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Zusammenfassung:

  • Erwachsene sollten ihr eigenes Medienverhalten regelmäßig kritisch hinterfragen
  • Kinder sehen am besten nicht vor dem dritten Geburtstag fern, gleiches gilt für Videos
  • Wenn das für jüngere Geschwisterkinder nicht machbar ist, achten Eltern genau darauf, dass diese nicht überfordert werden. Manche Kinder reagieren emotionaler, beispielsweise ängstlicher, als andere
  • Anfangs reichen Sendungen von 10 Minuten, Vier- bis Sechsjährige sollten maximal 30 Minuten täglich gucken, Sieben- bis Zehnjährige 45 Minuten und Elf- bis Dreizehnjährige ­maximal eine Stunde
  • Wenn ab sechs Jahren ausnahmsweise längere Filme geschaut werden, sollte dann ein fernsehfreier Tag folgen
  • Die Sendungen sollten erst bei Kindern ab dem Schulalter Werbung enthalten. Eltern sollten über den Mechanismus aufklären

Die Regel ist einfach: Kleinkinder sollen nicht fernsehen, raten Medienpädagogen unisono. Sie können die Eindrücke auf der Mattscheibe noch nicht verarbeiten. Dafür müssen sie zunächst die reale Umwelt mit allen Sinnen begreifen: tasten, fühlen, schmecken, sehen, riechen.

Setzen Eltern ihre Kleinkinder vor den Fernseher, überfordert dies das kleine Gehirn mit einem Gewitter an audiovisuellen Reizen. Erst wenn Kinder wissen, wie die Welt, in der sie leben, funktioniert, was echt ist und was nicht, ist Fernsehen in Maßen gute Unterhaltung.

Was gilt für Videos auf Tablets und Smartphones?

Also alles ganz einfach? Von wegen! Denn bei Tablets, Smartphones und Co. verschwimmen die Grenzen: Schon neun Monate alte Babys sehen private Videos auf Mamas iPhone und Papas And­­roid, zwei Jahre alte Knirpse tanzen zum Pippi-Langstrumpf-Song auf you­­tube. Für Eltern stellt sich damit die Frage, wo Fernsehen ­­eigentlich anfängt und wie man Kinder in unserer WLAN-Welt zu kompetenten Mediennutzern erzieht.

MIchael Gurt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München

MIchael Gurt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München

Private Handyfilme für die Kleinsten?

Michael Gurt arbeitet am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München und ist verantwortlicher Redakteur von "Flimmo – Programmberatung für Eltern". "Das Medium", sagt er, "ist nicht entscheidend." Ob Plasma-Bildschirm, Laptop oder Handy – Dauer­­berieselung schadet der Entwicklung.

Was aber ist mit privaten Handyfilmen, auf denen der Knirps allein oder mit den Eltern zu sehen ist, etwa beim Schaukeln im Park, beim Spielen zu Hause oder bei seinen ers­ten Schritten? Diese hält der Medienpädagoge auch bei Babys  ab neun Monaten für  unproblematisch – wenn die Filme kurz sind, nicht  ständig wiederholt und  nicht täglich gezeigt werden. "Babys und  Kleinkinder finden es  faszinierend, ihre Stimme und ihr Gesicht in  einem Film zu hören und zu  sehen. Genauso wie sie von ihrem eigenen  Spiegelbild fasziniert sind."

Im Netz: Youtube meiden, ausgewählte Kinderseiten sind besser

Schwieriger ist es mit der Videoplattform youtube, allerdings nicht so sehr der Filmchen wegen. Gegen den Pippi-Langstrumpf-Song auf dem Tablet ist für Zweijährige im Prinzip nichts einzuwenden. Auch "Piggeldy und Frederick", die zwei Schweinchen aus dem "Sandmännchen", dürften sie ab und zu mal ansehen. Wäre da nicht die Konsequenz: Auf youtube werden automatisch weitere Clips vorgeschlagen. Eine Verführung, mit der Kleinkinder nicht umgehen können. Warum bitte dürfen sie jetzt nicht weiterschauen?

Dr. Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen in München

Dr. Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen in München

Eine weitere Gefahr: Unter den Empfehlungen können auch Videos mit  verstörenden Fotos sein, etwa Horror-Clips. Bilder, die sich in das Gedächtnis der Kleinsten einbrennen. Besser also die  Seite wechseln, beispielsweise zu www.sandmann­.de.  Der Vorteil bleibt erhalten: Die Filme sind jederzeit verfügbar und  müssen nicht zu ­einer festgelegten Zeit gesehen werden – die vielleicht  so gar nicht zum trubeligen Familienleben passt.

Eltern müssen den Kleinen aber klarmachen, dass sie nicht   selbstständig herumklicken oder etwas herunterladen dürfen. Wichtig auch   hier: altersgerechte Spiele und Apps auswählen. Informationen  dazu, aber auch zu Sicherheitseinstellungen und  Communitys sowie  Such­maschinen für Kinder finden ­Eltern zum Beispiel  unter www.schau-hin.info,  einem ­Angebot des  Bundesfamilienminis­teriums, das unter anderem in  Koopera­tion mit den  beiden öffentlich-rechtlichen Sendern Das Erste und  ZDF erstellt wird.

