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Zuerst einmal: Egal, was die Werbeversprechen auf der Packung sagen[1] – handelsübliche Säuglingsnahrung unterscheidet sich kaum. Denn die Zusammensetzung von Fertigmilch ist durch die Europäische Richtlinie zur Herstellung von Säuglingsnahrung streng geregelt. Sie muss bestimmte Konzentrationen von Mineralien, Vitaminen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthalten. Der Energiegehalt liegt immer zwischen 60 und 70 Kilokalorien je 100 Milliliter fertig angerührter Milch. Außerdem darf der Proteingehalt eine bestimmte Konzentration nicht übersteigen. Diese strengen Regelungen sollen sicherstellen, dass die Kinder alle notwendigen Nährstoffe erhalten, aber zugleich nicht im Übermaß gefüttert werden. So wurde beispielsweise der Proteingehalt in der Nahrung im Laufe der Jahre gesenkt. "Der hohe Eiweißgehalt belastet die Niere von Säuglingen", begründet Professor Dr. Mathilde Kersting diese Entscheidung. Sie ist Leiterin des Forschungsdepartments Kinderernährung (FKE) der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum.

Zu viel Protein begünstigt Übergewicht

Zudem hatten Studien des Spezialisten für die Ernährung von Säuglingen – Professor Dr. Berthold Koletzko – und seiner Kollegen vom Haunerschen Spital in München gezeigt, dass Babys, die Milch mit einem hohen Proteingehalt tranken, später deutlich schwerer waren als ihre Altersgenossen, die weniger Proteine verspeisten. Dieser Effekt war bis zum Schulanfang der Kinder zu beobachten. Die unguten Folgen einer zu eiweißreichen Säuglingsernährung unterstreicht auch Professor Dr. Jörg Seidel, Kinderarzt und Experte für Kinderernährung aus Jena. "Später im Leben werden diese Kinder häufiger zu übergewichtigen Erwachsenen, sind anfälliger für Diabetes und Störungen des Fettstoffwechsels", sagt der Experte.

Kurz gesagt: Als Ersatz für Muttermilch eignet sich ausschließlich spezielle Säuglingsnahrung, deren Zusammensetzung per Gesetz genauestens vorgegeben ist.

Was hat es mit der Pre-Nahrung und der Folgemilch auf sich?

Die allererste Nahrung, die ins Fläschchen für die ganz Kleinen kommt, ist meist eine Pre-Nahrung. Sie ähnelt der Muttermilch am meisten und enthält als Zucker nur Laktose. "Ich empfehle für die ersten sechs Wochen Pre-Milch. Die anderen Zuckerarten in den 1er-Nahrungen können die Darmflora verändern und die nützlichen Milchsäurebakterien verdrängen", erklärt Seidel. Im Prinzip können Eltern sogar bei der Pre-Nahrung bleiben.

Doch auch 1er-Nahrungen dürfen Säuglinge von Anfang an trinken. Diese sind vom Kaloriengehalt her ähnlich der Pre-Nahrung, können aber verschiedene Zuckerarten enthalten.

Folgemilch, als "2er" und "3er" bezeichnet, dürfen Kinder erst erhalten, wenn sie schon Beikost bekommen – also etwa im zweiten Lebenshalbjahr. Dann sind die Eisenspeicher des Babys erschöpft und müssen aufgefüllt werden. "Eisenreicher Brei ist für Babys sehr wichtig", sagt Kersting. Von vielen Experten wird die Folgenahrung als unnötig befunden.

Kurz gesagt: Pre- und 1er-Nahrung sind Säuglingsanfangsnahrungen und können von Geburt an das ganze erste Lebensjahr gegeben werden. Folgenahrungen wie die 2er- und 3er-Nahrungen sind dagegen erst etwa ab dem sechsten Lebensmonat geeignet.

Bis zum Ende des ersten Lebensjahres sollte das Kind mindestens eine Mahlzeit mit Säuglings- oder Muttermilch bekommen. Zu diesem Zeitpunkt darf der Brei dann zwar bereits mit richtiger Kuhmilch angerührt werden – eine Portion am Tag ist jedoch genug. Mehr Protein aus Kuhmilch verkraften die kleinen Körper noch nicht. Zusätzlich sollte es deshalb ab der dritten Breimahlzeit Wasser, Tee, weiter Muttermilch oder eine Fertigmilch geben. Welche, das bleibt den Eltern überlassen. Pure Kuhmilch ist erst ab Ende des ersten Lebensjahres geeignet.

