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Kämen Sie auf die Idee, einen roten Badeanzug mit einer braunen Wanderhose und grünen Gummistiefeln zu kombinieren? Um dann derart bekleidet zum Abendessen ins Restaurant gehen zu wollen? Meine Tochter Marlene hatte diese und ähnliche Style-Vorstellungen bereits im zarten Alter von vier Jahren. Da fing sie an, ihren eigenen "Geschmack" zu entwickeln. Und "Geschmack" habe ich hier ganz absichtlich in Anführungszeichen gesetzt.

"Das ziehe ich nicht an!"

Ich kann mich noch genau an das erste Mal erinnern. Meine Tochter war an einem Samstagnachmittag zu einem Kindergeburtstag eingeladen. Schon morgens nach dem Aufstehen setzte sie sich armverschränkt vor den Kleiderschrank. In meiner entwicklungspsychologischen Ignoranz schenkte ich dem keine Beachtung und legte ihr wie nebenbei Rock, Strumpfhose und Shirt raus. Sie sah erst die Klamotten an, dann mich, dann wieder die Klamotten und sagte dann in einer seltsam weiblichen Attitüde: "Nein, Mama, das ziehe ich bestimmt nicht an!" Äh? Hatte ich mich gerade verhört? War das der erste Tussi-Alarm? New York Fashion Week im Kinderzimmer, oder was? "Wie, das ziehe ich nicht an?", fragte ich mit gespielter Ahnungslosigkeit. Dabei wusste ich ziemlich genau, was kommen würde. Denn ich erinnerte mich in diesem Moment deutlich an meinen ersten selbstbestimmten Mode-Ausflug. Ich will nicht zu viel sagen, aber ein neues Kleid und eine Schere spielten damals eine große Rolle.

Auch Marlene hatte an diesem Vormittag eine genaue Vision davon, wie sie auf dem Kindergeburtstag auftauchen wollte: Mit einem rosa Faschings-Tütü, einem Che Guevara-Shirt mit der Aufschrift !Hasta la victoria siempre! und der Modeschmuck-Perlenkette meiner Mutter. Dazu Turnschuhe und rund 50 bunte Klammern im Haar. Ganz entzückt drehte sie sich immer und immer wieder vor dem Spiegel. Ich stand in gebührendem Abstand hinter ihr, halb im Dunkel meines Zimmers verschwindend und wusste: Jetzt geht der Klamotten-Wahnsinn erst richtig los.

Bling-Bling und Pferde-Shirts

Und so war es dann auch. Mit viereinhalb kam es immer wieder zu morgendlichen Diskussionen, was sie in den Kindergarten anziehen soll. Das Oberteil mit den Pferden? Oder mit den süßen Hunden? Oder die Schuhe, die beim Gehen blinken. Überhaupt Schuhe: Mit nichts konnte man mein Kind mehr begeistern als mit regnerischen Nachmittagen in Schuhläden. Am liebsten hätte sie sich mit fünf schon High Heels gekauft. Als sie dann auch noch Suri Cruise in einem Boulevardblatt mit Stöckelschuhen sah, erntete ich ziemlich böse, missbilligende Blicke: "Und du hast gesagt, es gibt keine Stöckelschuhe für Kinder!" Mist! Verflixte Promi-Gören!

Glücklicherweise war ich nicht alleine mit dem Thema. Auch andere Mütter plagten sich mit den teilweise abstrusen Mode-Ideen ihrer Kinder herum. Selbst geschnittene Haare, Pinguinkostüme auf dem Spielplatz und Farbexplosionen auf einem Meter Körpergröße – ich habe wirklich alles gesehen. Auch die Kinder, die auf dem Spielplatz zugegebenermaßen schicke Ton-in-Ton-Klamotten anhatten, aber sich darin sichtlich unwohl fühlten. Deren Mütter, die ständig ihre Hose abklopfend hinterher liefen, trugen wahrscheinlich auch nicht wirklich zum Wohlbefinden im beigen Kinderalbtraum bei.

Erwachsene als Style-Police?

Dann lieber ein Kunterbunt-Outfit, in dem sich meine Tochter wohlfühlt. Die Frage ist ja sowieso: Sieht das nun wirklich so schrecklich aus oder ist das nur mein durch Konventionen getrübter Blick? Durch die erwachsene Fashion-Brille. Ich meine, wer sagt mir denn, dass mein Geschmack besser ist?

Hand aufs Herz: Was haben wir in unserer Kindheit nicht modetechnisch alles verbrochen: Stonewashed-Jeans und Cowboystiefel. Neon-Shirts und Dauerwellen. Ich hatte in der Grundschule beispielsweise eine gelbe Cord-Latzhose, die ich gerne mit einem orangefarbenen Nickipulli trug. Ich sollte also mal ganz ruhig sein und hier nicht einen auf Style-Police machen. Irgendwann war es mir also egal, ob Marlene Dirndl mit Bommelmütze kombinieren wollte. Wer weiß, vielleicht setzt sie damit ja sogar mal einen neuen Trend...