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Kürzlich dachte ich an den Moment, in dem man mir sagte, dass ich kein Hochdeutsch beherrsche. Es war auf der Journalistenschule, beim Sprachtraining. Vermutlich war ich der erste ­Schüler, bei dem das Training abgebrochen werden musste, weil sich der Trainer ­ansonsten etwas angetan hätte. Oder mir.

Faam statt Farben

Ich war nicht in der Lage, Wörter klar auszusprechen. Statt "rennen"  sagte ich "renn", statt "Farben" eher so etwas wie "Faam". Achtete ich  auf die Aussprache, betonte ich falsch oder vergaß ganze Sätze.  "Ruhrdeutsch", meinte der Dozent zu mir. "Damit landest du nicht einmal  beim WDR." Ich erinnerte mich daran, als die Dreijährige am Esstisch saß  und laut nach "Möan" verlangte. "Möan!", rief sie, immer wieder  "Möan!". Natürlich störte mich der Befehlston und auch, dass sie keinen  ­ganzen Satz bildete, um nach Möhren zu fragen. Doch irgendwie fand ich  es auch schön: Kind, dachte ich, du magst in München geboren sein, aber  tief im Innern bist du Westfälin! So, wie es deine Kinder und  Kindeskinder auch sein werden. Egal, wo sie wohnen, sie werden darauf  waatn, irgendwann einmal Kinda zu bekomm. Und immer eher Butta essen als  Maggarine.

Dialekt? Wäre seltsam

Ansonsten bin ich gar nicht so ein Heimat­typ. Ich habe auch nie  Plattdeutsch gesprochen und fände es seltsam, wenn unsere Kinder Dialekt  sprechen müssten, wie es ­manche Heimat- und Mundart-Enthusiasten vor  allem im Süden gerade fordern.

Anstatt an Altem festzuhalten, sollten wir uns lieber dem Neuen  öffnen, vor allem den Wortneuschöpfungen der Kinder. Von mir aus könnte  man ein Bundesamt einrichten, zu dem Eltern die Wörter bringen, wo sie  dann sorgsam sortiert und in die Deutsche Sprache eingeflochten würden.

Wohnsala, zum Beispiel. Ist das nicht ein viel schöneres Wort als  Wohnzimmer? Es hat etwas Erhabenes, auch etwas Morgenländisches. Im  Wohnsala sitzt man nicht, sondern thront, und essen tut man (zumindest  der Westfale) auf dem Teppich. Oder poken: kann meinetwegen sofort  "kaputt" ersetzen. Und Pupa "Opa", auch wenn wir das den Kindern selbst  wieder ausgetrieben haben. Damals dachten wir noch in alten Mustern. Ein  großer Fehler.

Die Wörter überleben

Bis es das Amt gibt, müssen wir Eltern dafür sorgen, dass die Wörter  überleben. Die Tochter von Freunden zum Beispiel bommeliert, wenn andere  balancieren, und seitdem sie das tut, bommelieren wir alle.

Wenn’s gut läuft, ist bommelieren bald eine feste Größe. Hört sich  auch niedlicher an als balancieren oder, wie der Westfale zu sagen  pflegt: balangzieren.