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Der Quetschie schlich sich einfach ins Familienleben ein. Zunächst war er etwas Besonderes für den besonderen Ausflug. Dann merkte man, wie beschäftigt die Kinder mit ihm sind, wie schön er sie ablenkt, auf Auto- oder Zugfahrten zum Beispiel. Und im Buggy auf dem Weg zum Spielplatz. Endlich, dachte man, bleiben die Kleinen auch mal darin sitzen. Die Kinder, das muss man sagen, können ja auch schon früh aus den Quetschbeuteln trinken. Saugen, das kennen sie von der Brust. Man muss auch kein Obst mehr schnippeln, nichts waschen – ganz schön praktisch, so ein Quetschie. Der ist immer da und immer ­fertig, was natürlich auch die Kinder wissen. Die mögen ihn übrigens lieber als geschnittenes Obst. "Tatsächlich beobachten wir, dass Quetschies immer öfter als Ersatz für die tägliche Obstportion genutzt werden", sagt Manon Richter, zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).­ Die Expertin, die als Ernährungswissenschaftlerin auch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrt, sieht den Quetschie-Trend, der in Supermärkten viele Regale füllt, kritisch:

Flüssiges Obst

Würden Kinder zum Beispiel einen halben Apfel, eine halbe Banane und eine große Erdbeere essen (so viel steckt in manchem Apfel-Banane-­Erdbeer-Quetschie), hätten sie gut zu tun. "Von den Beuteln aber können sie ohne Probleme mehrere austrinken", sagt sie. Das liege nicht nur an der flüssigen Form: Quetschies, deren Obst in der Regel geschält, gekocht und püriert wird, fehlten wichtige Vitamine und vor allem Ballaststoffe. "Ballaststoffe ziehen Wasser und quellen auf. Das fördert das Sättigungsgefühl, die Darmaktivität und damit auch den Stoffwechsel." Dafür steckt in jedem Quetschbeutel viel ­Fruchtzucker. "Und zwar nicht nur vom Obst selbst", erklärt die ­Expertin aus Halle an der Saale. "Oft fügen Hersteller auch versteckte Zucker, etwa in Form von Saftkonzentrat, hinzu."

Die Zähne leiden

Das beeinflusst nicht nur den Stoffwechsel der Kinder negativ und begünstigt Übergewicht. Der hohe Zuckergehalt kann auch zu Karies führen, zumal die Zähne noch auf andere Weise leiden: "Viele Hersteller reichern die Quetschies mit Vitamin C an", erklärt Manon Richter. Das wirke auf Verbraucher gesund, mache die Produkte vor allem aber haltbar – und greife den Zahnschmelz an: "Es ist eine Säurequelle, die besonders dem Milchgebiss schadet. Betroffen sind vor allem die Frontzähne, die von dem Brei umflossen werden."

Weniger Sinneserfahrungen

Damit nicht genug. Wird die tägliche Obstportion oft durch Quetschies ersetzt, kann dies auch nachteilig für die Entwicklung der Kinder sein: "Sie essen seltener mit den Händen oder dem Löffel und machen dadurch sowie bedingt durch die flüssige Form der Nahrung weniger haptische Erfahrungen. Sie nehmen die Lebensmittel also nicht wahr über Hände, Lippen oder Zunge", erklärt die Ernährungsberaterin. Zudem leide die Kaumuskulatur, wenn sie nicht genügend beansprucht werde. "Das kann sich wiederum auf die Sprachentwicklung negativ auswirken", sagt Manon ­­Richter.

Quetschies gelten als Süßigkeit

Aus diesen Gründen steht für Manon Richter fest: "Quetschies sind als Süßigkeit zu werten und kein Ersatz für die tägliche Portion Obst, sondern für das Stück Schokolade." Eltern, die zu Quetschbeuteln aus dem Supermarkt greifen, gibt die Expertin drei Tipps:

Auf die Zutatenliste achten und Produkte mit Vitamin-C-Zusätzen sowie versteckten Zuckern in Form von ­Fruchtsaftkonzentraten meiden.

Quetschies mit Joghurt- und Getreidezusätzen sowie Gemüseanteilen reinen Fruchtbreien vorziehen. Diese Produkte sind meist ausgewogener, also gesünder.

Auf den Hinweis achten, dass die Produkte für Kinder ab sechs Monaten geeignet sind. "Babykost", erklärt Richter, "hat die höchsten Lebensmittelstandards zu erfüllen, etwa was Rückstände von Schadstoffen anbelangt."

Am besten selbst machen

Die Ernährungswissenschaftlerin spricht sich dafür aus, Quetschies nach Möglichkeit selbst zu machen. Das ist in der Regel nicht nur gesünder, sondern – in Mehrwegbeutel gefüllt, die oft den "echten" Quetschies nachempfunden sind – auch umweltschonender. Viele lassen sich sogar leicht in der Spül­maschine reinigen, und wer mehrere Beutel anschafft, kann auf ­Vorrat produzieren und sie einfrieren.

"Bei den Zutaten achtet man am besten auf Bioqualität und nimmt saisonales, regionales Obst und Gemüse", empfiehlt Richter. "Gut ist es, Breie auch mal mit Joghurt oder mit zartschmelzenden Haferflocken zu kombinieren – und Gemüse zu probieren." Karotten­püree etwa schmecke Kindern oft sehr gut, weil es schön süß sei, dabei aber weniger Zucker enthalte als Obst sowie mehr wertvolle Vitamine wie etwa Betakarotin. "Wenn man einen guten Mixer hat, der auch mit Fasern umgehen kann, kann man mal Blattsalate ausprobieren", so Richter.

Das Favoriten-Rezept der Expertin geht ganz einfach mit regionalen Zutaten: zwei Möhren stückeln und zehn Minuten köcheln lassen, dann einen Apfel und eine Birne für weitere fünf Minuten hinzufügen und alles pürieren. Gut für eine gewisse Cremigkeit, nur nicht so regional, wären auch Bananen. Die kann man übrigens, wenn es schnell gehen muss, auch einfach zerdrücken, mit etwas Wasser anrühren und abfüllen.