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Allein die Begriffe "Zange" oder "Metallglocke" wecken bei vielen Schwangeren Ängste. Dabei, sagt Andrea Ramsell aus Berlin vom Deutschen Hebammen­verband, seien die Begriffe unpassend, sie riefen falsche Bilder hervor. Eine Geburts­zange ähnele zum Beispiel eher einem Löffel, nur die Hebelwirkung sei analog zu der einer Zange. "Solche Bezeichnungen sorgen bei Frauen völlig unnötig für Albträume", meint die Hebamme.

Zudem kommt die Geburtszange (Forceps) heute kaum noch zum Einsatz. Daten des Statis­tischen Bundesamts zeigen: Im Jahr 2017 fand bei rund­ sechs Prozent der klinischen Geburten ein vaginal-operativer Eingriff statt – 0,3 Prozent mit der Geburtszange, 5,9 Prozent mit der Saugglocke (Vakuumextraktion). Spricht man also heute von vaginal-operativen Entbindungen, ist damit vor allem die Saugglocke gemeint.

Schnelle Hilfe im Ernstfall

Angewendet werden die Instrumente in der Austreibungsphase, also wenn die Geburt bereits weit vorangeschritten ist. Ziel ist, das Kind rascher zu entbinden. "Das kann aus verschiedenen Gründen nötig sein", erklärt Prof. Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Klinik Hallerwiese in Nürnberg. Etwa bei einem Geburtsstillstand: "Wenn die Geburt bereits Stunden andauert, es aber zu keinem Fortschritt kommt und die Frau mit ihren Kräften am Ende ist, können wir sie mit der Saugglocke unterstützen."

Gleiches gilt, wenn sich die Herz­töne des Kindes verschlechtern. "Es kann zum Beispiel passieren, dass die Nabelschnur zusammengedrückt wird, wenn das Kind den Becken­boden runterrutscht", erläutert Kainer. Eine Kardiotokografie (CTG) zeichnet die kindlichen Herztöne auf. Bei Abweichungen muss das Geburtsteam schnell reagieren, um ­einen Sauerstoffmangel beim Kind zu verhindern. "Saugglocke wie Geburtszange können zügig angelegt werden, sie brauchen weniger Vorbereitungszeit als ein Kaiserschnitt", erklärt Kainer.

Damit eine vaginal-operative Entbindung überhaupt möglich ist, gibt es eine zentrale Voraussetzung: "Der Kopf des Kindes muss bereits die engste Stelle – den Beckeneingang – überwunden haben", betont Kainer. Sonst herrsche beim Ziehen mit der Saugglocke oder der Zange zu viel Widerstand, für das Kind könne dies gefährlich werden. Eine klare Indikation ist daher entscheidend.

Je tiefer das Köpfchen im Becken liegt, desto risikoärmer sei die ­Methode für Mutter und Kind – und schonender als ein Kaiserschnitt: "Kann man den Kopf bereits sehen, kommt man von unten mit der Saugglocke viel besser an ihn heran als von oben per Kaiserschnitt", erklärt der Geburtsmediziner.

Prof. Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Geburtshilfe an der Klinik Hallerwiese in Nürnberg

Prof. Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Geburtshilfe an der Klinik Hallerwiese in Nürnberg

Wissen, was passiert

Trotz der Dringlichkeit sei eines unerlässlich: "Die Frau muss über die geplanten Schritte informiert werden und zu jeder Zeit im Bilde darüber sein, was passiert", betont Andrea Ramsell. Das sei entscheidend für ein positives Geburtserlebnis. "Es ist wichtig, dass sich die Frau als handelnd begreift. Das bedeutet natürlich auch, dass sie das Recht hat, bestimmten Maßnahmen zu widersprechen", sagt Ramsell.

Dabei spielten individuelle Erfahrungen, Ängste und Wünsche eine große Rolle, erzählt Kainer. "Manche Frauen wollen einen Kaiserschnitt unbedingt vermeiden und tendieren daher zu der Saugglocke, bei anderen ist es genau umgekehrt." Dies gelte es herauszufinden. Viel Zeit bleibe ­jedoch nicht, die Aufklärung müsse daher kurz und angemessen erfolgen.

Ziehen mit der Wehe

Doch wie läuft eine Geburt mit der Saugglocke ab? Zunächst gibt es bestimmte Routinemaßnahmen: "In der Regel führt der Oberarzt den Eingriff durch. Außerdem sind meist der diensthabende Arzt und die Hebamme im Raum, und das Licht wird angemacht", erzählt Ramsell. Das sei Standard und bedeute nicht, dass die Situation besonders bedrohlich sei. Dies gelte es den Paaren zu erklären.

Zu Beginn wird mithilfe von Unterdruck eine kleine Kappe am Kopf des Babys angelegt. Je nach Modell besteht sie aus Metall, Gummi oder Silikon. "Seit den letzten Jahren wird in vielen Kliniken vor allem ein Hand­vakuum aus weichem Material verwendet", erklärt Ramsell. Dabei handelt es sich um eine Einmalsaug­glocke. Während der Unterdruck bei den anderen Modellen elektronisch über einen extra Apparat erzeugt wird, geschieht dies beim Handvakuum lediglich über eine Handpumpe (siehe Grafik unten). Dadurch wirke die Prozedur weniger bedrohlich. "Viele Frauen nehmen es gar nicht als großen Eingriff wahr", sagt Ramsell.

