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Knapp 2,4 Millionen Autokindersitze gingen 2020 in Deutschland über die Ladentische laut Statista. Eine ganze Menge. Aber Kinder dürfen im Auto auch nur in einem entsprechenden Sitz mitfahren – solange sie nicht mindestens 12 Jahre alt oder 1,50 Meter groß sind. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Der teuerste Sitz ist dabei nicht unbedingt der beste: Bei Tests von ADAC oder TÜV schneiden hochpreisige Modelle nicht automatisch sehr gut ab. 10 Dinge, die Eltern außerdem wissen sollten:

1. Vorwärts oder rückwärts sitzen?

Fakt ist: Rückwärts sitzen ist für Babys und Kleinkinder sicherer. "Das Problem beim vorwärts gerichteten Sitzen ist der Kopf", erklärt Dr. Cora Behnisch-Gärtner von der Kinder­orthopädie der Technischen Universität München am Klinikum Schwabing. "Die Muskulatur ist für den schweren und großen Kopf des Kindes noch zu schwach. Schon bei einem Auffahrunfall mit niedriger Geschwindigkeit fällt er mit Wucht nach vorne. Dadurch kann es zu schweren Verletzungen der Halswirbelsäule kommen." Diese Gefahr ist gebannt, wenn das Kind gegen die Fahrtrichtung sitzt.

2. Was ist ein Reboarder?

Reboarder sind rückwärts gerichtete Sitze. Sie erhöhen die Sicherheit, sind aber teurer als nach vorne gerichtete Sitze und brauchen mehr Platz. Auf keinen Fall darf ein rückwärts gerichtetes System auf einen Beifahrerplatz mit aktivem Airbag. Wird der Sitz auf der Rückbank eingebaut, muss der Beifahrersitz weit nach vorne geschoben werden, der Einbau kann kompliziert sein, und große Kinder können ihre Beine oft nicht richtig ausstrecken. Manchen wird zudem übel, wenn sie gegen die Fahrtrichtung sitzen. Welcher Sitz taugt, hängt also auch vom Kind ab: Katharina Lucà vom ADAC e.V. in München rät: "Zum Kauf immer das Kind mitnehmen, den Sitz ins Auto einbauen und in Ruhe testen."

3. Was taugen mitwachsende Systeme?

"Mitwachsende Sitze sind immer ein Kompromiss", sagt Katharina Lucà. "Die Proportionen und Bedürfnisse der Kinder verändern sich, das macht nicht jeder Sitz mit."

4. Muss es ein Isofix-Sitz sein?

Kommt auf das Auto an. Ist es mit Isofix-Halte­ösen ausgestattet, ist ein Isofix-Sitz sinnvoll. "Dieser ist über Halteösen fest mit der Karosserie verbunden", sagt Lucà. "So ist der Sitz stabil befestigt. Die Gefahr einer Fehlbedienung ist außerdem gering. Das verbessert die Sicherheit."

5. Was bedeutet eigentlich i-Size?

Der Begriff bezieht sich auf eine EU-Richtlinie (R129). Sie ist 2013 in Kraft getreten, mit ihr wurden die Standards für Kindersicherheit im Auto erhöht: In Sitzen, die dieser Norm entsprechen, fahren Kinder bis 15 Monate rückwärts gerichtet. Die Sitze haben vorwiegend Isofix, es gibt aber auch i-Size-Sitze und -Babyschalen mit Gurtbefestigung. Die Wahl des Sitzes richtet sich nicht nach dem Körpergewicht, sondern nach der Körpergröße des Kindes. Autokindersitze, die nach der ECE-Regelung 44/04 zugelassen wurden, sind weiterhin genauso gültig.

6. Tut es auch ein gebrauchtes Modell?

"Nur, wenn Sie sicher sein können, dass der Sitz nicht beschädigt wurde", sagt Katharina Lucà. Beschädigungen sind – insbesondere für den Laien – nicht unbedingt erkennbar. Lucà rät deshalb: "Wenn Sie einen Sitz gebraucht kaufen oder leihen, dann am besten aus dem Familien- oder Bekanntenkreis." Eine Babyschale zu leihen sei meist in Ordnung, die Schalen werden nicht so lange benutzt. Wichtig aber: Sie muss nach ECE-Regelung 44/03 oder 44/04 zugelassen sein. "Wenn der Sitz schon mal einen Unfall mitgemacht hat, unbedingt einen neuen anschaffen", sagt Ralf Diekmann vom TÜV Rheinland in Köln.

7. Wieso haben manche Sitze einen Fangkörper?

Der kleine Tisch kann bei einem Unfall Kopf und Nacken schonen, die Belastung für Brust und Bauch aber erhöhen. Auch hier kommt es darauf an, was Kind und Eltern mögen. Manche Kinder schwitzen durch das Tischchen stärker oder versuchen, es wegzuschieben. Das Plus: "Beim An­schnallen können weniger Fehler passieren als bei Systemen mit Hosenträgergurten, weil der Fangkörper eng am Kind liegt", sagt Katharina Lucà.

8. Kindersitz mit Airbag – was bringt das?

Seit Herbst 2017 ist ein Sitz mit integriertem Airbag in den Schulterpolstern auf dem Markt. Der ADAC konnte dieses Modell, das mehr Schutz für Nacken und Kopf verspricht, 2018 testen. Bei einem Unfall soll über ein Signal an der Isofix-Verankerung der Airbag ausgelöst werden. "Bei unseren Tests gab es kein Problem mit dem zeitlichen Verlauf der Zündung und Entfaltung des Airbags. Der Sitz kann die auf Kopf und Nacken wirkenden Belastungen reduzieren – jedoch nicht so weit, dass das Niveau eines guten rückwärtsgerichteten Sitzes erreicht würde", sagt Lucà.

Beispiele für Kindersitze

9. Wie gesund sind Kindersitze für den Rücken?

Die Kinderorthopädin gibt Entwarnung: "Eine lange Autofahrt macht noch keinen Wirbelsäulenschaden." Wichtig sind regelmäßige Pausen: ausstrecken, ein bisschen bewegen. Säuglinge sollten nicht zu lange und zu oft in der Babyschale liegen. "Für die Sicherheit im Auto ist es wichtig, für die Kinder bedeutet es trotzdem eine Zwangshaltung", so Behnisch-Gärtner. "Babys müssen sich ausstrecken, strampeln können, und dafür eignen sich im Alltag Kinder­wagen und Krabbeldecke besser als die Babyschale."

10. Wie transportiert man ein Frühchen?

"Babyschalen sind für termingeborene Säuglinge kons­truiert, für Frühchen meist zu groß", sagt Behnisch-Gärtner. Sie brauchen ein Polster unter dem Po, sonst rutschen sie zu weit nach unten, der Kopf fällt nach vorne, die Kinder kriegen schlecht Luft. Das ist gefährlich bei Frühchen, die häufig Atemprobleme haben. Auch der Kopf sollte gestützt werden. Oft beraten die Frühchen-­Stationen in der Klinik.