Logo der Apotheken Umschau

Kinder verändern vieles – meist auch das Erscheinungsbild des Esstischs. War früher die lackierte Oberfläche immer auf Hochglanz poliert und mit einem frischen Blumenstrauß dekoriert, zieren das gute Stück jetzt klebrige Flecken, Brösel oder Nudelreste. Auf dem Boden liegen vereinzelte Stücke von Butterkeksen oder Brötchen. Das ist einfach so? Vorübergehend vielleicht. Kleinkinder müssen erst lernen, wie man Besteck überhaupt benutzt. Gleichzeitig sollten sie aber auch erfahren, wie man sich bei Tisch benimmt.

Wann lernt das Kind, Besteck zu benutzen?

Sobald ein Kind Interesse zeigt, können es die Eltern den Brei mitlöffeln lassen. Meist ist das mit einem knappen Jahr der Fall. Die ersten Versuche erfordern aber noch viel Geduld. Mit anderthalb bis zwei Jahren können Kinder in der Regel weitgehend selbstständig mit dem Löffel essen. "Bis etwa zweieinhalb nutzen sie aber jede Chance, ins Essen oder nach Gegenständen auf dem Tisch zu greifen", sagt Dagmar von Cramm, Ernährungswissenschaftlerin und Autorin. "Da hilft nur: außer Reichweite stellen." Für die ersten Essversuche eignet sich bruchfestes Geschirr und Besteck im Kinderformat. Ab drei Jahren kann der Nachwuchs üben, mit kindgerechtem Besteck zu essen. "Mit vier bis fünf können das die meisten schon ganz gut", sagt von Cramm.

Woran können sich Kleinkinder schon halten?

Parallel zur reinen Motorik lernen Kinder das richtige Verhalten am Tisch. Ab zwei Jahren können sie zum Beispiel schon mit dem Essen warten, bis alle am Tisch etwas haben. Eltern können ihr Kleines darauf hinweisen, dass man nicht mit dem Essen spielt. "Allerdings vergessen Kinder in diesem Alter das schnell wieder", sagt von Cramm. Also gilt: Einfach häufig wiederholen.

Welche Tischregeln gelten für Kinder?

Üben Eltern häufig mit ihrem Nachwuchs, zahlt sich das schon bald aus. "Kinder können ab etwa drei Jahren Tischmanieren verstehen", sagt von Cramm. Wichtig sei, dass Eltern die Regeln klar formulieren und ihre Einhaltung konsequent und geduldig einfordern.

Die wichtigsten Tischregeln für Kinder ab drei Jahren:

  • vor dem Essen Hände waschen
  • alle fangen gemeinsam an zu essen
  • keinen Anblick bieten, den die anderen nicht sehen möchten – zum Beispiel mit den Fingern ins Essen fassen, Essen ausspucken, schmatzen, in Nase oder Ohren bohren
  • die Hände auf dem Tisch behalten, aufrecht sitzen
  • keine Spielsachen oder Bücher auf dem Tisch
  • während des Essens nicht fernsehen oder Musik hören
  • nicht mit vollem Mund sprechen, "bitte" und "danke" sagen, keine Schimpfwörter benutzen
  • nach dem Essen den Mund mit der Serviette abwischen
  • fragen, bevor man vom Tisch aufsteht: Wenn sich die Erwachsenen länger unterhalten wollen, braucht das Kind nicht sitzenbleiben, wenn es mit dem Essen fertig ist. Es kann dann spielen, sollte die Erwachsenen allerdings nicht stören.

Muss das Kind seinen Teller leer essen?

Mittlerweile ist es allgemeiner Konsens, ein Kind nicht zum Aufessen zu zwingen – das stört das natürliche Sättigungsgefühl. Aber wie lernt das Kind, sich nicht zu viel aufzuladen? "Eltern können es darauf hinweisen, nur so viel zu nehmen, wie es essen kann", sagt von Cramm. "Außerdem können sie ihm erklären, dass es rücksichtslos gegenüber den anderen ist, viel aufzuladen." Als Konsequenz rät die Ernährungswissenschaftlerin, bei älteren Kindern nach wiederholter Ermahnung den halbleeren Teller in den Kühlschrank zu stellen und zum Abendessen noch einmal vorzusetzen.

Was, wenn das Kleine etwas nicht mag?

"Studien haben ergeben, dass Kinder neue Nahrungsmittel bis zu vierzehnmal probieren müssen, bis sie ihnen schmecken", sagt von Cramm. Eine wichtige Regel sei deshalb: Das Kind muss etwas erst probieren. Ein "mag ich nicht" von vornherein gilt nicht. Das hilft auch bei der Geschmacksbildung. Eltern können ihr Kind motivieren, Neues zu probieren, indem sie es dafür belohnen. "In einer Studie waren zum Beispiel Sticker sehr wirksam", sagt die Expertin. Die Belohnung sollte aber nichts Essbares sein – Süßigkeiten sind zum Beispiel nicht geeignet. "Da kann man sich von der Lebensmittelindustrie viel abschauen", sagt von Cramm. "Die haben nicht nur kleine Gratis-Geschenke, sondern erzählen zum Beispiel auch Geschichten zu ihren Produkten."

Wie setzen Eltern die Regeln durch?

  • Motivieren und loben: Positiver Ansporn ist wirksamer als Machtkampf oder Grundsatzdiskussion. "Eltern sollten es ihren Kindern nicht übelnehmen, wenn es mal nicht so klappt", sagt von Cramm. "Sie immer wieder geduldig zu erinnern gehört zu ihren Aufgaben."
  • Übung macht den Meister: Gibt es häufig Gerichte, die das Kleine mit den Händen essen kann, lernt es langsamer, mit Messer und Gabel umzugehen. "Schwieriges Essen kann man aber kleinschneiden", sagt von Cramm. Wichtig sei, darauf zu achten, dass das Essen nicht zu trocken ist oder das Kind etwas dazu trinken kann – am besten Wasser.
  • Vorbildfunktion: "Wenn der Papa sagt, er mag kein Grünzeug, kann man vom Kind kaum verlangen, dass es Salat isst", sagt die Expertin. Dasselbe gelte natürlich für Tischmanieren: Schmatzen, Zeitung lesen oder zwischendurch Aufspringen sollte auch für die Eltern tabu sein.
  • Mithelfen lassen: "Erfahrungsgemäß schmeckt Kindern das Essen besser, je mehr sie an der Zubereitung beteiligt sind", sagt von Cramm. Kinder können schon früh im Garten, in der Küche und beim Tischdecken mithelfen. Dann können sie auch mitbestimmen, was gekocht wird. Von Cramm: "Denn der Koch bestimmt den Speiseplan."