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Nicht alle Mütter wünschen sich unermüdlichen Einsatz und Engagement vom Vater für den Nachwuchs. Einige Mamas wehren sich sogar regelrecht dagegen. Das kann sogar so weit gehen, dass Mütter den Vater als Eindringling wahrnehmen – und nicht als gleichberechtigten Elternteil. Dementsprechend behandeln die Mütter die Väter mitunter.

Unter dem Begriff Maternal Gatekeeping ("mütterliches Türstehen") wird dieses Phänomen seit gut zwanzig Jahren wissenschaftlich untersucht. Einer US-Studie der Brigham Young University aus dem Jahre 1999 zufolge sollen etwa 20 bis 25 Prozent aller verheirateten Frauen in die Kategorie der Maternal Gatekeeper fallen. Eine spätere, deutsche Langzeitstudie des Familien- und Sozialforschers Professor Wassilios Fthenakis kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Etwa jede fünfte Frau behindert durch ihr blockierendes Verhalten den väterlichen Einsatz im Familienleben. Grund genug also, dieses Phänomen einmal etwas näher zu betrachten.

Wie definiert sich Maternal Gatekeeping?

Sind "mütterliche Türsteherinnen" vielleicht einfach nur übermäßige Glucken, die sich besonders fürsorglich um die Kinder kümmern? Wissenschaftlich gesehen jedenfalls nicht, erklärt Familienforscher Fthenakis. "Die Glucke wird im Verhältnis zu den Kindern und zur Behütungs- und Erziehungsqualität gesehen. Die Gatekeeping-Mutter hingegen definiert sich ausschließlich in Relation zum Vater." Das heißt: Das Phänomen Maternal Gatekeeping äußert sich nicht in Form von sorgender mütterlicher Aufsicht, sondern in einem abwehrenden Verhalten gegenüber dem Vater. Die Mutter verweigert ihm den "Eingang" und fordert dabei die alleinige Entscheidungsmacht, wie die Beziehung zwischen Kind und Vater auszusehen hat.

Diese Frauen akzeptieren zwar den Mann als Partner und als Ernährer, aber nicht als väterliche Figur. Nicht als jemand, der auch Regeln aufstellen darf und auf deren Einhaltung achtet. Nicht als jemand, der sich verantwortlich für das Wohlbefinden des Kindes fühlt oder Ansprechperson für Sohn oder Tochter ist. Für diese Aufgaben ist in den Augen der Mutter ausschließlich sie selbst zuständig.

Wie und wann äußert sich Maternal Gatekeeping?

Studien haben gezeigt, dass diese so genannten Mütterblockaden meist innerhalb der Ehe oder Partnerschaft und vor allem beim ersten Kind auftreten. Ehe- und Paarberaterin Gabriele Leipold aus München kennt diese maternalen Verhaltensweisen: "Die Mutter versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, den engen Kontakt zwischen Kind und Vater zu verhindern." Eine solche Kontrollübernahme endet im schlimmsten Fall in falschen Anschuldigungen oder der kompletten Demontage der Vaterfigur.

"Diese Frauen binden das Kind extrem stark an sich," so Leipold weiter, "und geben den Männern zu verstehen, dass sie in Bezug auf das Kind alles falsch machen." Sie setzen dabei vollkommen überzogene Standards, an denen der Vater letztendlich scheitern muss. Das mütterliche Verhalten scheint somit am Ende sogar rational gerechtfertigt ("Siehst du! Du kannst das nicht. Lass mich das lieber machen."). Eine gemeinsam erziehende und sich gegenseitig unterstützende Familienarbeit – also das klassische triadische System Vater-Mutter-Kind – kann dadurch nicht entstehen.

Was können die Ursache für das "Türsteher"-Verhalten sein?

"Solange Mann und Frau in der Partnerschaft leben, ist alles oft noch entspannt", erzählt Leipold. Aber die Umstellung von der Zweier- zur Dreierbeziehung fällt einigen frisch gebackenen Müttern schwer. Oft sind Frauen betroffen, die ein triadisches System als Kind selbst nicht erlebt haben. Auch Entwicklungspsychologe Fthenakis glaubt, dass frühe Sozialisationserfahrungen eine Rolle spielen können. "Wenn die Frau selbst eine Maternal-Gatekeeping-Mutter hatte, wird sie in vergleichbaren Situationen möglicherweise selbst gerne und begründet auf dieses Modell zurückgreifen."

Noch viel mehr sieht der Forscher allerdings die Ursachen für die mütterliche Zugangsüberwachung in einem anderen Punkt begründet. "Nach der Geburt des ersten Kindes traditionalisiert sich das Familienleben gewaltig," so der Entwicklungspsychologe. Der Mann wird oft zum alleinigen Ernährer. Das Familiensystem unterliegt plötzlich einer vorher nicht da gewesenen Asymmetrie. "In solchen Fällen neigen gewisse Frauen dazu, dieses Machtungleichgewicht zu kompensieren, indem sie die typischen mütterlichen Aufgaben verstärken und die Partizipation des Vaters verhindern", erklärt Fthenakis.

