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Manchmal machen es die Kleinen ganz schön spannend. Der errechnete Termin verstreicht, und es passiert – nichts! Etwa 37 Prozent aller Schwangeren bekommen ihr Baby später als erwartet. Ärzte sprechen zunächst von einer Terminüberschreitung.

Erst wenn sich ab der Schwanger­­schafts­woche (SSW) 42+0, also 14 Tage nach dem errechneten Termin, noch nichts getan hat, ist laut Definition von einer echten zeitlichen Übertragung die Rede. Die kommt hierzulande sehr selten vor. So zeigt eine Erhebung des Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheits­wesen in Deutschland (AQUA) aus dem Jahr 2011: Nur 0,6 Prozent aller Neugeborenen wurden übertragen.

Warum manche Kinder zu früh, andere auf den Tag genau geboren werden  und manche Babys sich länger Zeit lassen, ist nicht komplett erforscht.  Dennoch scheinen einige Faktoren die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen,  dass ein Baby nach dem errechneten Termin zur Welt kommt. Erstgebärende  etwa oder stark übergewichtige Frauen tragen ihre ­Kinder oft länger  aus. Experten vermuten auch, dass die Gene des Kindsvaters eine Rolle  spielen, ebenso ein männliches Geschlecht des Babys.

Das raten Experten

Was  Geburtshelfer im Falle einer Terminüberschreitung oder Übertragung  raten, steht in einer Leit­linie der Deutschen Gesellschaft für  Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Sie rät Ärzten, Schwangeren ohne  erkennbarem Risiko wie etwa Diabetes oder einer Plazentaschwäche ab der  Schwangerschaftswoche 41+0 eine Geburtseinleitung anzubieten und sie ab  41+3 zu empfehlen. Spätestens 14 Tage nach dem errechneten Geburtstermin  ist eine Einleitung angezeigt.

Wieso die Geburt eingeleitet wird

Doch warum wartet man nicht einfach  ab, bis sich von selbst etwas tut? "Zwar geht es bei allen Schwangeren  irgendwann los", sagt Professor Dr. Franz Kainer, Chefarzt der Abteilung  für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Klinik Hallerwiese in  Nürnberg, der die Leitlinie mit erarbeitet hat. "Manchmal ist aber die  Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet, im schlimmsten Fall stirbt das  Kind im Mutterleib." Das Sterbe­risiko des Ungeborenen steigt ab SSW 38  bis 42 zwar sehr gering, aber kontinuierlich an. Mit einer Einleitung  ab SSW 41+0 sinkt es signifikant. Das zeigen Studien, die Kainer und  seine Kollegen für die Leitlinie ausgewertet haben.

Gefährlich für  das Baby kann es etwa werden, wenn die Fruchtwasser­menge zu stark  abnimmt oder der Mutterkuchen das Baby im Bauch nur noch eingeschränkt  versorgt. Aber auch wenn die Plazenta weiterhin gut arbeitet, kann es zu  Komplikationen kommen: Das Geburts­gewicht von Kindern, die deutlich  über Termin sind, liegt häufig über 4000 Gramm, sodass viele Frauen  Geburtsverletzungen, etwa Dammrisse dritten und vierten Grades erleiden.  Oft dauern die Geburten zudem länger.

Erst abwarten, dann einleiten

Schwangere werden daher nach  Terminüberschreitung engmaschig   kontrolliert. Ab dem errechneten Termin  empfehlen Mediziner die   Untersuchung am CTG (Wehenschreiber) beim Arzt  oder in der   Geburtsklinik alle zwei Tage. "Außerdem wird die Gesundheit  von Mutter   und Kind regelmäßig per Ultraschall überwacht", erklärt  Klaudyna   Golkowski, leitende Hebamme am Klinikum St. Marien in Amberg.  Ist das   Baby im Mutterleib gut versorgt, kann noch ein paar Tage  gewartet   werden.

