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Kennen Sie die Hot Banditoz? Oder einen gewissen Detlev Jöcker? Sagt Ihnen der Titel "Aramsamsam" etwas? Oder sind sie schon einmal von Ihrer 5-jährigen Tochter zum – besonders bei Erwachsenen – lächerlich anmutenden "Känguru Dance" genötigt worden? Nein? Dann waren Sie vielleicht erfolgreicher darin, Ihrem Kind einen guten Musikgeschmack näher zu bringen als ich!

Erlesene Klänge via Nabelschnur

Dabei hatte ich mir in diesem Punkt von Anfang an die höchsten Ziele gesetzt. Die Vorbereitung meiner Tochter auf den wunderbaren Kosmos der Musik konnte gar nicht früh genug beginnen: Schon kurz nach der Zeugung wurde sie via Nabelschnur mit feinstem Material beschallt. Neun Monate lang musste sich meine Leibesfrucht wehrlos Mutters Lehrbuch zu den großen Werken aus Klassik, Jazz und Rock ergeben.

Nur Ausgewähltes durfte durch die Bauchdecke an die Ohren meiner ungeborenen Tochter dringen. Von Mozart bis Metallica, von Billie Holiday bis Billy Idol, von Miles Davis bis zu David Bowie. Beim Kochen summte ich Beethoven, beim Spazierengehen John Coltrane. Die Autofahrt zur Entbindung wurde – kein Witz – von "Riders on the Storm" von The Doors begleitet. Ich habe also alles getan: Dieses Kind hat gute Musik gehört seit es in das embryonale Stadium eingetreten war.

Dazu sollten Sie wissen, dass ich früher Musikjournalistin war. Begegnungen mit Musikern waren also an der Tagesordnung – auch für meinen Sprössling. Jazzlegende Al Jarreau legte seine Hand auf meinen Babybauch. Als Kleinkind saß meine Tochter dann bei Soul-Diva Joss Stone auf dem Schoß. Queen-Gitarrist Brian May hat ihr sogar einen Body signiert. Spätestens damit, dachte ich, sei meine Tochter bestens auf Welt des guten Musikgeschmacks vorbereitet.

Waka, waka?

Doch es kam anders. Fünf Jahre später erinnert nichts mehr an die Beethoven summende Schwangere, die sich verträumt über den Bauch streichelt. Stattdessen dringt Oktoberfestbeschallung aus dem Kinderzimmer. "Und ich flieg, flieg, flieg wie ein Flieger, bin so stark, stark, stark wie ein Tiger". Oder: "Es war eine Sau, eine ganz liebe Sau und zehn rosa Ferkel hat sie. Und die Alte machte nur 'chrum-chrum-chrum' und die Ferkel 'wie-wie-wie'!"

Hilfe! Musikalisches Sodom und Gomorrha aus dem CD-Player! Der letzte Versuch, meiner Tochter zu erklären, welch beinahe mystische Kraft in Lou-Reed-Alben steckt, ist schon lange her und wurde damals nur mit einem ungenierten Gähnen bedacht. Statt den essentiellen Ausführungen ihrer Mutter zu lauschen, grölt sie lieber Fußballlieder mit und kann sogar den Text von Shakiras "Waka waka" auswendig.

Dabei gäbe es auch in ihrem Alter leuchtende Beispiele guten Musikgeschmacks: War da nicht dieser Junge in einer der letzten "Wetten dass...?"-Sendungen, der sämtliche AC/DC-Lieder an nur einem Gitarrenriff erkennen konnte? Und hört man nicht immer wieder von Kindern, die bereits im Babyalter zur Musik von Clapton und Cash die Zehchen wippten? Warum kann also mein Kind nur Daniela-Katzenberger-Werbe-Jingles mitsingen? Glauben Sie mir, eine zeitlang nahm ich das wirklich persönlich.

Schnappi-Wahn im Kinderzimmer

Denn es gibt offensichtlich eine unumstößliche Regel: Egal, welches Lied mich zu Tode nervt, mein Kind liebt es heiß und innig. Zwischendrin war ich sogar schon so weit, dass ich mit einem gänzlich verräterischen Gedanken spielte: Wenn ich kurzzeitig Begeisterung für "Schnappi, das kleine Krokodil" vorheuchle, findet sie es ja vielleicht gar nicht mehr so toll?

Aber glücklicherweise haben meine Tochter und ich dann doch noch einen  anderen Weg gefunden, um uns musikalisch anzunähern. Auf dem Dachboden  meiner Eltern haben wir alte Kinderliederbücher gefunden. Inklusive  Noten. Ich habe Flöte spielen gelernt und meine Tochter die Texte von  gefühlt 200 Kinderliedern. Jetzt singen wir allabendlich "Ein Männlein  steht im Walde" oder "Der Kuckuck und der Esel". Gut, es ist nicht Bob  Dylan, aber es ist immerhin auch nicht "Schnappi". Und den spannenlangen  Hansel finden wir beide inzwischen ziemlich groovy. Yeah!