanspruchen

Wichtig in der ers­ten Phase: beckenbodenschonenden Sport wählen. "High-Impact-Ausdauersport wie Joggen, bei dem ­beide Füße den Boden verlassen, ist nur ­etwas für eine geübte Läuferin, die bereits ­ihren Beckenboden halten kann", sagt die Expertin. "Eine Profi­sportlerin wie etwa die Biathletin Darja Domratschewa, die vier Monate nach der Geburt ihres Kindes eine Medaille holt, ist die absolute Ausnahme."

Wer weniger athletisch ist, sollte die Erschütterungen auf den Becken­boden möglichst gering halten. Die Hebamme kann helfen zu prüfen, ob der Beckenboden wieder belastbar ist. "Viele überschätzen sich und erreichen damit das genaue Gegenteil: Es kann zu einer Blasenschwäche und im schlimms­ten Fall zu einer Senkung der ­Blase oder Gebärmutter kommen", sagt Sulprizio.

Wie viel Sport ist gut, wenn man nach der Rückbildung aktiv werden möchte?

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt allen gesunden Menschen 150 bis 300 Minuten Sport pro Woche – daran können sich Mütter nach der Rückbildung orientieren. Um wieder in Schwung zu kommen, sollte man auch im Alltag auf viel Bewegung achten: Treppen steigen, Rad fahren­, mit dem Baby spazieren gehen. "Frauen, die Gewichtsprobleme haben oder sich noch nicht so fit fühlen, rate ich, ­beim Sport eine Pulsuhr zu tragen, dann sehen sie, wenn der Puls nach oben schießt und sie langsamer machen sollten", sagt Marion Sulprizio. Auch ein Activity Tracker kann motivierend wirken, da er ­jede Bewegung registriert.

Wer gern in Gesellschaft Sport macht, kann Buggy-Fit-Kurse belegen. Hier läuft man in flottem Tempo mit anderen Müttern um den Block oder im Park. Erst wenn ein Kind selbstständig sitzen kann, darf es in einem Jogger mitfahren. Der Kinderwagen muss außerdem dafür zertifiziert sein. Anhänger mit einer guten Federung und ­einer Hängematte, in der das Baby liegt, sind nach vier Monaten geeignet.

Manche Fitnessstudios bieten Yoga oder Pilates für Mütter an. Hier liegt das Baby neben ihnen auf einer Decke, während sie ihren Körper kräftigen. Eine Alternative sind ­Kurse, wie etwa Kanga-Training, bei denen das Kleine als ­­Gewicht mitturnt.

Gibt es Risiko-Sportarten, die man meiden sollte?

"Eigentlich nicht. Nur von hartem Boxtraining, Judo oder Sporttechniken, bei denen man geworfen oder gestoßen wird, rate ich in den ersten neun Monaten nach der Geburt ab­", sagt die Sportpsychologin. Wichtig bei den meisten Sportarten ist ein gut stützender Sport-BH, der die Brust vor starker Erschütterung und Reibung schützt.

Und Reiten?

Wer reitet, darf auch das wieder machen. "Reiten an sich ist empfehlenswert, da durch das Anspannen und Loslassen der Beckenboden besonders effektiv trainiert wird", sagt ­Marion Sulprizio.

Ab wann sind Sit-ups wieder erlaubt?

Sit-ups trainieren die geraden Bauchmuskeln. Deshalb gilt: "Erst loslegen, wenn sich der Spalt zwischen den Bauchmuskeln geschlossen hat." Bis es so weit ist, braucht es manchmal Geduld. Die Rückbildung ist zeitlich sehr indi­viduell. Bei manchen Frauen sind die Muskeln nach sechs Wochen geschlossen, bei anderen kann es bis zu einem Jahr dauern. Am bes­ten vor dem Bauchmuskeltraining von ­einer Hebamme oder vom Frauenarzt abklären lassen, ob die ­Rektusdiastase noch besteht. "Wenn man zu früh mit Sit-ups anfängt, können die ­inneren Organe durch die Bauchmuskeln herausgedrückt werden – ähnlich wie bei einem Leistenbruch", warnt Marion Sulprizio.

Wie belastbar ist der Körper nach einem Kaiserschnitt?

Wer mit einem Kaiserschnitt sein Kind bekommen hat, sollte sich zunächst erholen. "Ein Bauchschnitt wird oft unterschätzt. Das ist ­eine richtige Operation, und die unterschiedlichen Narben­schichten müssen langsam zuwachsen", sagt Sulprizio. Der Gynä­kologe kann feststellen, wann der richtige Zeitpunkt für Sport gekommen ist.

Muss man beim zweiten Kind mehr aufpassen?

Auch hier gilt: intensiv auf sich und seinen Körper hören. Fakt ist: "Der Beckenboden ist stärker belas­tet, wenn schon zwei Kinder oder mehr durchgeflutscht sind. Aber häufig erholen sich die Frauen viel schneller, da sie sich selbst und ihre Grenzen kennen", erklärt die Sportspychologin.

Welche Rolle spielt das ­Alter, wenn man in Form kommen möchte?

Klar hat eine 20-Jährige meist ein strafferes Binde­gewebe als ­eine 40-Jährige. Allerdings gibt es trainierte Frauen mit 40, die ­fitter sind als 20-Jährige. Prinzipiell hilft Aktivität in und nach der Schwangerschaft bei der ­­Gewichtsregulation.

Wird Muttermilch durch Sport sauer?

Studien belegen, dass moderater Sport die Milchkonsistenz nicht ändert. Allerdings mögen Babys die verschwitzte Haut oft nicht. "Bei hoch belastendem Sport, bei dem der Körper übersäuert, kann viel Laktat gebildet werden. Dies ist zwar nicht bedenklich, schmeckt aber manchen Babys nicht", sagt Marion Sulprizio. Tipp: Das Baby vor dem Sport anlegen.

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