Traditionell weibliche Werte wirken sinnstiftend

Die Türsteherin-Mutter sieht in der mütterlichen Rolle die Basiskompetenz ihrer gesamten Person. "Sie braucht das Kind oft zu eigenen Stabilisierung", meint auch Leipold. Dabei sehen solche Frauen in der Mutter-Identität ihre elementare Einzigartigkeit und kompensieren dadurch ein geringes Selbstbewusstsein. Diese These wird durch etliche wissenschaftliche Forschungen untermauert. Zum Beispiel hat die Soziologin Ruth Gaunt von der israelischen Bar-Ilan-Universität Maternal Gatekeeping an 209 Paaren mit Kindern zwischen sechs Monaten und drei Jahren untersucht. Dieser Studie zufolge sind typische Gatekeeperinnen wenig selbstbewusste und sehr auf traditionell weibliche Werte orientierte Frauen.

Das Mutter-Sein an sich wirkt demnach sinnstiftend und erhöht das fehlende Selbstwertgefühl. Familienforscher fanden heraus, dass als Basis für diesen Ausschließlichkeits-Kontakt häufig die naturgegebene, geschlechtsspezifische Verbindung zwischen Kind und Mutter gesehen wird. Gatekeeper-Mütter sind der Überzeugung, dass sie Schwangerschaft, Geburt und Stillen zur exklusiven Sachverständigen machen.

Folgen für die familiären Rollenverhältnisse

Die Reaktion vieler Männer auf die überhöhten Anforderungen und den darauf folgenden Verantwortungsentzug: noch weniger Engagement, noch weniger Zeit mit dem Nachwuchs, noch weniger väterlicher Einfluss. Eine Langzeitstudie der Ohio State University aus dem Jahr 2008 belegt diese Tatsache: Je größer die Entmutigung und Überwachung durch die Mutter, umso geringer der Wille nach Engagement und Kompetenzstreben vonseiten des Vaters.

"Gatekeeping kann dazu führen, dass der Vater sich komplett zurückzieht oder zumindest nicht die Anstrengung einleitet, die erforderlich gewesen wäre, um die Beziehung zu seinem Kind zu entwickeln oder zu halten", erklärt Wassilios Fthenakis die nachlassende väterliche Motivation, wenn ihm wichtige Kompetenzen, wie etwa Betreuung des Kindes, abgesprochen werden und er aus der Mutter-Kind-Beziehung ausgeschlossen wird. Intensive Erwerbstätigkeit des Mannes kann dabei das Verhalten der Mutter begünstigen, ja sogar rational rechtfertigen ("Du bist ja eh nie da!").

Wie kommt man raus aus dem Gatekeeping-Teufelskreis?

Für die Frauen ist es oft schwer, einen Fehler in ihrem Verhalten zu erkennen. Die ständigen Vorschriften und die vielfach geäußerte Kritik gegenüber den väterlichen Bemühungen sind für sie Selbstverständlichkeiten. Männern hingegen fällt es nicht leicht, das Selbstbewusstsein ihrer Frauen aufzuwerten, in dem sie zum Beispiel die traditionelle Rollenverteilung aufbrechen. Das wäre aber in diesem Fall notwendig.

Es liegt also an beiden Elternteilen, ihr Verhalten zu hinterfragen und etwas daran zu ändern. Gabriele Leipold meint: Vater und Mutter müssen die Leistung des jeweils anderen anerkennen. "Wenn das vereinnahmende Verhalten der Mutter noch nicht zu massiv ist, sollte man das Problem unverzüglich ansprechen." Der Tipp an die Väter: Formulieren Sie nichts als Vorwurf, sondern als Wunsch oder Bitte. Angegriffene Mütter gehen schnell in eine verhärtete Gegenposition. Ein weiterer Ratschlag an die Männer: Zeigen Sie Ihrer Partnerin, dass sie wichtig ist. Schlagen Sie ihr einfach vor, dass sie es sich verdient habe, auch einmal alleine oder mit Freunden etwas zu unternehmen.

Für die Mutter hingegen ist es wichtig, dem Vater Stück für Stück zu vertrauen. Ein kurzer Spaziergang am Abend – während Papa und Kind zu Hause sind – ist schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wichtig: Nicht werten und das väterliche Verhalten als "schlecht" beurteilen. Sie als Mutter müssen lernen abzugeben und den Partner als gleichwertige Bezugsperson zu akzeptieren. Dann erst können Sie von "Türstehern" zu "Türöffnern" werden.

Allerdings weiß die Therapeutin auch: Wenn das familiäre System erheblich gestört ist, dann hilft meist nur professionelle Hilfe in Form von Erziehungs- oder Eheberatung.