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Stammzellen aus Nabelschnurblut sind ein großes Thema für werdende Eltern. Doch was damit machen? Es gibt drei Möglichkeiten. Erstens: entsorgen, wie es bei 95 Prozent der Geburten geschieht. Zweitens: spenden. Drittens: fürs eigene Kind einlagern lassen.

Die Vorteile des Nabelschnurbluts

"Zum Wegwerfen ist das Nabelschnurblut eigentlich zu ­schade", sagt Dr. med. Alexander Platz, ärztlicher Leiter der öffent­lichen DKMS Nabelschnurblutbank in Dresden. "Es enthält Millionen wertvoller Stammzellen, die in der Lage sind, sich in verschiedene ­Arten von Zellen zu entwickeln." Wer das Nabelschnurblut seines Babys spendet, kann damit einem schwer kranken Kind die Chance auf ein neues Leben geben.

Bei Leukämiepatienten etwa sind die eigenen Blutstammzellen mutiert und außer Kontrolle geraten. Deswegen werden sie mit Chemo­­therapie und Bestrahlung zerstört und durch fremde Stammzellen, zum Beispiel aus der Nabelschnur, ersetzt. Bisher wurden weltweit rund 40 000 Stammzell-Präparate aus Nabelschnurblut eingesetzt – bei 80 verschiedenen Erkrankungen. Aber mit Abstand am häufigsten verwenden Ärzte sie für die Therapie von Blutkrebs.

"Allerdings müssen die gespendeten Zellen denen des Erkrankten sehr ähnlich sein", sagt Professor Wolfgang Bethge, Hämatologe und Onkologe am Universitäts­klinikum Tübingen. "Und die Transplantate aus Nabelschnurblut reichen meist nur für die Behandlung eines Kindes aus, nicht für Erwachsene. Es sei denn, man kombiniert zwei Spenden."

Unkomplizierte Entnahme

Wer die Stammzellen aus der Nabelschnur spenden möchte, muss als Erstes eine Entbindungsklinik suchen, die mit einer öffentlichen Nabelschnurblutbank zusammenarbeitet. "Verläuft die Geburt unkompliziert und sind Mutter und Kind wohlauf, nabeln Arzt oder Hebamme den Säugling 60 bis 90 Se­kunden nach der Geburt ab und entnehmen das Blut aus der Nabel­schnur, die noch zur Plazenta führt", erklärt Experte Platz. "Das Baby wird in der Zeit versorgt und bekommt davon gar nichts mit."

Das Blut – meist zwischen 60 und 200 ­Milliliter – fließt in einen Plastik­beutel. Ein ­Kurier bringt es in die Blutbank. Die Mitarbeiter überprüfen, ob die ­Probe alle Qualitätskriterien erfüllt. "Erst dann werden die Stammzellen komprimiert und bei minus 190 Grad tiefgefroren", sagt Platz.

Die Typisierungsdaten der Spende schickt die öffentliche Blutbank an das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland in Ulm, das weltweit vernetzt ist. So kann am besten gewährleistet werden, dass die Spende auch gefunden wird, wenn sie jemand braucht. Rund 700 000 Nabelschnurtransplantate lagern weltweit in öffent­lichen Banken.

Private Vorsorge

Neben der kostenlosen ­Spende können Eltern die Nabelschnurblut-Stammzellen auch bei privaten Banken einlagern. Mehr als 2,5 Millionen Präparate liegen dort schon, als Vorsorge für das ­eigene Kind. Die Einlagerung lassen sich die Eltern je nach Anbieter zwischen 1500 und 3000 Euro für 20 Jahre kosten.

"Ein Geschäft mit der Hoffnung", nennt das Stammzelltransplanteur Bethge. Er sieht die private Einlagerung kritisch: "Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass die Heilungschancen mit Stammzellen aus der Nabelschnur besser sind als herkömmliche Therapien."

Was aber, wenn die Stammzellforschung rasant fortschreitet und in ein paar Jahren ganze Organe aus Nabelschnurblut gezüchtet werden könnten? Oder wenn sich mit ihnen Typ-1-Diabetes, Parkinson oder Hirnschäden bei Frühchen heilen lassen, wie manch privater Anbieter prophezeit? "Bei alldem handelt es sich bis jetzt um experimentelle Medizin oder um Tierversuche", sagt Bethge. Selbst wenn die Wissenschaft große Fortschritte macht, würden leicht zehn bis 20 Jahre vergehen, bis sich eine Therapie etabliert hat. Und es sei nicht mal klar, ob die tiefgefrorenen Stammzellen nach all der Zeit noch vital genug sind.

"Die Aussicht, dass das Kind mit seinen eigenen Stammzellen behandelt wird, ist sehr gering", sagt Bethge. Das sieht nicht nur er so, sondern auch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation.

Es gibt allerdings Ausnahmefälle, in denen Experten das Ein­lagern befürworten. Etwa, wenn sich schon vor der Geburt abzeichne, dass das Baby einen schweren Herzfehler hat, oder wenn es ein hohes Risiko trägt, eine Stoffwechsel­erkrankung zu entwickeln. Manchmal hilft das Nabelschnurblut auch einem erkrankten Geschwisterkind. In diesen Fällen sei eine Beratung durch klinische Genetiker und Stammzellexperten sinnvoll.

Die Kombi-Variante

Bei manchen privaten Anbietern können Eltern auch ­eine Einlagerung mit der Option auf Spende wählen. Die Nabelschnurblut-Stammzellen werden dann wie üblich aufbewahrt und in eine Daten­bank eingetragen. Das Problem: Sie sind nicht im Zentralen Knochenmarkspender-Register gelistet, durch das gewährleistet wird, dass die Spenden auch deutschland- und weltweit gefunden werden. Allerdings dürfen dort laut Richtlinien nur Einträge vorgenommen werden, wenn die Schwangere keine Ansprüche auf das Nabel­schnurblut erhebt.

Entscheiden sich die Eltern für die Kombi-Variante und es kommt eine Anfrage, können die Eltern immer noch überlegen, ob sie die Stammzellen, die sie ja eigentlich für das eigene Kind eingelagert haben, freigeben und ihr Geld erstattet bekommen. Alexander Platz  sieht das kritisch: "Das kann die Eltern in große Gewissenskonflikte bringen, denn in diesem Extremfall sind sie gezwungen, über Leben und Tod eines anderen Patienten zu entscheiden."