Sanfter Probezug

Dann erfolgt während der Wehe ein sanfter Probezug. "Klappt alles gut und der Kopf tritt tiefer, zieht man bei der nächsten Wehe etwas intensiver mit", erklärt Kainer. Entscheidend sei, dass man immer synchron zu den Wehen zieht – mit der Kraft der Frau. Daher sei die Methode meist gut auszuhalten. "Schiebt die Gebärende selbst beim Pressen mit an und spürt den Druck des kind­lichen Kopfes, merkt sie den zusätz­lichen Zug oft gar nicht mehr", sagt Kainer. Sobald das Köpfchen da ist, wird der Sog langsam abgelassen und der restliche Körper wie bei ­einer natürlichen Entbindung geboren. Nach zwei bis drei Pressphasen sei das Kind in der Regel auf der Welt.

Bei Bedarf wird der Frau vor dem Eingriff ein lokales Betäubungsmittel gespritzt. "Manchmal haben die Frauen ohnehin bereits eine Periduralanästhesie bekommen, weil die Geburt schon so lange dauert", sagt Kainer. Eine zusätzliche Schmerzausschaltung sei dann nicht mehr nötig.

Im Gegensatz zur Saugglocke braucht es beim Anlegen der Geburtszange keinen Unterdruck. Deshalb geht diese Methode besonders schnell. Dabei werden zwei löffelartig gebogene Metallblätter seitlich am Kopf des Babys positioniert und dieser synchron zu den Wehen hinausgeleitet. 

Geburtszange selten angewendet

Richtig angewendet, ist die Geburtszange für das Kind unbedenklich. Aber: "Man hat festgestellt, dass es beim Herausziehen deutlich häufiger als bei der Saugglocke zu Verletzungen der Mutter kommt", sagt Kainer. Dazu zählten zum Beispiel tiefere Damm- oder Scheidenrisse.

Aus diesem Grund setze man die Geburtszange heutzutage kaum noch ein. "Ob Verletzungen auftreten, hängt auch davon ab, wie dünn das Metall der Zange ist und wie gut ein Geburtshelfer mit ihr umgehen kann", erklärt Kainer. Je seltener ­die Geburtszange angewendet wird, ­desto weniger routiniert seien viele im Umgang damit.

Geburt mit Zange oder Saugglocke

Geringeres Risiko

Bei einer Saugglockengeburt ist das Risiko für mütterliche Verletzungen zwar geringer, aber im Vergleich zu einer vaginalen Geburt ohne zusätz­lichen Eingriff ebenfalls erhöht. Das hängt mit den generellen Bedingungen zusammen – etwa damit, dass die Geburt oft bereits lange andauere. "Liegt das Kind längere Zeit im Beckenausgang, kann das bei der Mutter eher zu Nerven- und Muskelschädigungen führen", erklärt Kainer. Zudem seien die Kinder oft größer und benötigten mehr Platz.

Vorsorglich einen Dammschnitt zu machen, damit das Gewebe nicht ­­unkontrolliert einreißt, sei aber nicht per se notwendig. "Nur, wenn zu erwarten ist, dass es durch den Kopf des Babys zu einer stärkeren Verletzung bei der Frau kommen wird", sagt Franz Kainer.
Für das Kind sei die Saugglockengeburt ebenfalls unbedenklich. Doch kurzzeitig können Spuren des Eingriffs beim Baby zu sehen sein. "Durch den Sog kann es zum Beispiel am Köpfchen zu Schwellungen und Blutergüssen kommen. Diese verschwinden aber nach ein paar Tagen wieder ", erklärt Kainer. Auch wenn ­eine solche vaginal-operative Entbindung für das Kind stressig sein kann, werde es dadurch vor noch mehr Stress geschützt, betont Hebamme Andrea Ramsell: "Man kann davon ausgehen, dass es dem Kind ohne diese Prozedur deutlich schlechter gegangen wäre."

Die Geburt aufarbeiten

Da die Zeit für ausführliche Erläuterungen während der Geburt fehlt, sei eine Nachbesprechung mit dem ­Geburtshelfer oder der Hebamme umso wichtiger, sagt Ramsell. "Sie sollte verpflichtend in jeder Klinik erfolgen", findet die Hebamme. Bisher wird sie in den Leitlinien lediglich empfohlen.

Das Gespräch dient dazu, die Geburt aufzuarbeiten und Fragen zu klären. Das sei nach jeder Entbindung wichtig – insbesondere, wenn es Komplikationen gab, betont Kainer. "Hat es zum Beispiel nicht geklappt, das Kind mit der Saugglocke zu holen, sodass doch ein Kaiserschnitt nötig wurde, muss man erklären, warum es dazu gekommen ist. Ist man nach bestem Wissen vor­gegangen?" Etwa eineinhalb bis drei Monate nach der Geburt erfolgt am besten ein zweites Gespräch.

Übrigens: Bei einer weiteren Schwangerschaft liegt die Wahrscheinlichkeit für eine vaginale ­Geburt ohne zusätzlichen Eingriff bei etwa 80 Prozent. "Häufig ist es beim ersten Kind etwas schwierig mit den Geburtswehen. Beim zweiten klappt es in der Regel gut", sagt Gynäko­loge Kainer. Paaren könne es helfen, sich bereits im Vorfeld über Möglichkeiten wie eine vaginal-operative Entbindung zu informieren, um sich in der Situation nicht völlig überrumpelt zu fühlen. "Wichtig ist aber, dass sie dies aus verlässlichen Quellen tun. Ich würde immer einen Geburts­vorbereitungskurs empfehlen", rät Hebamme Andrea Ramsell.