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Expertin Professorin Dr. phil. Dorothee Gutknecht lehrt Pädagogik der frühen Kindheit an der Evangelischen Hochschule Freiburg. Im Interview erklärt sie, warum Eltern kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie auch mal Nein zum Spielen mit ihren Kindern sagen:

Egal ob Flieger- oder Versteckspiel: ­Kinder kennen kein Ende, sie ­wollen weiterspielen. Doch das ­elterliche Zeitbudget ist leider oft knapp. Müssen ­Eltern immer als Spielpartner zur Verfügung stehen?

Gutknecht: Nein. Kinder brauchen das gemeinsame Spiel mit Mama und Papa für ihre Entwicklung. Aber Eltern sind keine Animateure, und kein Kind muss pausenlos bespaßt werden. Kinder können und sollten auch alleine spielen.

Viel schöner ist es aber mit ­Mama und Papa. Und Kinder sehen es meist gar nicht ein, wenn man plötzlich aus dem Spiel aussteigen will. Wie verhalten sich ­Eltern am besten, wenn das Kleine auf Daueraufführungen besteht?

Sie fangen an zu verhandeln. Sie sagen etwa: "Noch dreimal rutschen." Schaffen Sie Übergänge, zum ­Beispiel "Dann muss Papa arbeiten und du kannst im Sand spielen."

Die meisten Kinder lieben Rollenspiele. Was kann ich tun, wenn mir dieses Spiel nicht liegt und ich mir dabei albern vorkomme?

Fragen Sie Ihren Partner oder eine andere Person, ob er oder sie übernimmt. Beide Elternteile müssen nicht alles spielen. Auch Erwachsene haben ihre Lieblingsspiele. Auf eine Spielart aber ganz zu verzichten ist keine gute Lösung. Rollen­spiele etwa fördern die Kreativität und helfen, Erlebtes zu verarbeiten. Eltern können Spiele aber steuern.

Prof. Dr. phil. Dorothee Gutknecht lehrt Pädagogik der frühen Kindheit an der Evangelischen Hochschule Freiburg

Prof. Dr. phil. Dorothee Gutknecht lehrt Pädagogik der frühen Kindheit an der Evangelischen Hochschule Freiburg

Auch, wenn ich beim Rollenspiel zum Beispiel das Kind mime?

Gerade dann! Als "Kind" haben Sie dann eben Lust, im Sandkasten eine Burg zu bauen. Schon kommen Sie beide in ein neues Umfeld, es entstehen neue Reize. Spielen ist nichts Starres. Spielen ist Spaß. Und gemeinsames Spielen funktioniert nur im Austausch. Das Kind an ein anderes Spiel heranzuführen ist fast immer die bessere Strategie als ein starres Nein.

Eltern brauchen aber auch mal Zeit zum Durchschnaufen.

Das Interessante ist: Solange die Erwachsenen beschäftigt sind und etwas tun, beispielsweise bügeln oder kochen, beschäftigt sich meist auch das Kind. Sobald Mama oder Papa sitzen, kommt das Kind angerannt. Für die Kleinen ist das ihr Signal: Jetzt hast du Zeit für mich!

Und dann?

Wenn Sie noch keine Zeit haben: Sagen Sie es. Kinder begreifen das mit etwa drei Jahren. Benutzen Sie Wenn-dann-Sätze: Mama braucht jetzt eine Pause und trinkt einen Kaffee. Wenn die Tasse leer ist, dann spielen wir. Natürlich wird immer wieder in die Tasse gelinst. Mit Zeitangaben wie "in einer halben Stunde" können kleine Kinder hingegen nichts anfangen. Bei manchen hilft auch eine Sanduhr.

Ab wann können ­Kinder denn alleine spielen?

Ich unterscheide zwischen ­allein sein und allein spielen. Allein spielen können schon Babys, aller­dings nur für eine sehr kurze Zeit. Sie liegen auf ihrer Decke, erkunden ihre Hände und ­Füße. Sie brauchen dafür die Nähe einer vertrauten Person: Mama oder Papa sind mit im Raum. Das zieht sich bei den meis­ten Kindern durch die frühe Kindheit. Im eige­nen Zimmer spielen viele Kinder erst ab der Grundschule.

Gibt es Tricks, damit ­Kinder sich besser allein beschäftigen?

Ja, und den besten haben wir gerade besprochen: Lassen Sie Ihr Kind dort spielen, wo auch Sie sind! Wenn Sie im Schlafzimmer Wäsche sortieren, kommt Ihr Kind mit. Auch sonst mögen es Kinder, wenn ihre Eltern dabei sind. Setzen Sie sich zu Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn auf den Boden, und schauen Sie beim Playmobilspielen oder Malen zu. Sie müssen nicht immer mitmachen. Gut klappt auch Folgendes: Sie überlegen und beginnen ein Spiel gemeinsam, das Ihr Kind problemlos ­alleine weiterführen kann, beispielsweise Bauen mit Klötzchen.

Mit welchen Spielsachen ­können Kinder sich sonst noch gut allein beschäftigen?

Für Babys gibt es Spielbögen, die für kürzere Zeitspannen gut sind. Mit etwa eineinhalb werden Funktionsspiele interessant: Beim Behälterspiel stapeln die Kleinen Becher, beim Sortierspiel ordnen ältere ­Kinder Knöpfe, Muscheln oder Steine nach Farben und Größe. Kindergartenkinder lieben Konstruktionsspiele, sie wollen etwas erschaffen: Sie bauen mit Klötzchen einen Turm oder aus Pappkis­ten ein Schloss. Sehr wichtig sind So-tun-als-ob-Spiele, in denen sich Kinder ihr Weltwissen erspielen.

Im Kindergartenalter ­werden Freunde wichtig. Was ist dann mit Mama und Papa?

Eltern haben deshalb jetzt noch ­lange nicht als Spielpartner bei ­ihren Kindern ausgedient. Sie geben ihnen weiter­hin ­wichtige Impulse, besonders in der Art und Weise wie sie Spiele mit ­ihren Worten begleiten.

Übrigens sollte Spielen immer sehr weit gefasst werden: Letztlich geht es vor allem um gemeinsam verbrachte Zeit, bei der das Kind im Mittelpunkt steht. Egal, ob sie ­gemeinsam im Herbstwald Blätter sammeln, auf der Couch schmusen oder spielerisch kämpfen.

Welche Spielsachen sind wann geeignet?

Hier ein paar Tipps:

  • Unter einem Jahr: ­Rassel, Greifring aus Holz, Beißring (ohne Phthalate), Stoffball, Spieluhr, ­Mobile, Spielbogen, Schmuse­puppe, Fühlbücher.
  • Ab einem Jahr: Nachziehspielzeug, Plüschtier, große Bauklötze, Becherpyramide, einfache Bilder­bücher, Haushaltsgegenstände wie Plastikschüsseln, ein Auto zum Drauf­setzen, Puppe, Xylophon, Steckspiele, Trommel.
  • Ab zwei Jahren: Einfaches Bilderlotto, Wimmel­bücher, erste Puzzles, ­Bagger, Holzeisenbahn, Fingerfarben, Wachsmalstifte, Handpuppen, Puppenkleidung zum An- und Ausziehen, Kinderküche, Verkleidungskiste, Dreirad, erste Spielfiguren.
  • Ab drei Jahren: Arztkoffer, Kaufladen, Schaukel, Kasperl-Theater, erste Gesellschafts- und Brettspiele, Fädelketten, Kugelbahn, Wasserfarben, einfache Musikinstrumente

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