Wie sinnvoll sind Prä- und Probiotika?

Manche Säuglingsnahrungen enthalten Präbiotika – das sind Stoffe, die die Ansiedlung gesunder Bakterien im Darm fördern. Andere werben mit Probiotika – das sind meistens Milchsäurebakterien, die für eine gesunde Darmbesiedlung wichtig sind. Belegt sind die positiven Wirkungen bisher aber nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sah für Säuglinge keinen Schaden, aber auch keinen nachweisbaren positiven Effekt. "Ich würde bei Säuglingen mit Darmproblemen einen Versuch wagen", sagt Seidel.

Kurz gesagt: Auch, wenn einige Säuglingsnahrungen Prä- und Probiotika enthalten, die sich positiv auf den Darm auswirken sollen: Ausreichende Belege für ihren Nutzen gibt es noch nicht.

Säuglingsnahrung mit langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LC-PUFA) könnte mögliche Vorteile für die Entwicklung der Säuglinge haben. Aber auch das ist noch nicht endgültig geklärt.

Gibt es Nahrung für allergiegefährdete Kinder?

"HA-Nahrung ist vor allem für Kinder geeignet, deren Eltern stark unter Allergien leiden", erklärt Kinderarzt Seidel. Dadurch soll erreicht werden, dass die Säuglinge seltener selbst eine Allergie entwickeln. HA steht für hypoallergen. Dabei werden die Eiweiße in besonders kleine Bestandteile gespalten und bieten dem Immunsystem so weniger Angriffsfläche.

Der Effekt von bestimmten hypoallergenen Nahrungen bei Säuglingen mit erhöhtem Allergie-Risiko ist in Studien belegt. Der Kinderarzt oder die Kinderärztin berät dazu, welches Produkt sich eignet. Bei Kindern ohne erhöhtes Allergierisiko wird jedoch ärztlicherseits davon abgeraten, hypoallergene Säuglingsnahrungen zu verwenden. „Studien haben gezeigt, dass prinzipiell ein früher Allergen-Kontakt vorbeugend gegen das Auftreten späterer Allergien wirkt“, so Seidel. „Das gilt insbesondere auch für die Einführung der Beikost.“

Für Säuglinge mit schwerer Kuhmilcheiweiß-Allergie gibt es Spezialnahrungen, die nur nach Rücksprache mit dem Kinderarzt verwendet werden sollten und von diesem verordnet werden können. Sie können beispielsweise bei einer Kuhmilchallergie nötig sein. Hier gibt es Säuglingsnahrungen, bei denen das Kuhmilcheiweiß aufgespalten ist oder durch Aminosäuren ersetzt wird.

Kurz gesagt: Bei einem erhöhten Allergierisiko können Säuglinge, die noch gestillt werden, im ersten Lebensjahr sogenannte HA-Nahrung erhalten. Besprechen Sie das am besten mit dem Kinderarzt. Spezialnahrungen sind Säuglingen mit schwerer Kuhmilcheiweiß-Allergie vorbehalten und können vom Kinderarzt verordnet werden.

Kann ich auch auf gespendete Muttermilch zurückgreifen?

An einigen Kliniken in Deutschland gibt es sogenannte Muttermilchbanken. Dort wird Muttermilch für Kinder mit Erkrankungen oder für sehr kleine Frühchen unter geeigneten Bedingungen aufbereitet und gelagert.

Ganz anders dagegen Muttermilch, die einige Frauen über das Internet beziehen. Hier ist nicht klar, ob die Spendermutter sich gesund ernährt oder regelmäßig zu Drogen und Alkohol greift oder ob sie an einer ansteckenden Krankheit wie Hepatitis C oder HIV leidet, die über die Muttermilch übertragen werden kann. Selbst wenn die Mutter gesund ist, bleibt Milch aus dem Netz riskant. Wird die Kühlkette nicht strikt eingehalten, können Keime in der Milch schnell zur Gefahr für Säuglinge werden. Die Nationale Stillkommission rät dringend davon ab, Milch anonym aus dem Netz zu bestellen.

Kurz gesagt: Statt industriell angefertigter Säuglingsnahrung steht Säuglingen manchmal auch Milch aus Muttermilchbanken von Kliniken zur Verfügung. Von Muttermilch aus dem Netz wird indes dringend abgeraten.

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Quellen:

  • [1] Nigel Rollins: Poorly substantiated health claims on infant formula. British Medical Journal: https://www.bmj.com/... (Abgerufen am 07.03.2023)