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Es gibt Sprichwörter, die bringen es einfach auf den Punkt. Etwa dieses hier: Ich kann dich gut riechen. Was es aussagt, ist jedem sofort klar. Wir finden jemanden sympathisch. Tatsächlich hat der Geruchssinn einen entscheidenden Einfluss darauf, ob das Zwischenmenschliche stimmt. Circa zehn Millionen Geruchsrezeptoren senden Reize ans Gehirn, und noch bevor wir überhaupt ein Wort mit einer fremden Person gewechselt haben, entscheidet unsere Nase, ob wir ihr wohlwollend oder ablehnend gegenübertreten.

Babys können das auch schon. Aber empfinden sie dadurch tatsächlich bereits Sympathie für andere Menschen? "So wie Erwachsene sie definieren, empfinden Babys Sympathie sicher nicht", sagt Prof. Dr. Stefanie Höhl, Entwicklungspsychologin an der Universität Heidelberg. "Aber sie entwickeln recht schnell eine Vorliebe für bestimmte Personen. Dabei geht es vorrangig um Vertrauen." Zu- und Abneigungen entwickeln sich in Phasen.

Prof. Dr. Stefanie Höhl ist Entwicklungs- psychologin in Heidelberg

Prof. Dr. Stefanie Höhl ist Entwicklungs- psychologin in Heidelberg

Neugeborene sind offen für alle, die es gut mit ihnen meinen, sie anlächeln, sich um sie kümmern. Man könnte auch von einem Vertrauensvorschuss reden. Eine Fähigkeit, die das Überleben sichert. "Soll das Kind beispielsweise adoptiert werden, können die nicht biologischen Eltern trotzdem eine sehr enge Bindung zu ihm aufbauen", so die Psychologin.

Die Sinne entscheiden über Babys Zuneigung

Nach und nach werden Beziehungen differenziert. Wer kommt, wenn ich Hunger habe? Wer tröstet mich? Wer wiegt mich in den Schlaf? Wer fährt mit mir spazieren? Die Hauptbezugspersonen – in der Regel die Eltern – werden nun allen anderen vorgezogen. Und jeder wird mit ihnen verglichen. Ganz am Anfang geschieht das verstärkt über den Geruchssinn. Da kann es schon mal passieren, dass die Oma, die nach drei Monaten zum ersten Mal zu Besuch kommt, mit Geschrei auf Distanz gehalten wird. Die riecht ja ganz anders als Mama oder Papa. "Ein starkes Parfüm oder Tabakrauch mögen Säuglinge meist auch nicht", ergänzt Höhl.

Auch das Gehör beeinflusst, ob das Kleine lächelt oder weint. Manche Babys lieben es, wenn jemand lautstark mit ihnen Späße macht. Andere fühlen sich sofort unwohl, wenn jemand nur eine laute Stimme hat. "Alles eine Frage der Gene und auch der Gewohnheit", sagt die Entwicklungspsychologin. "Je nach Temperament verträgt ein Baby mehr und ein anderes weniger."

Sobald die Kleinen besser sehen können, entscheidet zusätzlich die Optik, ob sie jemandem ein Lächeln schenken oder die Mundwinkel nach unten gehen. Denn – so haben Studien gezeigt – Babys schauen lieber Gesichter an, die symmetrisch sind. Die finden übrigens auch Erwachsene viel schöner und schätzen solche Personen als attraktiv ein. Und noch etwas belegen Studien: Ist Mama hauptsächlich fürs Baby da, bevorzugt das Kleine eher weibliche Gesichter. Klappt andersherum mit Papa aber genauso.

Ob Bezugsperson oder Fremder: Geduld schafft Vertrauen

Ab dem zweiten Lebenshalbjahr wählen Babys immer feiner aus. Jetzt können sie unterscheiden zwischen nicht so wichtigen Personen und sehr engen Bezugspersonen – und die werden klar bevorzugt. Alle anderen müssen sich Babys Vertrauen erst erarbeiten. Eine reine Geduldsfrage, bestätigt die Expertin: "Je sensibler die Erwachsenen auf das Baby eingehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie seine Zuneigung gewinnen."

Soll heißen: Die Oma, die sich bei jedem Besuch rührend um das Kleine kümmert, ist plötzlich die Allerbeste, obwohl sie dem Baby beim ersten Besuch nicht zu nahe kommen durfte. Da kann es auch schon mal passieren, dass jetzt sogar die Mama abgemeldet ist. "Das ist völlig normal", sagt die Psychologin. "Mit der Oma hat das Baby nun anscheinend viel nachzuholen. Deshalb wird sie der Mutter für eine Weile vorgezogen."

Langfristig übernehmen Babys Verhalten der Eltern

Ab circa zehn Monaten beginnen Babys, ihr Verhalten an das vertrauter Personen anzupassen. "Verhält sich zum Beispiel eine Mutter Fremden gegenüber zurückhaltend und vorsichtig, wird auch der Nachwuchs fremde Personen kritisch aus sicherer Entfernung beobachten", sagt Höhl.

Das passiert gerne, wenn seltener Besuch kommt. Mama und Papa freuen sich, alte Freunde nach langer Zeit wiederzusehen. Und der Nachwuchs? Geht in Deckung. Der Rat der Psychologin: "Die Zurückhaltung des Kindes respektieren. Ganz besonders, wenn Eltern klar ist, dass sie bei Fremden ähnlich reagieren." Das Kind wird schon auftauen. Spätestens, wenn es feststellt: Ich kann die doch ganz gut riechen.