Tut sich allerdings bis zur SSW 41+3 nichts, sollte  laut   Leitlinie sicherheitshalber eingeleitet werden – wobei immer die    werdende Mutter das letzte Wort hat. "Keine Frau kann zu einer    Einleitung gezwungen werden", sagt Golkowski. In der Regel lässt die    Klinik sich aber unterschreiben, dass die Mutter in diesem Fall auf    eigenes Risiko handelt.

Um die Wehentätigkeit anzuregen, gibt es im   Krankenhaus  verschiedene Möglichkeiten. Nicht alle Verfahren eignen  sich   allerdings für jede Frau. Ein Überblick:

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1. Eipol-Lösung

Was wird da gemacht? Die Fruchtblase wird mit dem Finger vom Gebärmutterhals gelöst.

Warum leitet das die Geburt ein? Die Ablösung setzt Prostaglandine frei, die dafür sorgen, dass der Muttermund weich wird und sich öffnet.

Für wen eignet sich diese Methode? Erstgebärenden    empfehlen Kainer und Golkowski die Ablösung weniger, denn bei ihnen    kann sie sehr schmerzhaft sein. Die Methode kommt eher für Frauen    infrage, die schon mal ein Kind bekommen haben und deren Gewebe gut    vorgedehnt ist.

Was sollten Schwangere wissen? Wird es (zu) schmerzhaft, sollte sofort abgebrochen werden. Klarer Vorteil: Kommt es zu Wehen, sind diese natürlich.

2. Ballon-Katheter

Was wird da gemacht? Der Frau wird ein Ballonkatheter eingeführt.

Warum leitet das die Geburt ein? Der Ballon drückt auf den Muttermund, was Wehen auslösen kann.

Für    wen eignet sich diese Methode? "Für Frauen, die noch keine Wehen   haben.  Auch der Muttermund muss für diese mechanische Methode nicht   reif  sein", erklärt Kainer. Nach einem Blasensprung ist der Ballon   jedoch  tabu. "Das Infektionsrisiko ist dann zu hoch", erläutert   Golkowski.

Was  sollten Schwangere wissen? "Manche Frauen empfinden   den Ballon als sehr  störend", sagt Hebamme Golkowski. Fühlt die   Gebärende sich jedoch wohl,  bleibt der Katheter bis zu 24 Stunden im   Körper.

3. Wehencocktail

Was wird da gemacht? Die Schwangere trinkt eine Art Cocktail aus Saft (meist Aprikose), Rizinusöl, Pflaumen- oder Mandelmus.

Warum    leitet das die Geburt ein? Rizinusöl, gewonnen aus den Samen des    Wunderbaums, wirkt abführend und verursacht starke Darmbewegungen. Das    regt die Gebärmutter an, sich zusammenzuziehen.

Für wen eignet sich    diese Methode? "Erstgebärenden und Schwangeren mit noch nicht    geburtsbereitem Mutter­mund rate ich dringend ab", sagt Kainer. Bei    ungeöffnetem Mutter­mund gehe die Geburt nicht los – trotz ausgelöster    und teils heftiger Wehen. Der Wehencocktail sei deswegen – wenn    überhaupt – für Frauen mit geburtsbereitem Muttermund geeignet, die    schon mindestens ein Kind geboren hätten.

Was sollten Schwangere wissen? Der    Cocktail kann Übelkeit, Durchfall und schwere Darmkrämpfe  verursachen.   Deshalb gilt: ihn nie alleine zu Hause mit einem Rezept  aus dem  Internet  ausprobieren, sondern nur in Absprache mit einer  Hebamme oder  dem  Gynäkologen trinken! Sie sollten auch die korrekte  Mischung des  Getränks  überwachen. Unter Experten ist die Methode sehr  umstritten.

4. Prostaglandin

Was wird gemacht? Die Schwangere schluckt eine Prostaglandin-Tablette, oder es wird ihr ein Prosta­glandin-Zäpfchen oder -Gel in die Scheide eingeführt.

Warum leitet das die Geburt ein? Pros­taglandin ist eine hormonähnliche Substanz, die den Muttermund weich macht.