Mediennutzung: Eltern sind Vorbilder

Stellt sich die Frage: Wie können moderne Regeln aussehen, um Kinder   zu kompetenten Medien­nutzern zu erziehen? "Das Wichtigste sind   medienkompetente Eltern", sagt die Medien­wissenschaftlerin Dr. Maya   Götz, die das interna­tionale Zentralinstitut für das Jugend- und   Bildungsfernsehen leitet.

Denn Eltern sind die Vorbilder, an denen sich die Kleinen  orientieren.  "Kinder von Zappern zappen selbst, sie kennen es nicht  anders", erklärt  die Expertin. Der erste Schritt zu kindlicher  Medienkompetenz ist  deshalb, den eigenen Umgang mit Medien zu  hinterfragen: Lieber  Sendungen bewusst aussuchen statt  Abend für Abend den Fernseher laufen  lassen, egal was auf der  Mattscheibe flackert. Eine medienfreie  Familienzeit festlegen, in der  keine E-Mails auf dem Smartphone  gecheckt und keine Anrufe  entgegengenommen werden.

Ein guter Zeitpunkt dafür ist zum Beispiel, wenn das Kind gerade aus  der Krippe, dem Kindergarten oder der Schule kommt und während des  gemeinsamen Essens. Darüber hinaus gelten zwei Regeln: begrenzen und  auswählen.

Wie lange dürfen Kinder fernsehen oder Videos gucken?

Vorschulkinder sollten nicht länger als 20 bis 30 Minuten am Tag fernsehen,  Grundschulkinder maximal 45 Minuten. Letztere dürfen auch schon  Kinderfilme anschauen, die manchmal länger ­dauern, allerdings nicht  ­­täglich.

Michael Gurt rät Eltern, sich von der täglichen Fernseh-Dosis zu  verabschieden. "Medien sollen Spaß machen und nicht den Tag  strukturieren", erklärt der Medien­pädagoge. Deshalb ruhig an manchen  Tagen ganz pausieren, an einem anderen mal eine DVD ansehen. Das steigert auch die Vorfreude: Die bewegten Geschichten bleiben  etwas Besonderes, die Kinder schielen nicht ständig auf die Uhr oder  unterbrechen das Spiel mit Freunden für eine Sendung.

Sinnvolle Sendungen auswählen

Gezielt ausgewählte Sendungen können die Entwicklung von Kindern  unterstützen. Wissenssendungen beispielsweise spielen mit der kindlichen  Neugier. Altersgerechte Geschichten wie die "Sendung mit der Maus", "Shaun,  das Schaf" oder "Pettersson und ­Findus" liefern Anregungen, um mit  Kindern über Werte und selbst Erlebtes (etwa im Kindergarten oder bei  Freunden) zu sprechen.

Eine Entscheidungshilfe bietet www.flimmo.de.  Medien­experten bewerten hier das aktuelle und für Kinder relevante  Programm. "Für den Anfang empfehle ich die öffentlich-rechtlichen  Programme, da die Kleinen nicht mit Werbung konfrontiert werden", sagt  Götz. Erst ab dem Grundschulalter begreifen Kinder den Mechanismus von Werbung.  Und selbst dann unter­liegen sie noch deren Faszination.  "Sensibilisieren Sie Ihr Kind dafür, indem Sie ihm immer wieder zeigen,  wie sich die Botschaft von Werbung entschlüsseln lässt und wie  manipulativ sie ist", so die Medienpädagogin.

­Machen Sie Ihren Kindern Angebote, und lassen Sie diese dann selbst  entscheiden, was sie davon sehen möchten. Wer selbst entscheidet, lernt  Kompetenz und Verantwortung. Das gilt natürlich auch für den Umgang mit  Medien.

Auch FSK-Freigaben hinterfragen

Streaming-Plattformen oder DVDs sind durchaus eine Alternative zum TV. Allerdings gilt auch  hier:  Nicht alles, was ab null Jahren freigegeben ist, eignet sich auch  für  ­junge Zuschauer. "Unsere Untersuchung zu den Disney Classics zeigte   zum Beispiel, dass diese sehr beliebten Filme Kindern oft Angst machen.   Sie sollten frühestens mit sechs Jahren geguckt werden", sagt Götz.   Denn Themen wie der Tod der Eltern bewegt Kinder sehr und wühlt sie auf.   Und: 90 Minuten Film sind eine lange Zeit, unbedingt in Häppchen   ansehen! Selbst wenn ­Eltern Sendungen gut auswählen, kann es passieren,   dass Kinder Angst bekommen oder Fragen haben. Deshalb sollten Eltern unbedingt mitgucken. Und im besten  Fall  liegt zwischen Ausschalten und Schlafengehen ein bisschen Zeit – zum Vor­lesen etwa, damit das Kind zur Ruhe kommt.

Kinder mit unterschiedlichen Interessen

Wer  Kinder mit einem größeren Altersabstand oder unterschiedlichen   Interessen hat, kennt das Dilemma: Wie organisiert man nun das   Fernsehen? "Jedes Kind sollte zu seinem Recht kommen", sagt ­Maya Götz.   Nacheinander gucken wäre eine Op­tion. ­Eine andere: Während das Große   zum Beispiel eine Sendung im Fernsehen sieht, darf das ­Kleine einen   ­Videoclip am Computer oder auf dem Tablet anschauen. "Ab der dritten   Klasse kann man ein Kind auch schon mal alleine gucken lassen", sagt die   Expertin. Für gemeinsame Zeiten von Groß und Klein vorm Fernseher   eignen sich Wissenssendungen oder Tierdokumenta­tionen.