Für wen eignet sich diese Methode? Für Schwangere, bei denen der Mutter­­mund noch unreif, also nicht ge­burtsbereit ist. Bei Frauen, die in der Vergangenheit einen Kaiserschnitt hatten, darf nur mit Gel oder Zäpfchen eingeleitet werden.

Was sollten Schwangere wissen? Auch wenn Prostaglandine in­zwischen sehr individuell dosiert werden: "Es kann zu einer Überstimu­lation kommen", warnt Kainer. Das bedeutet nicht, dass eingeleitete Wehen schmerzhafter sind als natürliche, wie es immer wieder heißt. "Das Problem ist eher, dass eine Wehe nach der anderen kommt, ohne Pause", sagt Kainer. Manchmal brauche es dann einen Wehenhemmer. Denn in diesem Fall droht ein Sauerstoffmangel beim Ungeborenen. "In extrem seltenen Fällen kann es auch zu einem Gebärmutterriss kommen", so der Experte. Dann schweben Mutter und Kind in Lebensgefahr. "Bei einer Frau, die schon einen Kaiserschnitt hatte, ist dieses Risiko erhöht", erklärt Kainer. Für diesen Fall gibt es keine zugelassenen Medikamente zur Einleitung. "Trotzdem wird hier mit dem Einverständnis der Patientin manchmal eingeleitet – wenn auch viel zurückhaltender."

Außerdem gibt es Frauen, die auch nach mehreren Versuchen nicht auf das Medikament ansprechen. Dann steigt das Risiko für einen Kaiserschnitt. Übrigens: Eine eingeleitete Geburt dauert nicht länger als eine natür­liche. Manche rechnen aber ab Medikamentengabe. Korrekt wäre, die Stunden ab den Wehen zu zählen.

Gel oder Tablette? "Falls möglich: Tablette", sagt Golkowski. "Das Gel macht die Scheide trockener und vaginale Untersuchungen etwas unangenehmer." Außerdem lassen sich die Tabletten besser dosieren als das Gel.

5. Oxytocin

Was wird da gemacht? Die Frau erhält eine Infusion mit Oxy­tocin.

Warum leitet das die Geburt ein? Das Hormon Oxytocin löst Kontrak­tionen der Gebärmuttermuskulatur aus – sprich Wehen.

Für wen eignet sich diese Methode? Für Frauen, deren Muttermund schon gut drei Zentimeter geöffnet ist, die aber keine oder zu schwache Wehen haben.

Was sollten Schwangere wissen? "Weil der Tropf schlicht ausgeschaltet oder die Dosierung einfach verringert werden kann, ist eine Überstimulation selten", sagt Franz Kainer. Dafür schränkt die Infusion die Bewegungsfreiheit ein. Auch, weil permanent ein CTG ge­schrieben wird, um die Gesundheit des Babys zu überwachen.

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6. Blasenöffnung

Was wird da gemacht? Mit einem Blasensprenger (einem  win­zigen Fingerling mit Häkchen vorne dran) wird die Fruchtblase  angepikst. Das Fruchtwasser geht ab.

Warum leitet das die Geburt ein? Ein Blasensprung ist für das Ungeborene wie ein Startschuss. Meist setzen danach die Wehen ein.

Für  wen eignet sich diese Methode? "Nur für sehr wenige Schwangere,  ungefähr fünf Prozent", sagt Geburtsmediziner Franz Kainer. Denn die  Fruchtblase darf grundsätzlich nur bei einem reifen Muttermund und guter  Lage des kindlichen Köpfchens geöffnet werden.

Was sollten Schwangere wissen? Es  besteht eine erhöhte Infektions­gefahr. Kommen keine Wehen, erhält die  Schwangere ein Antibiotikum, nach spätestens 24 Stunden wird dann aber  medikamentös eingeleitet. Liegt das Un­geborene ungünstig, kann es im  schlimmsten Fall zu einem Nabelschnurvorfall kommen; ein  Notkaiserschnitt ist dann unumgänglich.

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